Verschlanken und Vereinfachen – Gründe für Supply-Path-Optimierung
Frederik Timm, 3. Februar 2020Mit der voranschreitenden Reife des Programmatic-Marktes haben sich die Möglichkeiten rund um den automatisierten Mediahandel vervielfältigt, was das System "Programmatic Advertising" zunehmend komplex und undurchsichtig macht. Die Supply-Path-Optimierung (SPO) soll den ausufernden Einsatz von Technologie im Mediahandel eindämmen, ihn wieder einfacher und übersichtlicher machen. Zwei Experten erklären, warum das nötig ist, jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, Adtech-Anbieter aus der Wertschöpfungskette auszuschließen.
Das programmatische Ökosystem entwickelt sich stets weiter, um seinem Kernversprechen nach Effizienz und Kosteneffektivität auf der Einkaufsseite und optimaler Monetarisierung auf Publisher-Seite nachzukommen. Diese Veränderungen schließen das Aufkommen neuer technologischer Lösungen mit ein, die jedoch mitunter gleichzeitig auch Herausforderungen mit sich bringen, der sich die Branche permanent stellen muss.
So war es früher oftmals gut ersichtlich, welche Supply-Side-Plattform (SSP) welches Inventar anbietet. Eine Werbeplatzierung wurde über eine SSP vermarktet, die nacheinander Bid Requests an die angeschlossenen Demand-Side-Plattformen geschickt hat – das typische Wasserfall-Modell. Um ihre Monetarisierung zu verbessern und maximale Demand-Quellen zu bieten, setzen Publisher mittlerweile jedoch vermehrt auf Technologien wie Header Bidding, in denen eine Werbeplatzierung nahezu gleichzeitig über mehrere SSPs in einer einheitlichen Auktion (Unified Auction) angeboten wird. In der Konsequenz stehen Einkäufer vor der Herausforderung, die passende SSP auszuwählen, bei der sie das gewünschte Inventar erwerben sollten.
Zusätzlich kaufen Werbetreibende nicht nur über eine Plattform (DSP) Inventar ein. „Der Einkauf über mehrere DSPs potenziert diese Herausforderung noch, zum Beispiel wie unterschiedliche Preise und Volumina über verschiedene DSPs optimal balanciert werden können“, erklärt Daniel Knapp, CSO bei Twins Digital und Chief Economist beim IAB Europe.
Doch das ist nicht die einzige Herausforderung, die es zu lösen gilt. Gleichzeitig steigt mit der Anzahl der beteiligten Player die Gefahr für Betrug. „Komplexität erleichtert Fraud“, merkt Knapp an. „Unterstrichen wird die Bedeutung von SPO durch Domain Spoofing und Bot Fraud – Praktiken, die sich in der Masse von Daten und einem komplexen Netz von Intermediären besser verstecken können.“ Eine Optimierung des Supply Paths sieht zwar in erster Linie eine Verschlankung des Systems Programmatic vor, würde aber auch die Möglichkeiten für Ad Fraud einschränken.
SPO bekämpft hohe Datenauslastung
Eine weitere Begleiterscheinung in einer Welt mit Header Bidding ist die förmliche Explosion von Datenmengen. Da das Inventar in der gleichen Auktion nun mehrfach angeboten wird, muss die Einkaufsseite im Schnitt fünfmal mehr Informationen zu Bid Requests bearbeiten. „Das hat fundamentale betriebswirtschaftliche Auswirkungen für Tech-Intermediäre“, erklärt Knapp. „Denn die erforderliche Rechenkraft und Cloud-Kosten, um diesen Datenberg in Echtzeit zu filtern, sind enorm. Zwischen DSPs und SSPs hat sich daher eine weitere Form des SPO entwickelt, die Bid Requests auf Basis von Algorithmen vorkuratiert, so dass nicht alle Bid Requests analysiert werden müssen.“
Zudem ist es möglich, doppelte Gebote von fragwürdigen Verkäufern zu vermeiden. Dadurch sinkt die Serverlast, die seit der Verbreitung von Header-Bidding-Lösungen enorm gestiegen ist.
