Deutschland findet sich in einer neuen Realität wieder. Vielerorts werden die Corona-Maßnahmen stückweise zurückgenommen und Rettungspakete sollen die hiesige Wirtschaft vor weiteren Schäden bewahren. Mit der langsamen Rückkehr in die neue Normalität nehmen auch die Advertiser ihre Werbeaktivitäten wieder auf. In unserem wöchentlichen Trendbarometer prüft ADZINE in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Gemius, wie die deutschen Werbetreibenden auf die aktuelle Situation reagieren und wo besonders hohe Werbeaktivitäten zu verzeichnen sind.
Im heutigen Trendbarometer blicken wir auf die neunte Lockdown-Woche in Deutschland und untersuchen die aktuellen Entwicklungen für die hiesige Werbeindustrie, im Speziellen für den Sektor Medien, Bücher und Co. Um ein möglichst umfassendes Bild der Werbewelt zu erhalten, analysiert Gemius im Auftrag von ADZINE die Werbeaktivitäten aller Brands im TV, auf PC und Mobile im Rahmen des eigenen Panels. Dieses Panel besteht dabei aus 7.000 PCs und 1.500 Smartphones, auf denen sämtliche Werbemaßnahmen registriert werden. Die Analyse umfasst sowohl Werbung im Browser, innerhalb von Apps – dies schließt auch Walled Gardens wie Facebook & Co. mit ein – als auch in TV und Radio via Sound-Erkennung durch die am Panel teilnehmenden Smartphones. Darüber hinaus kann das Mediennutzungsverhalten der Panelteilnehmer nachvollzogen werden. Ausgewiesen werden in den Grafiken neben der Nutzungszeit die Werbereichweiten und -Impressionen, also auch der erzeugte Werbedruck.
Mediennutzung kaum verändert
Wie bereits in der letzten Analyse wurde auch in der neunten Lockdown-Woche (KW 20) deutlich weniger Zeit vor dem TV verbracht als noch in den vergangenen Wochen und in der Prä-Corona-Zeit. Im Vergleich zum Januar ist die Nutzungszeit für TV drei Prozent niedriger, die Panel-Teilnehmer verbrachten also merklich weniger Zeit mit dem Konsum von Fernsehen. Die Nutzungszeiten für Mobile und PC sind hingegen weiterhin konstant hoch. Die Teilnehmer verbrachten rund ein Viertel mehr Zeit mit mobilen Endgeräten als noch vor der Corona-Pandemie. Für PCs liegt der Wert 13 Prozent über dem Vergleichswert vom Januar. Beide Gerätetypen werden demnach immer noch deutlich mehr genutzt als vor dem Lockdown.
Die generell höhere Nutzung von Mobile und PC gilt interessanterweise auch für diejenigen, die sonst eher schwer über TV-Werbung zu erreichen sind, da sie erheblich weniger als eine Stunde pro Tag vor dem Fernseher verbringen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche TV-Konsum beträgt in der aktuellen Erhebungswoche circa 2,5 Stunden. Das bedeutet, dass TV-Wenigseher (LTV) momentan deutlich besser über Mobile und PC mit Video-Werbung erreicht werden können.
Ziehen sich die Telko- und Pharma-Advertiser wieder zurück?
War in den Lockdown-Wochen zwei bis fünf noch ein massiver Rückgang der gesamten Werbeaktivitäten zu beobachten, scheint sich nun die Situation zunehmend zu stabilisieren und auf einem recht konstanten Niveau einzupendeln. Die durchschnittliche kumulierte Brutto-Reichweite für Bewegtbild in allen Branchen ist im Vergleich zur vorigen Woche wieder leicht um 3,7 Prozent gesunken. Die Werbemaßnahmen von acht der insgesamt 16 untersuchten Industrien weisen höhere Reichweiten auf als noch in der Vorwoche. Der Trend der vergangenen Wochen scheint sich also zu betätigen, dennoch sollte beachtet werden, dass sich die gesamte Brutto-Reichweite für Video-Werbung drastisch unter dem Niveau der Prä-Corona-Zeit eingependelt hat und weiterhin zu sinken droht, wenn auch nur leicht. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Trend in den kommenden Wochen entwickeln wird.
Den größten Zuwachs an Werbeaktivitäten im Bereich Video zeigt in der neunten Lockdown-Woche die Lebensmittelbranche, dicht gefolgt von der Automobilindustrie, die aus ihrer Corona-Starre erwacht. Aber auch die Hersteller von Hygieneprodukten und Drogeriewaren haben ihren Werbedruck spürbar erhöht. Interessanterweise fuhren in KW 20 die Branchen, die den Lockdown als Chance sahen und anfangs stark investierten, ihre Werbemaßnahmen zurück. Dazu zählen die Telko-Anbieter und die Pharmaindustrie. Der Werbedruck für Medikamente brach nun schon die zweite Woche in Folge um etwa ein Viertel ein. Außerdem verzeichnet Travel einen merklichen Rückgang, wobei sich dies mit Blick auf die aktuellen Lockerungen für die Reiseindustrie künftig wieder ändern sollte.
