Digitalwerbung im Lockdown: Online-Handel als Stütze der Werbebranche
ADZINE Redaktion, 24. April 2020Die Corona-Pandemie hält Deutschland weiterhin in Atem und scheint auch zunehmend die deutsche Wirtschaft zu infizieren. Zwar dürfen ab dieser Woche wieder kleinere Geschäfte öffnen, dennoch dämpfen Wirtschaftsexpeten die Aussichten. Auch die deutsche Werbeindustrie ist spürbar betroffen. In unserem wöchentlichen Trendbarometer prüft ADZINE in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Gemius, wie die Werbebranche auf die aktuelle Situation reagiert und wo weiterhin hohe Werbeaktivitäten zu verzeichnen sind.
In der vierten Ausgabe unseres Trendbarometers blicken wir auf die fünfte Lockdown-Woche in Deutschland, also die Woche nach Ostern, und untersuchen die aktuellen Entwicklungen für die hiesige Werbebranche. Um ein möglichst umfassendes Bild der Werbewelt zu erhalten, analysiert Gemius die Werbeaktivität aller Brands im TV, auf PC und Mobile im Rahmen des eigenen Panels. Dieses Panel besteht aus 7.000 PCs und 1.500 Smartphones, auf denen sämtliche Werbemaßnahmen registriert werden. Die Analyse umfasst dabei sowohl Werbung im Browser, innerhalb von Apps - dies schließt auch Walled Gardens wie Facebook & Co. mit ein - als auch in TV und Radio via Sound-Erkennung durch die am Panel teilnehmenden Smartphones. Darüber hinaus kann das Mediennutzungsverhalten der Panelteilnehmer nachvollzogen werden. Ausgewiesen werden in den Grafiken nebn der Nutzungszeit die Werbereichweiten und -Impressionen, also der erzeugte Werbedruck der Marken.
Mediennutzungszeiten sind konstant hoch
In der fünften Lockdown-Woche (KW 16) zeigen sich die Nutzungszeiten von TV, Mobile und PC im Vergleich zur vergangenen Woche recht konstant – bei den ersten Analysen waren noch deutlich mehr Schwankungen zu verzeichnen. Die Zeit, die mit TV verbracht wird, ist dabei im Vergleich zu den ersten Wochen der Kontaktbeschränkung deutlich zurückgegangen und verzeichnet wie in KW 15 einen Anstieg von 2 Prozent gegenüber der Prä-Corona-Zeit. Die Nutzungszeiten für Mobile und PC sind im Vergleich zur letzten Erhebung leicht gestiegen. So verbrachten die Menschen in der fünften Lockdown-Woche 22 Prozent mehr Zeit mit mobilen Devices als noch im Januar. Beim stationären PC beträgt das Plus 47 Prozent.
Das generelle Wachstum der Nutzungszeiten für Mobile und PC gilt interessanterweise auch für diejenigen, die sonst schwer über TV-Werbung zu erreichen sind, da sie deutlich weniger als eine Stunde pro Tag vor dem Fernseher verbringen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche TV-Konsum beträgt in der fünften Lockdown-Woche circa 2,5 Stunden. Das bedeutet, dass TV-Wenigseher (LTV) momentan deutlich besser über Mobile und PC mit Video-Werbung erreicht werden können.
Werbeaktivitäten werden weiter zurückgefahren
Wie schon in der vergangenen Woche zu beobachten war, werden die Werbeaktivitäten für Video-Werbung (TV und Digital) deutlich zurückgefahren. Die gesamte Brutto-Reichweite für Bewegtbild ist im Vergleich zur vorigen Woche um 8,7 Prozent gefallen. Die Werbemaßnahmen von 12 der insgesamt 16 untersuchten Industrien weisen geringere Reichweiten auf. Im Vergleich zu den letzten beiden Lockdown-Wochen (KW 14 und 15) fällt der Rückgang sogar noch deutlicher aus, hier ist die gesamte Brutto-Reichweite für Video-Werbung um 15,7 Prozent gesunken. Der Trend der vergangenen Wochen setzt sich somit fort und die Reichweiten liegen bereits unter dem Niveau der Wochen vor dem Lockdown. Die größte Werbeaktivität im Bereich der Video-Werbung zeigt nach wie vor die Telekommunikationsbranche. Im Wochenvergleich stieg hier die Brutto-Reichweite um 28 Prozent. Telko setzt also weiterhin massiv auf Werbung. Aber auch die Immobilienbranche scheint sich mittlerweile wieder gefangen zu haben. Gehörte sie in den vergangenen Wochen noch zu den Branchen mit den stärksten Rückgängen, ist die Brutto-Reichweite nun wieder um 24 Prozent gestiegen. Die Reisebranche hingegen verliert weiter stark an Video-Reichweite.