SPO ist nicht nur auf Advertiser-Seite gefragt
Doch nicht nur auf Einkaufsseite optimieren Werbetreibende und Tech-Anbieter an der programmatischen Wertschöpfungskette. Auch Publisher analysieren vermehrt die Supply-Pfade, um festzustellen, von welchen DSPs und Trading Desks ihr Demand kommt, welche Einkaufsbeziehungen ihre SSPs pflegen und welcher Wert für den Publisher so entsteht. „Diese Informationen sind essentiell zur Optimierung der Monetarisierung, beispielsweise durch dynamisches Floorpricing, zur Verhandlung von Geschäftsvereinbarungen mit SSPs und schlussendlich zur Evaluation, welche und wie viele SSPs tatsächlich integriert werden sollten“, erklärt Daniel Knapp.
In diesem Zuge arbeitet der Mobile-Vermarkter und SSP-Anbieter YOC an einer möglichst transparenten Mediaeinkaufskette. Ilya Mavrychev, Senior Technical Product Manager bei YOC, meint: „Durch die Sicherstellung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen, die von unserer Plattform an die Demand Side weitergegeben werden, ermöglichen wir ihnen eine präzise wirtschaftliche und qualitative Analyse jedes ‘Pfades’ auf Basis von Log-Level-Daten. Es ist wichtig zu verstehen, dass, obwohl es immer einfacher wird, eine programmatische Auktion in die einzelnen Supplier zu unterteilen, es immer noch eine komplexe Aufgabe ist, effektiv zu bestimmen, welcher Supplier bevorzugt werden sollte.“
Die Kette muss nicht immer kürzer werden
Häufig wird die Supply-Path-Optimierung mit einer Ausdünnung der Tech-Anbieter in der Einkaufskette gleichgesetzt. Allerdings müssen nicht zwangsläufig Geschäftsbeziehungen aufgekündigt werden, um einen effektiveren Medieeinkauf zu gewährleisten. „In vielen Fällen senkt eine kürzere Supply Chain die CPMs der Werbetreibenden, beziehungsweise erhöht die Zahlung für die Publisher“, sagt Mavrychev, fügt jedoch sofort hinzu: „Aber auch Zwischenhändler können den ROI positiv beeinflussen, indem sie ihre Möglichkeiten des Targetings, Aggregation von Traffic, Zusatz von Datenpunkten oder Viewability-Optimierung ausnutzen. Daher wird hier nicht unbedingt die Logik 'je kürzer, desto effektiver' angewendet.“
Daniel Knapp fügt hinzu: „Entgegen dem Anschein ist SPO oft ein manueller und zeitintensiver Prozess. SPO ist keine Technologie, sondern eine Kombination von Methoden, Ressourcen und Marktwissen. Jenseits der algorithmischen Kuratierung von Bid Requests fehlt es oft an Möglichkeiten einer automatischen Umsetzung. Da verschiedene Marktteilnehmer unterschiedliche Ziele mit SPO verfolgen, lässt sich SPO auch nur schwer skalieren.“
In den vergangenen Jahren hat sich Programmatic Advertising rasant weiterentwickelt und noch immer werden neue Kanäle erschlossen und Technologien für den automatisierten Mediaeinkauf entwickelt. Mit der zunehmenden Bedeutung von Supply-Path-Optimierung kehrt jedoch auch ein Stück Ruhe ein. Anstatt nach dem Motto „Viel hilft viel“ zu operieren, werden die Einzelbestandteile der Wertschöpfungskette genauer in Augenschein genommen. In den sonst automatisierten Mediahandel mittels Programmatic-Technologien kehrt damit auch ein Stück „Handarbeit“ zurück.
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