Covid-19 entschleunigt das Leben und damit die Wirtschaft weltweit. Auch der Werbemarkt hat die Auswirkungen des Virus zu spüren bekommen, Budgets wurden verlagert oder gar eingefroren. ADZINE hat Marktteilnehmer aus dem Programmatic Advertising um eine Einschätzung gebeten, welche Effekte Corona auf die Werbeindustrie, insbesondere im programmatischen Umfeld, hatte und künftig haben wird.
Eine Untersuchung der Investitionen in programmatische Werbung lohnt sich. Denn die Dynamik im Programmatic Advertising kann als Indikator für Bewegungen im gesamten digitalen Werbemarkt dienen. Dino Bongartz, CEO der Data Management Platform The Adex, erklärt: “Programmatisch kann man viele Budgets sehr schnell ‘on hold’ nehmen und auch wieder starten, so dass die Effekte von Corona hier früher zu sehen sind, in die negative wie auch positive Richtung. Allerdings gibt es starke Unterschiede in den einzelnen Disziplinen: So sind Branding-Kampagnen deutlich stärker betroffen als beispielsweise das Performance-Marketing.”
Die beiden Disziplinen reagieren unterschiedlich aufgrund ihrer Buchungsmechanismen, wie Daniel Skoda, Managing Partner der Programmatic-Agentur Adlicious, ergänzt: “Programmatic Media mit Awareness-Zielen hat die Auswirkungen der Corona-Krise am schnellsten und am stärksten zu spüren bekommen, da sich die Budgets hier – beispielsweise im Gegensatz zu Direktbuchungen – am flexibelsten verschieben lassen. Kurzfristig wirkende Lower-Funnel-Maßnahmen wie SEA und Retargeting sind weniger betroffen und die Spendings ziehen vor allem im E-Commerce-Sektor an – sofern die Lieferketten hinterherkommen.”
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wandelt sich
Die Verschiebungen der Budgets haben deutliche Auswirkungen auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage im Programmatic-Ökosystem, welche die Dynamik des Markts verändern. “In Summe sind die Einbrüche ab Mitte März signifikant, wie es auch die Branchendienste hinreichend ausweisen”, meint Carsten Becker, Managing Partner Programmatic & Digital Innovation bei der Omnicom Media Group. “Auf der Angebotsseite steigen situationsbedingt die Verfügbarkeiten, da digitale Medien noch stärker konsumiert werden als in der Zeit vor dem 17. März. Dies führt unter anderem auch zu günstigeren Einkaufspreisen. Es zeigt sich also ein ambivalentes Bild von Angebot und Nachfrage“, resümiert der Agenturprofi.
Dieser Eindruck bestätigt sich auch von Technologie-Seite aus. Dirk von Borstel, CEO der Supply-Side-Plattform Yieldlab, nennt dazu Zahlen aus der Praxis: “In den letzten zwei Monaten ist ein Inventar-Anstieg von circa 15 bis 20 Prozent zu verzeichnen. Der größte Teil des Anstiegs kommt dabei über Display.”
Einzelne Publisher verzeichnen weniger Aufrufe, andere wiederum deutlich mehr. Der Header-Bidding-Spezialist Yieldlove hat einen guten Überblick über die konkrete Publisher-Landschaft. Geschäftsführer Timo Hagenow geht auf die Effekte der einzelnen Verticals ein: “Zu Beginn der Krise ist der Traffic von Nachrichtenportalen extrem angestiegen, während das Preisgefüge stabil blieb. Anschließend haben wir eine Konsolidierungsphase erlebt, in welcher die Preise gefallen sind, allerdings deutlich weniger dramatisch und nachhaltig als erwartet. Die ausfallenden Budgets beispielsweise aus den Automobil- und Reise-Sektoren wurden aufgefangen etwa durch Consumer Goods sowie Soft- und Hardware."
Die Erholung beginnt bereits, dauert aber noch an
Die Industrien, die momentan stärker werben, scheinen von der Krise zu profitieren, doch auch sie stehen vor Problemen, welche die aktuelle Marktdynamik mit sich bringt: “Hersteller von Consumer Electronics oder Modemarken würden aktuell sicherlich gerne mehr in digitale Werbung investieren, aufgrund von fehlender Ware durch unterbrochene oder eingeschränkte Lieferketten lohnt sich dieser Invest zurzeit oftmals noch nicht. Vielen Brands sollte das einen nachhaltigen Anstoß geben, die Digitalisierung stärker voranzutreiben”, meint Daniel Skoda. “Unterm Strich bleibt eine gesunkene Nachfrage nach einem durch den Lockdown weiter gestiegenen digitalem Werbeinventar”.
Bis sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder einpendelt, wird einige Zeit ins Land streichen. Omnicoms Programmatic-Spezialist Carsten Becker wagt einen Blick in die Zukunft: “Mittlerweile sehen wir bei den meisten betroffenen Kunden eine Trend zur Rückkehr zum Ausgangsniveau. Einige nutzen die derzeit günstigen Preise und erhöhen sogar ihre Budgets. Eine vollständige Erholung in den Buchungsbeständen wird aber noch einige Wochen dauern. Stand jetzt dürfen wir davon ausgehen, gegen Ende Juni das Gröbste überstanden zu haben.”
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