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MEDIA

Werbeformate: Alles standardisieren oder Kreativität ausleben?

Frederik Timm, 20. Februar 2020
Bild: Alice Achterhof; CC0 - unsplash.com

Damit Advertiser im zunehmend komplexen Mediageschäft nicht den Überblick verlieren und eine einheitliche Ausspielung sowie Messung von Werbemitteln möglich ist, haben sich Einkaufs- und Verkaufsseite in vielen Bereichen auf Standardformate verständigt. Während sie jedoch einerseits die seitenübergreifende Kampagenausspielung vereinfachen, nehmen sie Publishern ein Stück weit ihre Individualität. Hinzu kommt, dass Vermarkter bei der Schaffung und Durchsetzung dieser Standards teils weniger Kontrolle haben, als ihnen lieb sein kann.

Programmatic Advertising hat die Inventargrenzen zwischen Vermarktern aufgeweicht. Es ist nicht mehr so wichtig, ob ein Nutzer auf Spiegel.de oder Bild.de angesprochen wird, solange es sich um die richtige Zielgruppe handelt. Für Vermarkter sind reichweitenstarke Seiten zwar immer noch Aushängeschilder, allerdings müssen sie sich zum Beispiel über Formatvielfalt Alleinstellungsmerkmale schaffen, die sie von der Konkurrenz abheben. Gleichzeitig darf das Formatangebot nicht zu ausgefallen sein, da Werbetreibende ressourcensparend eine möglichst große Audience erreichen wollen. Seitenspezifische Werbemittel sollten da die Ausnahme bilden.

Bild: United Internet Media Rasmus Giese

„Mit Standardisierungen sorgt die digitale Werbebranche dafür, dass Werbetreibende den optimalen Überblick über das Angebot erhalten. In einem Markt mit einer wachsenden Anzahl an Kanälen, technischen Dienstleistern und Werbemitteln schaffen Standards Vertrauen und ermöglichen vereinfachte Prozesse“, meint Rasmus Giese, Geschäftsführer von United Internet Media (UIM).

Auch bei dem nach Agof-Zahlen reichweitenstärksten Vermarkter Ströer wird man nicht zuletzt aus diesem Grund alle relevanten digitalen Werbeformate screen-übergreifend standardisiert haben. Werbetreibende können dadurch ihre Kampagnen inventarübergreifend planen und buchen.

Bild: Ströer Björn Kaspring

„Der Shift auf programmatische Plattformen hat die Notwendigkeit von Standards noch einmal deutlich verstärkt“, erklärt Björn Kaspring, VOP Digital Products bei Ströer Media Solutions. „Rund zwei Drittel der Buchungen werden bei Ströer sowohl programmatisch als auch direkt auf Standardformaten ausgeliefert.“

Laut Kaspring könnten standardisierte Formate zudem sehr gut mit einfallsreichen Kreationen und screen-spezifischen Umsetzungsformen belebt werden. Das Ergebnis sei eine wirkungsvolle und zugleich effiziente Kampagne.

Nicht alles standardisieren

Bei allen nötigen Standards muss jedoch auch Raum für Produktinnovation gewahrt bleiben, findet Rasmus Giese: „Mit besonderen Werbemitteln erhalten Vermarkter Alleinstellungsmerkmale, die speziell auf die Stärken des Inventars einzahlen.“

Bild: YOC Dirk Kraus

Auch Dirk Kraus, CEO vom Mobile-Adtech-Anbieter und -Vermakter YOC, meint, dass eine komplette Vereinheitlichung von Werbeformaten an den Ansprüchen der Advertiser hinsichtlich der Effektivität von Werbeprodukten vorbeigehen würde: „Nur die Kombination von hochwirksamen Werbeformaten mit einer hohen Reichweite führt zu einer exzellenten Werbewirkung in den relevanten Zielgruppen.“

Ein kleiner Seitenhieb auf manche Konkurrenten, die sich allein auf Standards verlassen, bleibt nicht aus: „Technologisch ist der programmatische Handel dieser Werbeprodukte komplex – für manche Marktteilnehmer zu komplex, weswegen diese Standardformate propagieren.“

