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ADTECH

Herausforderung Qualitätsmessung: Mit Rundumblick gegen Ad Fraud und Co.

Frederik Timm, 16. Februar 2020
Bild: eyewave - Adobe Stock

Kaum ein anderer Teil der digitalen Wertschöpfungskette bekommt einen derart umfangreichen Einblick in die Performance von Kampagnen wie die Ad-Verification- und Measurement-Dienstleister. Sie stehen in engem Kontakt mit Buy-, Sell- und Agenturseite. Im Interview erklärt Philipp von Hilgers, Mitgründer von Meetrics, welche Anforderungen diese Position mit sich bringt, warum Ad Fraud einen besseren Benchmark braucht und wieso Bot Traffic nicht immer schlecht ist.

ADZINE: Es gibt viele Messanbieter auf dem Markt, neben Ihnen prüfen beispielsweise auch Double Verify, Moat oder Comscore Werbekampagnen, um nur einige zu nennen. Ein Agenturvertreter hat uns einmal erklärt, dass er die Tools aller Dienstleister in dem Sektor mitlaufen lässt und dann schaut, welche Schnittmengen sich mit den Kunden ergeben. Könnt Sie das bestätigen? Welche Marktteilnehmer müssen Sie denn am ehesten davon überzeugen, Ihr Produkt zu nutzen, also wo pitchen Sie am meisten?

Bild: Philipp von Hilgers - Meetrics Philipp von Hilgers, Meetrics

Philipp von Hilgers: Aus Agentursicht macht es Sinn, mit verschiedenen Systemen zu arbeiten. Das gilt nicht nur im Measurement-Bereich. Viele Agenturen nutzen auch unterschiedliche Adserver-Lizenzen und Demand-Side-Plattformen (DSPs). Das liegt einfach daran, dass sie den Präferenzen ihrer Kunden nachkommen und daher flexibel sein müssen. Ein guter Nebeneffekt: sie erkennen dadurch schneller die Stärken und Schwächen der Anbietersysteme.

ADZINE: Doch Meetrics ist nicht nur auf der Buy Side im Einsatz, richtig? Auch Publisher gehören zu Ihren Kunden.

Von Hilgers: Dadurch, dass wir früh in einer Zeit gestartet sind, in der es generell wenig Messlösungen gab, lag es nah, dass auch Vermarkter auf unsere Lösungen zugreifen. Wir haben seitdem festgestellt, dass dieses Modell für uns und unsere Kunden einfach Sinn ergibt, da wir eine neutrale Mittelinstanz sind.

Auf der Sell Side wollen wir Publishern und Vermarktern dazu verhelfen, die Qualität ihres Inventars zu verbessern und Hinweise geben, welche Schritte sie dazu ergreifen können. Durch unsere Messungen lässt sich besser beurteilen, an welcher Stelle der Seite Werbung sichtbarer platziert ist und welche Werbeformate sich am besten eignen. Für Vermarkter ist das extrem wichtig. Sie stehen in hartem Wettbewerb, nicht nur zu lokaler Konkurrenz, sondern auch mit Facebook und Google, und müssen demonstrieren, dass sie Nutzer auf ihren Seiten besser erreichen als andere – und das wird umso glaubwürdiger, wenn man es mit harten Zahlen von einem unabhängigen Dritten belegen kann.

Auf der Agentur-und Advertiser-Seite ist unser Angebot auch darauf ausgerichtet, dass man aus den Kampagnedaten lernt und Qualitätsziele erreicht werden.

ADZINE: Auf den ersten Blick erscheint es sehr ineffektiv, wenn Sie bei allen Parteien im Einsatz sind und doch jeder nur für sich misst. Warum gibt es keine zentrale Messung, auf die alle Zugriff haben?

Von Hilgers: Es besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass dieses Vorgehen ineffizient ist – vor allem, wenn unüberwindbare Silos entstehen. Ich sehe es aber eher so: Wir messen sowohl von der Buy Side als auch von der Sell Side kommend und bekommen dadurch überhaupt erst den Rundumblick. Wir sehen, was das jeweilige Setup leistet und haben Informationen, an welcher Stelle es auch mal hakt.

Man könnte diese Messung theoretisch auch zentral aufsetzen, wenn sich alle Marktteilnehmer auf gemeinsame Regeln verständigen. Ich glaube, die Frage der Interessenvertretung müsste dafür klar geregelt sein.

ADZINE: Sie treten also bei Unstimmigkeiten auch als Vermittler auf?

Von Hilgers: Wenn es Missverständnisse gibt, wollen wir die natürlich klären, aber uns geht es vielmehr darum, solche Missverständnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wir beraten Agenturen und Advertiser über die Möglichkeiten, die wir beim Publisher sehen, wenn es um die Ausspielung von Werbung geht. Gleichzeitig stellen wir technologisch sicher, dass die Qualitätsanforderungen, die sich auf der Seite der Werbetreibenden auftun, von den Publishern auch so exekutiert und von uns gemessen werden können. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: wir verbinden unsere Systeme mit den Adserver-Systemen der Publisher, damit diese die geforderte Qualität automatisch liefern.