Die Impressions für Display- und Text-Anzeigen nehmen in der neunten Woche das erste Mal seit Beginn der Krise nicht weiter ab, sondern legen minimal zu. Die durchschnittlichen wöchentlichen Impressionen steigen hier um 0,1 Prozent. Im Wochenvergleich zeigt sich, dass sich die Werbeaktivitäten auch hier merklich stabilisiert haben, jedoch weiterhin signifikant unter dem Prä-Corona-Niveau liegen.
Werbung als Heimspiel
Im Zuge des Lockdowns und dem damit einhergehenden Social Distancing suchten die Deutschen Ablenkung mit allerhand Medien, um sich die Zeit zu vertreiben. Kaum verwunderlich also, dass die Branche um Medien, Bücher, CDs und DVDs von Beginn der Krise an zu den Werbetreibenden mit den größten Werbeaktivitäten zählte.
Traditionelle Unterhaltungsformen wie Bücher und Presseprodukte vereinen in KW 20 rund die Hälfte der gesamten kanalübergreifenden Brutto-Reichweite in diesem Sektor auf sich. Radio- und TV-Broadcaster konnten knapp ein Viertel für sich beanspruchen. Dabei war in der aktuellen Erhebungswoche Bild.de der stärkste Werbetreibende in Deutschland, dicht gefolgt vom Streaming-Dienst TV Now. Generell zeigt sich, dass der Sektor äußerst stark fragmentiert ist. Neben den genannten sticht keiner der untersuchten Advertiser hierbei besonders hervor. Während die Top-10-Advertiser in anderen Segmenten ein großes Stück des Kuchens für sich beanspruchen, sind sie im Sektor Medien & Co. nicht einmal auf ein Drittel des Werbedrucks verantwortlich.
Die Analyse zeigt auch, dass die Werbetreibenden dieses Sektors sehr häufig über PC werben, einige wie Stern oder Fribbla fast ausschließlich. Andere wie Universal oder TV Now setzen, kaum überraschend, auf das Werben via TV. Die Advertiser schalten ihre Werbung also weitgehend auf den Screens, auf denen ihr Produkt auch primär läuft. Mobile spielt hier oftmals eine untergeordnete Rolle. Die US-amerikanischen Streaming-Anbieter Amazon und Disney weisen dabei den ausgewogensten Marketing-Mix auf. Auf deutscher Seite ist Joyn kanalübergreifend sehr präsent. Diese Strategien spiegeln sich auch in der erzeugten crossmedialen Reichweite wider.
Mit Blick auf die Formate wird klar, dass viele Marken hauptsächlich auf Display-Werbung und Text-Anzeigen setzen. Anbieter wie TV Now, Joyn, Universal oder Amazon Prime Video hingegen setzen vermehrt auf Video-Werbung. Dies mag kaum überraschen, besteht deren Geschäft doch hauptsächlich aus dem Angebot von Bewegtbildinhalten. Bild und Stern bilden die Ausnahme der Regel und schalten als einzige Nicht-TV-Produkte auch Video-Anzeigen.
Fraglich ist, wie sich die beobachteten Trends in den kommenden Wochen fortsetzen könnten. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten, die mit der Corona-Pandemie einhergehen, bestehen trotz zusätzlichen Lockerungen weiter. Es wird sich zeigen, ob das schrittweise Zurückfahren der Maßnahmen zu einer Wiederbelebung der Wirtschaft und damit auch der Werbeindustrie führen kann.
Takeaways
- In der neunten Lockdown-Woche (KW 20) sind die Nutzungszeiten von Mobile, PC und TV im Vergleich zur vergangenen Woche kaum verändert. TV wird deutlich weniger konsumiert als noch in der Prä-Corona-Zeit.
- Die Werbeaktivitäten stabilisieren sich zunehmend. Die gesamte Brutto-Reichweite für Bewegtbild ist jedoch im Vergleich zur vorigen Woche wieder um 3,7 Prozent gesunken.
- Interessanterweise fuhren in KW 20 die Branchen, die den Lockdown als Chance sahen und anfangs stark investierten, ihre Werbemaßnahmen zurück. Dazu zählen die Telko-Anbieter und die Pharmaindustrie.
- Die Impressions für Display- und Text-Anzeigen nehmen minimal zu.
- In der Branche um Medien, Bücher, CDs und DVDs waren in KW 20 Bild.de und TV Now die größten Werbetreibenden.
- Mit Blick auf die Formate wird klar, dass viele Marken dieser Branche hauptsächlich dort werben, wo sie auch stattfinden.
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