Für Kraus gilt eher: Die Sonderformate von heute sind die Standards von morgen: „Wir sehen, dass ehemals nichtstandardisierte, High-Impact-Werbeprodukte, wie beispielsweise das YOC Understitial Ad, sich zu standardisierten Werbeformaten entwickeln können und von anderen Marktteilnehmern übernommen werden – bis dahin, dass sogar bestehende Namensrechte übergangen werden.“

Standards durch Gremien

Bei aller kreativen Innovation darf jedoch nicht vergessen werden, dass Nutzer von Standards profitieren können. Durch entsprechende Bestimmungen können sie vor zu aufdringlichen Bannern, Interstitials oder Video Ads geschützt werden. Die Coalition for Better Ads (CfBA) hat sich als Folge von steigenden Adblocker-Raten zu ebendiesem Ziel zusammengeschlossen – um Nutzern eine bessere Werbeerfahrung zu gewährleisten. 2017 hat das Bündnis durch Befragungen zwölf Werbeformate ausgemacht, die Nutzer als besonders störend empfinden, und als Bad Ads deklariert, die Publisher nicht mehr anbieten dürfen. Seitdem nutzt Google seinen Chrome-Browser als Hebel, um diese Bestimmung durchzusetzen. Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen.

Auch wenn die Bestimmungen der CfBA für Björn Kaspring durchaus sinnvoll sind, gehört die Festlegung von Standards für ihn in die Hände von Gremien und großen Verbänden wie dem IAB: „Für die verbindliche und diskriminierungsfreie Definition von Standards sind etablierte und durch den Markt legitimierte Gremien erforderlich, wie der IAB auf internationaler Ebene oder die Agof, der OVK und die DMQ für den deutschen Markt.“ Lose Zusammenschlüsse wie die Coalition for Better Ads könnten aber zusätzliche Impulse liefern, beispielsweise über Nutzerbefragungen.

Rasmus Giese ist ähnlicher Meinung, sieht Koalitionen wie die CfBA jedoch nicht unkritisch: „Generell verzeichnen die Vermarkter über alle Formate hinweg eine Verlagerung hin zu den Werbeformen, die von der Coalition for better Ads positiv eingestuft wurden. Dennoch hat auch die Coalition for Better Ads nicht nur Befürworter, sondern auch Kritiker, die eine zu starke Fokussierung auf die Bedürfnisse des US-Markts monieren.“

Dadurch könne ein internationaler Gatekeeper entstehen, der regionale Anforderungen und Entwicklungen behindert. „Die Werbebranche muss darauf achten, sich nicht alle Spielregeln von den Global Playern diktieren lassen“, meint Giese.

Google bestimmt Standards

Der Einfluss der US-Player ist jedoch auch abseits der CfBA zu spüren. So haben Google, Facebook und Co. Einfluss darauf, welche Formate zum Standard werden. „Aufgrund der Marktdominanz und der Gateway-Funktion einzelner internationaler Player entstehen basierend auf diesen Impulsen teilweise einseitig getriebene 'Quasi-Standards' – im Gegensatz zu echten Marktstandards“, erklärt Björn Kaspring und unterstreicht noch einmal die Bedeutung der etablierten Verbände.

Doch auch die angesprochenen Verbände sind auf die Entscheidungen der großen US-Player angewiesen. „Das IAB New Ad Portfolio („Flex Ads“) ist ein Beispiel dafür, wie Standards über Marktgremien entstehen, die Durchsetzung heute aber an der Akzeptanz einzelner großer, internationaler Player hängt“, meint Kaspring. „Die Dominanz dieser Player ist mittlerweile so groß, dass es kein neuer Standard, wie zum Beispiel. die Flex Ads, in den Markt schafft, wenn große Player diese Standards nicht umsetzen.“

Um die Interessen deutscher Anbieter auf dem internationalen Markt zu vertreten, ist der BVDW zum Beispiel ebenfalls in der Coalition for Better Ads vertreten. Doch wie das Beispiel Flex Ads zeigt, sind selbst große internationale Verbände, wie der IAB, auf die Kooperation mit Google und Co. angewiesen. In Zukunft kommt die Branche daher nicht umhin, sich mit den großen US-Playern gemeinsam an den Tisch zu setzen. Nicht nur, um schlechte Formate auszusortieren, sondern auch, um neue entstehen zu lassen.

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