Profitiert Mobile Advertising vom Schwinden des Third-Party Cookies?
Anton Priebe, 5. Februar 2020Der Third-Party Cookie spielt seit langer Zeit eine immense Rolle fürs Targeting in der Digitalwerbung. Mit seiner Hilfe werden Nutzer identifiziert und werberelevante Informationen seitenübergreifend weitergegeben. Angesichts der Regulationen vonseiten des Gesetzgebers (DSGVO) und der Browserhersteller (Anti-Tracking-Maßnahmen) dürfte cookiebasiertes Targeting jedoch schon bald der Vergangenheit angehören. Werbetreibende könnten nun verstärkt im mobilen Umfeld investieren, schließlich fällt die Identifikation hier deutlich leichter. Ist eine Verschiebung der Werbebudgets von Desktop hin zu In-App Advertising zu erwarten?
Mit der Ankündigung von Google, sich in zwei Jahren ebenfalls vom Third-Party Cookie zugunsten der sogenannten “Privacy Sandbox”-Idee zu verabschieden, fiel die letzte Bastion. Bisher haben bereits Mozillas Firefox und Apples Safari Drittanbieter-Cookies in ihren Browser-Umgebungen blockiert, nun macht auch der Marktführer ernst. Die Branche sucht schon länger nach alternativen ID-Lösungen, marktreif scheint jedoch noch keine.
Während sich Tech-Anbieter überlegen, wie sie dem Problem Herr werden, denken Advertiser und Agenturen wohl eher pragmatisch: Wo muss ich investieren, um meine Zielgruppe treffsicher zu erreichen? Dabei gerät Mobile Advertising, speziell In-App, ins Blickfeld – schließlich kommt das seit jeher ohne Cookies aus.
Der Markt für Mobile Advertising in Deutschland
Mobile und Video werden in sämtlichen Markterhebungen und Prognosen als die Wachstumstreiber der digitalen Werbung identifiziert. Laut einer aktuellen PwC-Analyse, die im Gegensatz zu vielen anderen Erhebungen alle Werbekanäle miteinbezieht und ein realistisches Bild des Markts zeichnet, betrugen die Gesamtausgaben für Online-Werbung in Deutschland rund 8,5 Milliarden Euro für 2019. Mobile Advertising, sowohl Web als auch In-App, trägt mit 1,28 Milliarden Euro dazu bei und soll bis 2023 sogar auf über 2 Milliarden Euro anwachsen.
Aktuelle Zahlen für eine genauere Aufschlüsselung sind derweil schwieriger aufzufinden, oftmals wird mit Indizes oder Wachstumsraten gearbeitet. Eine Erhebung von Bitkom kam für 2018 auf einen In-App-Advertising-Markt von 276 Millionen Euro, exklusive Facebook. Dabei handelt es sich wohl überwiegend um Performance-Budgets, Branding-Ausgaben fließen vermehrt ins mobile Web – so zumindest die klassische Aufteilung. Das könnte sich bald ändern, ist jedoch auch mit zukünftigen Herausforderungen verbunden.
Steigende Investitionen in Mobile erwartet – mit Einschränkungen
„Leider ist bis heute festzustellen, dass die Werbeausgaben vieler Advertiser im Mobile- denen im Desktopbereich nachstehen, obwohl bereits seit 2017 die Mehrheit des Traffics über mobile Endgeräte erzeugt wird. Auch wenn die aktuellen Entwicklungen rund um Cookies ebenfalls den mobilen Traffic beeinflussen werden, kann das In-App-Geschäft mit Sicherheit von dem Momentum profitieren. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?, da zumindest die aktuellen, regulatorischen Einschränkungen gleichermaßen auf MAIDs (Mobile Advertising IDs) anwendbar sind,“ meint Carsten Becker, Managing Partner Programmatic & Digital Innovation bei der Omnicom Media Group. Diese rhetorische Frage ist auch von Vermarkter-Seite nicht geklärt: “Ähnlich wie Third-Party Cookies haben auch Advertiser IDs noch nicht alle Herausforderungen der DSGVO lösen können, wie zum Beispiel Kontrolle über die Zwecke der Verarbeitung”, erklärt Evgenij Tovba, CTO von YOC.
Dennoch gibt sich der Markt mit Blick auf die gerätespezifischen IDs entspannt, verrät Patrick Kollmann, CEO & Founder von der App-Monetarisierungs-Plattform Addapptr: "Die Annahme im Markt ist, dass es die Nutzung der Geräte-IDs für Marketingzwecke noch einige Jahre über das Auslaufen der Third-Party Cookies hinaus geben wird. Deshalb spürt man in der Mobile-App-Branche bisher noch keine große Unruhe. Langfristig ist aber davon auszugehen, dass auch im Mobile Advertising die Targeting-Möglichkeiten beschränkt werden. Analog zur Desktop-Welt werden somit zukünftig Themen wie First-Party Data und Contextual Advertising auch für mobile Apps relevanter werden.“
Bis dahin wachsen die Investitionen ins mobile Umfeld Kollmanns Meinung nach weiter an. “Seit Jahren steigt der Anteil des In-App Advertising an den gesamten mobilen Advertising-Budgets. Die aktuellen Entwicklungen sollten diesen Trend aufgrund der besseren Targeting-Möglichkeiten noch verstärken“, ergänzt Kollmann. Auch Tovba von YOC glaubt an den Shift der Budgets in Richtung Mobile aufgrund der kriselnden Cookie-Thematik: “Unserer Ansicht nach könnte es kurzfristig eine leichte Verbesserung im Mobile Advertising geben. Wir würden sagen: es könnte einen bereits laufenden Prozess noch ein wenig stärker beflügeln.”
Neuer Marktstandard in Sicht?
Der Third-Party Cookie spielt im mobilen Web ebenso wie auf dem Desktop eine entscheidende Rolle beim Targeting. Die Ansprache in der Browser-Umgebung via Device ID funktioniert noch nicht. Tom Laband, CEO & Co-Gründer bei Adsquare, glaubt aber an die Etablierung eines neuen Identifiers: “Gut möglich, dass sich das Targeting mittels Geräte-ID oder Browser-ID als neuer Marktstandard durchsetzen wird. Konzeptionell wäre dies vergleichbar mit dem Mobile Targeting anhand der Mobile Advertising IDs, bei dem Werbetreibende in der Lage sind, Nutzer über native mobile Apps auf iOS und Android mit Hilfe von mobilen Identifiern – IDFA (Identifier for Advertising for iOS) und AAID (Google Advertising ID for Android) – anzusprechen. Dadurch, dass Nutzer mehrheitlich in Apps unterwegs sind, sehe ich ohnehin einen Budget Shift hin zu Mobile Programmatic Advertising.”
Bis dahin profitiert aber aller Voraussicht nach vor allem das In-App Advertising von dem heißen Thema Cookie-Sterben. Laband erklärt abschließend: “HTTP-Cookies wurden ursprünglich entwickelt, um E-Commerce Funktionalitäten wie den ‘Warenkorb’ zu ermöglichen. Das Cookie-Targeting kam erst weitaus später und wurde von Anfang an kontrovers diskutiert. Daher finde ich es richtig, dass die Branche sich nun über datenschutzfreundliche Wege berät, um die Verfolgung der Nutzer (in den Browsern) zu ermöglichen.”
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