Mit Project Rearc zum Cookie-Ersatz: Vorschlag des IAB erinnert an NetID
13. Februar 2020 (apr)Das Interactive Advertising Bureau (IAB) konkretisiert seine Pläne, um eine Alternative zum schwindenden Third-Party Cookie für die Werbebranche zu finden. Das Drittanbieter-Cookie dient zurzeit primär zur Identifikation und zum Tracking der Nutzer im Netz für Werbezwecke, wird aber von den Browser-Herstellern Apple und Mozilla sowie ab 2022 auch von Marktführer Google konsequent blockiert. Auf dem jährlichen Verbandstreffen des IAB in Kalifornien stellte CEO Randall Rothenberg das “Project Rearc” vor, in dessen Rahmen eine neue Lösung erarbeitet werden soll. Die erste Skizze präsentiert einen universellen Login und erinnert stark an das Produkt, das mit der NetID in Deutschland entwickelt wurde.
“Rearc” steht für “Rearchitect” und spielt damit auf die Umgestaltung der Prozesse in der Digitalwerbung an. Identity-Experte Jordan Mitchell vom IAB Tech Lab hatte bereits im vergangenen September das damals noch namenlose Projekt angekündigt und die Branche in den Medien zur Mitarbeit aufgerufen. Rothenberg ging auf dem Annual Leadership Meeting in Palm Desert nun etwas näher ins Detail, allerdings sind vonseiten des Verbandes nur die Forderungen an den Markt klar, wobei die konkrete Lösung schwammig bleibt.
Neuer Identifier auf Basis der Telefonnummer oder E-Mail?
Demnach möchte das IAB zunächst eine verschlüsselte E-Mail oder Telefonnummer als Grundlage zur Identifikation der User nutzen. Diese müsste über eine bislang noch nicht vorhandene Technologie an die verschiedenen Partner in der Wertschöpfungskette der digitalen Werbung, wie Einkaufs- oder Verkaufsplattformen (DSPs und SSPs), weitergegeben werden. Das bedeutet in der Praxis einen einheitlichen Login für zahlreiche Websites, wie ihn hierzulande die NetID seit zwei Jahren forciert. Ähnlich dem Ansatz der NetID soll es laut dem Projekt Rearc im Idealfall eine zentrale Anlaufstelle für die Privatsphäre-Einstellungen jedes einzelnen Nutzers geben, mittels der ein User die Kontrolle über den Datenfluss an die Marktteilnehmer behält. Da aber die Telefonnummer oder auch E-Mail lediglich als Identifikationsmerkmal dienen können, ist noch lange nicht geklärt, wie die Infrastruktur um den Datenfluss in der Kette herum aufgebaut sein könnte. Die Weitergabe der Informationen an weitere Partner kann darüber hinaus nur unter der Berücksichtigung der Auflagen seitens der Gesetzgebung, wie durch die DSGVO oder den CCPA, geschehen.
Dieser Ansatz des IAB scheint nur eine Übergangslösung zu sein, fragwürdig bleibt auch, wie die geräteübergreifende Identifikation der User funktionieren soll. Jedenfalls forderte Randall Rothenberg die Mitglieder des IAB dazu auf, gemeinsam eine entsprechende Lösung zu erarbeiten und das Projekt zu unterstützen. Damit richtet sich der IAB-CEO an Marken, Agenturen, Publisher und Tech-Unternehmen, wobei er die offiziellen Behörden offenbar bewusst ignoriert. “This collaboration needs industry leaders from the brand, agency, publisher, platform and technology industries to join together and address consumer demands for personalization and privacy through behavioral standards, codes of conduct, legal agreements, and enabling technologies”, heißt es auch auf der für das Projekt eingerichteten Website des IAB.
Fünf Ratschläge zur Umsetzung vom IAB-CEO
Rothenberg gab den IAB-Mitgliedern in seiner Ansprache in Palm Desert laut Protokoll fünf Tipps mit auf den Weg, um die Suche nach der Lösung voranzutreiben:
- Der Chief Data Officer eines jeden Mitgliedsunternehmens tritt der Arbeitsgruppe des Project Rearc bei. Falls kein CDO vorhanden ist, wird jetzt einer eingestellt.
- Der CTO oder Chief Product Officer, besser beide, treten dem IAB Tech Lab bei und unterstützen die Arbeit des Labs mit ihren Teams.
- Die Unternehmen verpflichten sich den Best Practices und technischen Standards, die aus dem Projekt geboren werden. Insbesondere Marken und Agenturen sind damit gemeint, da sie das Geld mit in das Ökosystem einbringen und somit eine gewichtige Stimme haben.
- Die Best Practices und Standards werden in Prozesse und Verträge eingearbeitet. Business wird nur mit Unternehmen gemacht, die sich daran halten.
- Das Project Rearc ist Chef-Sache und wird an die CEOs herangetragen.
National scheinen wir in der Post-Cookie-Debatte weiter zu sein
In der kommenden Zeit muss sich zeigen, wie realistisch diese Forderungen sind – schließlich müssen die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden – und wie das Project Rearc vorankommt. Viel weiter als im September scheint man zumindest aus technologischer Sicht nicht zu sein. Immerhin sind die entsprechenden Strukturen auf Verbandsebene geschaffen und eine erste Idee liegt vor. Jetzt ist es an der Branche selbst, aktiv zu werden.
Einen neuen Identifikationsstandard für die Online-Werbung einzuführen, der international funktioniert, ist ein Mammut-Projekt, an dem man sich scheinbar sogar auf höchster Ebene die Zähne ausbeißt. Die Tatsache, dass die zunächst vorgebrachte Lösung der NetID ähnelt, beweist, dass wir auf nationaler Ebene in der Frage schon weiter vorangekommen sind. So kommentiert Sven Bornemann, Vorstandsvorsitzender der European NetID Foundation, das Projekt selbstbewusst: “Das ‘Project Rearc’ ist ein weiterer Beleg für das Ende der Third-Party Cookies. Faktisch steht die Initiative allerdings noch ganz am Anfang. Standards werden jetzt erst gemeinsam mit der Industrie erarbeitet. Inwieweit hier die DSGVO eingehalten wird, ist noch völlig offen. Mit NetID haben wir bereits einen datenschutzkonformen Login-Standard, der schon jetzt europaweit einsatzbereit ist.”
Offen bleibt jedoch auch hier, ob die Aufklärung der Endverbraucher so erfolgreich sein kann, dass sie einen Anreiz sehen, um sich universell einloggen. Schließlich durchschauen die wenigsten die komplexen Prozesse im Online Advertising und verstehen die Cookie-Problematik, mit der sich die Branche konfrontiert sieht.
Das IAB Tech Lab auf der Adtrader Conferece
Auf der Adtrader Conference am 19.02. in Berlin gibt Dennis Buchheim, Präsident des IAB Tech Labs, einen Überblick über die größten Herausforderungen im internationalen Werbegeschäft. Hier spielt natürlich auch die Suche nach einer neuen ID-Lösung eine zentrale Rolle.
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