Was das Cookie-Aus für die Evolution im digitalen Ökosystem bedeutet
Robert Jacobi, 24. Februar 2020Das bevorstehende Ende des Cookie-Zeitalters wird in den nächsten zwei Jahren eine beispiellose Evolution im digitalen Ökosystem nach sich ziehen. An neuen, angepassten Lösungsansätzen wie kontextbasierter Werbung, First-Party-Data und Kohorten wird bereits mit Hochdruck gearbeitet.
Bis dato stehen Third-Party-Cookies im Zentrum des digitalen Ökosystems. Auf jedem Computer werden täglich mehrere hundert von ihnen gespeichert. Sie kommen von Medienhäusern, Adservern, sozialen Netzwerken, Demand-Side-Plattformen (DSPs) et cetera und sind für Marketer unverzichtbar, um einzelne Nutzer zu identifizieren und entsprechende Informationen wie zum Beispiel das Surfverhalten oder getätigte Online-Käufe zu speichern. Ohne diese Cookies werden Internetnutzer anonym und für das digitale Marketing nicht mehr gezielt erreichbar. Und genau das steht uns kurz bevor: Google hat Mitte Januar angekündigt, innerhalb der nächsten zwei Jahre im Chrome-Browser auf Cookies zu verzichten. Firefox und Safari haben den gleichen Entschluss bereits 2013 beziehungsweise 2017 getroffen. Und auch die Europäische Union reguliert mit der DSGVO die Verarbeitung von Daten und plant mit der ePrivacy-Verordnung weitere Einschnitte. Kurz gesagt: Die Cookies sind endgültig dem Aussterben geweiht!
Die nächste Evolutionsstufe: Lösungsansätze für digitale Werbung ohne Cookies
Für das digitale Marketing bedeutet das bevorstehende Cookie-Aus jedoch keinesfalls das Ende. Im Gegenteil: Auch hier glauben wir an Darwins Evolutionstheorie. Third-Party Cookies werden wie die Mammuts von der Bildfläche verschwinden, weil sie nicht mehr zum Lebensraum passen. Das digitale Ökosystem aber wird sich weiter entwickeln und neue, angepasste Lösungen hervorbringen, um auch in Zukunft eine ebenso gezielte wie relevante Konsumentenansprache zu gewährleisten. Erste Ansätze, wohin die Reise gehen könnte, werden bereits heiß diskutiert:
Kontext gewinnt an Relevanz
Traditionell bieten strukturierte und kuratierte Umfelder einen guten Ansatzpunkt, um Internetnutzer im richtigen Moment für Werbung zu begeistern. Schlüssel zum Erfolg ist hier die direkte Zusammenarbeit zwischen Publishern, Advertisern und Agenturen. Ziel ist es, digitale Inhalte mit den passenden Werbebotschaften der Advertiser zu verknüpfen sowie planbare und skalierbare technische Lösungen zu entwickeln. Machine Learning ist im Rahmen kontextbasierter Werbung unabdingbar, um sie automatisiert abzubilden. Automatische Bilderkennung und NLP (Natural Language Processing) sind nur zwei Bereiche des Machine Learnings, die zu skalierbaren Lösungen beitragen.
Datenstrategie wird zum Hygienefaktor
Die Gewinnung von First-Party-Daten ist für Advertiser und Publisher zukünftig an den Erhalt des Nutzer-Consent geknüpft. Dafür gilt es bereits jetzt die Grundlagen zu legen. Zum einen gilt es, das Verständnis darüber zu gewinnen, für welche Datenspeicherung der Consent abgegeben wird. Zum anderen muss klar werden, wie diese Daten für die Nutzeransprache und die Kampagnen-Ausspielung genutzt werden sollen. Auf Basis der First-Party-Daten können Basis-Zielgruppensegmente (Seed-Audiences) für das Targeting gebildet und genutzt werden.
Arbeit mit Kohorten
Der Anteil der Nutzer, die nicht markiert werden können, wird künftig deutlich steigen. Dies ist maßgeblich durch das Third-Party-Blocking der Browser bedingt. Mit der Umstellung auf ETP bei Firefox wird dies bereits seit dem vergangenen Jahr an der Rate der verfügbaren Cookies deutlich. Darüber hinaus gibt es natürlich eine große Zahl an Consent-Verweigerern. Umso wichtiger ist es, neue Datenpunkte zu nutzen und Kohorten für das Targeting zu bilden. Jeder Nutzer hinterlässt beim Surfen Daten wie Device-Typen, Tageszeit, Spracheinstellungen im Browser, Betriebssystem oder Standort. Diese Informationen können auch in Zukunft genutzt werden, um Kohorten für das Targeting zu bilden. Und ganz wichtig: Diese Vorgehensweise ist keinesfalls mit einem intransparenten Fingerprinting zu verwechseln, bei dem Daten zu einem individuellen Profil zusammengefasst werden. In Kohorten werden vielmehr mehrere Individuen zusammengefasst, auf einzelne Nutzer lassen sich hier keinerlei Rückschlüsse ziehen.
Werbetreibende müssen aktiv werden: Nichtstun ist das größte Risiko!
Klar scheint bei allen Lösungsansätzen schon jetzt: Die One-to-One-Kommunikation, wie wir sie auf Basis von Cookies kennen, wird sich zu einem System transformieren, das stärker auf Predictive-Modelling-Methoden setzt. Hierfür müssen deutlich größere Datenmengen analysiert werden, um Kohorten für ein Targeting bilden zu können. Machine Learning wird dabei ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg sein. Für alle Beteiligten wird die Datenverarbeitung in „Data Clean Rooms“ erforderlich sein, wie zum Beispiel dem Google Ads Data Hub. Diese „Data Clean Rooms“ werden künftig ein wesentlicher Bestandteil des anonymisierten und datenschutzkonformen Umgangs mit Daten sein. Ebenfalls abzusehen ist, dass Plattformen mit reichlich Log-In-Daten bei dieser Evolution über einen entscheidenden Vorteil verfügen.
Für Advertiser und Publisher, die sich nicht schon jetzt intensiv mit diesen Themen beschäftigen, wird es künftig deutlich schwerer, leistungsfähige digitale Kampagnen umzusetzen. Auch hier könnte über kurz oder lang eine „natürliche Auslese“ nach dem Selektionsprinzip von Charles Darwin greifen, die den Digitalmarkt weiter verändert.
Fest steht: Werbetreibende müssen sich dieser Herausforderungen alsbald stellen, wenn sie auch in Zukunft erfolgreich sein wollen. Das Cookie-Sterben lässt sich nicht aufhalten. Stillstand bedeutet in dieser Evolutionsphase nicht nur Rückschritt, sondern könnte auf lange Sicht selbst die Existenz etablierter Player gefährden.
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