ADZINE: Seit langem existiert die Branchen-Debatte um Ad Fraud in der Digitalwerbung, die immer wieder hochkocht. Dabei sind teils horrende Zahlen im Umlauf, so soll Fraud global Milliardenverluste verursachen. Wie groß ist das Problem in Deutschland tatsächlich?

Von Hilgers: Man muss sich nur mal vorstellen, was passieren würde, wenn man sich seinen Kontoauszug bei der Bank anschaut und unten beiläufig vermerkt ist, dass auch nur zwei Prozent des Guthabens durch Bots verloren ging. Es ist ein riesiges Problem, wenn Leistungen systematisch nicht erbracht werden und viel Technologie und Know-how aufgewendet wird, um in betrügerischer Weise an Werbegelder heranzukommen.

Allerdings ist es auch problematisch, dass bezüglich Ad Fraud unheimlich viele Zahlen im Markt kursieren. Das macht es schwerer, sich auf eine gemeinsame Lösung zu konzentrieren. Die World Federation of Advertisers hat deswegen die Ad Fraud-Zahlen der Adverification-Anbieter seiner Mitglieder zusammengetragen, um eine Benchmark aufzubauen.

Wir fänden es gut, wenn es noch mehr Anstrengungen im Markt gäbe, um zu belastbaren Zahlen zu kommen. Ich persönliche engangiere mich bei diesem Thema im Rahmen der Fokusgruppe Digital Marketing Quality, die im BVDW angesiedelt ist.

ADZINE: Wird der Begriff “Fraud” also hierzulande inflationär gebraucht? Dabei denkt man immer gleich an riesige Botnetzwerke. Geht es hier nicht viel eher um Invalid Traffic als um tatsächlichen Betrug?

Von Hilgers: Das stimmt zwar teilweise, aber Werbetreibende möchten aus guten Gründen auf keinen Fall für Invalid Traffic zahlen, weil von diesem keine Werbeleistung ausgeht. Im ersten Schritt kann man nicht genug tun, um auch auf der edukativen Ebene besser zu differenzieren. Ad Fraud ist laut der Begrifflichkeit des Media Rating Councils Sophisticated Invalid Traffic. Wir haben aber auch den Invalid Traffic, der von Crawlern, Bots und Servern ausgeht, wo gar nicht die Absicht besteht, den Traffic als valide zu verkaufen. Die Infrastruktur im Internet produziert nunmal viele Seitenaufrufe durch Systeme und nicht nur durch Menschen. Man muss das schon versuchen auseinanderzuhalten und sicherstellen, dass in solchen Fällen keine Werbeschaltungen ausgelöst werden. In der Regel ist das so, aber es gibt immer wieder Ausnahmen, die so schnell wie möglich beseitigt werden müssen. Auf diese Weise sind auch betrügerische Bots durch Abgrenzung besser zu erkennen.

ADZINE: Kürzlich behauptete ein Agenturvertreter, dass es sich bei Fraud lediglich um einen “Hygienefaktor” handele und diese Kennzahl nichts über den Erfolg einer Werbekampagne aussagen könne. Müsste es nicht eigentlich längst selbstverständlich sein, dass Werbeanzeigen vor Betrug geschützt sind?

Von Hilgers: Ich denke, dass es viel mehr Anstrengungen braucht, damit das Thema Ad Fraud nicht mehr so viel Aufmerksamkeit benötigt. Momentan beschäftigen sich alle Marktteilnehmer damit und es nimmt sehr viel Raum ein. Es hält davon ab, Ressourcen frei zu machen, um andere Dinge weiterzuentwickeln. Aus Sicht der Werbetreibenden muss erkannt werden, wie Werbung unter komplexen Verhältnissen ihre Botschaft transportiert. Die positiven Effekte, die sich auch durch den Einsatz von Daten ergeben, müssen gestärkt werden.

ADZINE: Sie prüfen nicht nur Ad Fraud, sondern auch Audience, Viewability und Brand Safety. Was wird vom Markt momentan am meisten nachgefragt? Und wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?

Von Hilgers: Es gibt schon Bereiche, in denen wir sehen, dass die Nachfrage immens wächst. Social Media und Video gehören dazu. Bei den steigenden Budgets für Bewegtbild wollen die Kunden sicher gehen, dass sie auch die gebuchte Qualität erhalten.

ADZINE: Meetrics stammt aus Berlin und misst inzwischen für die US-Tech-Giganten Facebook und Google. Was macht Ihr Tool Made in Germany so erfolgreich? Ist das dem frühen Markteintritt zu verdanken?

Von Hilgers: Wir waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Als wir 2008 losgelegt haben, war das digitale Advertising noch sehr stark performance-orientiert und niemand wusste so recht, ob auch Branding im digitalen Advertising funktioniert. Eben weil man nicht sicher sein konnte, ob die Werbung gesehen wird und ausreichend Beachtung findet, die man für Branding eben braucht. Dazu haben wir die Technologie geliefert. Es hat sicherlich geholfen, dass immer mehr große Marken und Unternehmen diesen Weg gehen wollten. Wir haben seitdem viel Erfahrung gesammelt, dafür gesorgt, dass wir in alle relevanten Systeme integriert sind und die Prozesse trotzdem schlank gehalten.

ADZINE: Herr von Hilgers, vielen Dank für das Gespräch!

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