Auch die Impressions für Display- und Text-Anzeigen nehmen konsequent weiter ab. Verzeichnete das Volumen an Display-Werbung – abseits von Video – und Textanzeigen in den ersten beiden Lockdown-Wochen noch einen deutlichen Anstieg, so zeichnet sich nun immer klarer ein gegenteiliger Trend ab. In der fünften Lockdown-Woche sanken die wöchentlichen Impressions um über 8 Prozent im Vergleich zu den letzten beiden Wochen. Die gesamten Impressions liegen nun deutlich unter dem Niveau der Prä-Corona-Zeit.
Dieser Trend könnte sich in den kommenden Wochen noch weiter fortsetzen, da Werbegelder zunehmend verlagert oder gar ganz eingefroren werden. Die gesamten digitalen Impressionen (inklusive Digital-Video) sind im Vergleich zu den letzten beiden Wochen um 9,8 Prozent gesunken.
E-Commerce als Stabilisator der Werbebranche
Besonders stabil in der aktuellen Krise zeigt sich der Handel, der nach wie vor den größten Teil der wöchentlichen Impressions verbuchen kann und keinen nennenswerten Rückgang zu verzeichnen hat. Dies lässt einen genaueren Blick auf die Branche durchaus als lohnenswert erscheinen. Dabei zeigt sich, dass Online-Händler das Segment Handel dominieren und in der Woche nach Ostern für 63 Prozent der Werbekontakte verantwortlich sind. Interessanterweise übertrifft die Reichweite von Shopping-Vergleichsseiten die von Supermärkten, gilt der Lebensmittelhandel doch als einer der aktivsten Werbetreibenden derzeit.
95 Prozent der 18- bis 55-Jährigen Panelteilnehmer sind mit Werbung aus dem Online-Handel in Kontakt gekommen, im Schnitt 122 Mal im Beobachtungszeitraum. Dabei waren insbesondere Mobile und TV für die Werbekontakte verantwortlich. Die Reichweiten, die über PC erzielt wurden, fielen im Vergleich geringer aus. Überwiegend wird hierbei über die Sprachrohre von RTL, Facebook, ProSiebenSat.1 und Google geworben.
Die zehn größten Werbetreibenden in der Kategorie des Online-Handels waren in der fünften Lockdown-Woche für mehr als jeden vierten Werbekontakt (27,5 Prozent) verantwortlich. Das ist insofern auffällig, da der Markt sehr fragmentiert ist. Gigant Amazon ist hier gleich zweimal vertreten, einmal an erster Stelle als E-Commerce-Plattform und an dritter Stelle in Gestalt des Hörbuchverleihs Audible. Dazwischen reiht sich der heimische Versandhandel Otto in die Top 3 ein.
Bezogen auf die erzielten geräteübergreifenden Reichweiten konnte in der Woche nach Ostern besonders ein deutscher Player überzeugen: About You ist mit 62 Prozent Spitzenreiter unter den Online-Händlern und sticht somit Amazon (58 Prozent) aus. Ebenfalls nennenswert ist die starke Werbeaktivität von Shop Apotheke, die auch in den Ergebnissen einer aktuellen BEVH-Studie verzeichnet ist, und die offenbar wachsenden Werbemaßnahmen des Eroktik-Versandhandels Eis.de. Beide Händler konnten die Hälfte, bzw. im Fall der Online-Apotheke über die Hälfte, der Panelteilnehmer mit Display-, Video- oder Text-Anzeigen erreichen. Der Lockdown scheint demnach eine gute Ausgangssituation für den Absatz von Medikamenten und Sextoys zu sein.
Zusätzlich erwähnenswert ist, dass die Geschenke- und Erlebnisplattform Mydays in den Top 10 der reichweitenstärksten Marken auftaucht. Für den Werbetreibenden scheint der Lockdown ebenfalls Potenzial zu bieten, da die erworbenen Gutscheine für Erlebnisse keinen festen Termin erfordern. Demnach weichen sicherlich viele Deutsche, die anderen eine Freude machen möchten, auf flexible Angebote aus.
Je länger der Lockdown anhält, desto deutlicher wird es, dass auch die Werbeindustrie spart. Es bleibt spannend zu beobachten, ob der Abwärtstrend bestehen bleibt oder die allmählichen Lockerungen positive Auswirkungen auf die Werbeaktivitäten haben werden.
Takeaways
- Die Deutschen verbringen nur noch geringfügig mehr Zeit vor dem TV als vor der Corona-Krise. Die Nutzungszeiten von Mobile und PC sind hingegen unverändert hoch.
- Die Reichweite von Video-Werbung in TV und Digital geht in nahezu allen Industrien spürbar zurück.
- Auch die Impressions für Display- und Text-Anzeigen nehmen konsequent weiter ab und liegen nun deutlich unter dem Level der Prä-Corona-Zeit.
- Telekommunikation bleibt stärkster Werbetreibender. Die Immobilienbranche scheint nach dem anfänglichen Werbestopp wieder zunehmend Werbung zu schalten.
- Die Werbeaktivitäten des Handels bleiben stabil. Dabei sticht der Online-Handel besonders hervor.
- Die größte geräteübergreifende Reichweite konnten hier About You, Amazon und Google Play verzeichnen. Mit Blick auf die reinen Werbekontakte tut sich unter anderem Otto stark hervor.
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