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PROGRAMMATIC

Einfach machen: Das Rezept für den Werbemarkt gegen Google & Co.

Frederik Timm, 10. Februar 2020
Bild: Francesco Chiesa - Adobe Stock

Mehr als die Hälfte des weltweiten Werbebudgets soll ab 2020 in digitale Werbung fließen. Der unabhängige Werbemarkt abseits von Google, Facebook und Co. profitiert allerdings nur wenig von dieser Situation. Im Gegensatz zu den Walled Gardens scheint er schlichtweg nicht attraktiv genug für Werbetreibende zu sein. Technologieanbieter und Vermarkter reagieren darauf mit neuen Produkten und Formaten, dabei liegt die Lösung vielleicht woanders: in der Vereinfachung und Standardisierung des Angebots.

Werbetreibende, die mittels Programmatic werben möchten, bieten sich zwei Optionen: Sie können auf große, geschlossene Werbeökosysteme von Google, Amazon, Facebook oder Apple (GAFA) setzen oder die Technologieangebote der hunderten Unternehmen aus dem offenen, unabhängigen Programmatic-Markt frei miteinander kombinieren.

Für viele Werbetreibende sind Googles und Facebooks Ad Manager häufig die erste Anlaufstation, um eine digitale Werbekampagne aufzusetzen. Das liegt nicht zuletzt an der Einfachheit, mit der Werbetreibende ihre Kampagnen innerhalb dieser geschlossenen Systeme mit ihren harmonisierten Prozessen aussteuern können. Alle Technologien greifen ineinander und die aufgestellten Regeln und Standards gelten für die Kunden auf Publisher- und Advertiser-Seite als gesetzt. Gleichzeitig können die Plattformen mit großer Reichweite in Kombination mit detaillierten Nutzerdaten punkten.

Der offene Markt bietet Werbetreibenden und Publishern gleichermaßen die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten, jedoch ohne dass die eigene Datenintelligenz bei großen US-Plattformen liegt. Um tatsächlich unabhängig zu bleiben und das Potenzial dieser Möglichkeiten voll auszuschöpfen, fehlt es jedoch an Standards.

Leichter, transparenter Zugang zu Technologien

Im freien digitalen Werbemarkt stehen Advertisern und Agenturen unzählige Technologielösungen zur Verfügung – so viele, dass die Verzahnung häufig eine Hürde darstellt. Mögen Agenturen hier noch die Mühe auf sich nehmen, um ein Setup aufzubauen, mit dem sie ihre Kunden zufriedenstellen können, verzagen viele KMU-Werbetreibende und setzen lieber gleich auf GAFA-Lösungen, die alle Technologien aus einer Hand bieten. Zwar sind Google und Co. Blackboxen, allerdings scheinen sich die Kunden damit abgefunden zu haben, weil das Angebot entsprechend gut ist und die eingesetzten Werkzeuge nahtlos ineinandergreifen.

Im offenen Markt steckt ebenfalls das Potenzial, ein transparentes Angebot zu schaffen, womit er GAFA entgegentreten könnte. Der Markt hat bereits „Full Stack“-Angebote hervorgebracht, die sich leichter mit den restlichen Adtech-Dienstleistern verbinden lassen als die der GAFA. Doch auch einzelne Technologieanbieter, die nicht Teil eines größeren Stacks sind, sollten es ihren Kunden so einfach wie möglich machen, ihr Angebot mit anderen Plattformen zu verbinden und gleichzeitig Kostentransparenz gewährleisten.

Gemeinsame Datenbasis

Um mit den Walled Gardens in Konkurrenz treten zu können, muss es Werbetreibenden im offenen Markt ebenso leicht möglich sein, ihre Zielgruppen zu erreichen. Stattdessen aggregieren Advertiser die Targeting-Daten über verschiedenste Anbieter und Quellen und matchen diese miteinander. Bei der Synchronisation kommt es nicht selten zu Datenverlusten – Matching Rates von 60 Prozent sind üblich. GAFA arbeiten dagegen schon lange mit ergiebigen Login-Daten, die eine beständige Nutzer-Identifikation (ID) ermöglichen.

Daran orientiert sich auch der deutsche Markt. Hier bahnen sich nun schon seit Jahren verschiedene vermarkterübergreifende ID-Lösungen an. zum Beispiel die NetID. Die größte Herausforderung neben der Harmonisierung der eingesetzten Technologien bei den Vermarktern ist hier wohl die Incentivierung beim Nutzer. Denn ohne einen Anreiz zu bekommen, wird sich kein Nutzer freiwillig auf jeder von ihm besuchten Seite per Login anmelden. Google hat mit seinen Angeboten rund um Mail, Cloud Storage und Navigation einen entsprechend starken Hebel geschaffen, um an die Daten der Nutzer mit deren Zustimmung zu kommen.

Einheitliche Formate

Neben der fragmentierten Datenwelt strotzt der offene Markt auch an unterschiedlichen Werbeformaten. Die Vielfalt ist ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite bietet sie individuelle Möglichkeiten der Werbeansprache und viel kreativen Spielraum, auf der anderen Seite ist ein Standard damit nahezu unmöglich und die Reichweite eines erstellen Werbemittels begrenzt. Gerade bei aufwändigen Rich Media Ads setzen viele Vermarkter auf Individuallösungen – auch um sich von der Konkurrenz abzuheben. Das schränkt die Reichweite für die Werbetreibenden ein.

Übergreifende Messstandards

Ähnlich wie bei den Formaten ist auch die Sichtbarkeitsmessung nicht einheitlich genug, um vergleichbare Ergebnisse zu liefern. Die vor langer Zeit festgelegte 50/1-Regel des MRC gilt höchstens nur noch als Richtwert – spätestens seit der Bekanntmachung von GroupM nur noch Inventar, das zu 100 Prozent sichtbar war, abzurechnen. Viele Marktteilnehmer haben daher eine unterschiedliche Definition eines “sichtbaren” Werbemittels. Messdienstleister wie Meetrics, Integral Ad Science und Co. sind nicht selten sowohl auf Publisher- als auch Advertiser-Seite im Einsatz und teils zusätzlich bei den Tech-Plattformen als Dienstleister mit im Boot. Je nach Kundenwunsch entstehen dadurch unterschiedliche Berichte. Hier ließe sich ebenfalls durch einen gemeinsamen Messstandard mehr Vergleichbarkeit und Klarheit schaffen.

Chancen durch Vereinheitlichung

Wenn über die Attraktivität von GAFA für Werbetreibende gesprochen wird, ist häufig sofort vom großen Datenpool der US-Unternehmen die Rede. Dabei bieten die Plattformen von Google und Co. ihren Kunden einen elementaren Vorteil gegenüber dem unabhängigen Werbemarkt: Standards – in allen Teilbereichen ihres Angebots. Dadurch entsteht für Werbetreibende eine übersichtliche und harmonisierte One-Stop-Lösung. Um damit zu konkurrieren, benötigt der offene Werbemarkt im Idealfall ein Framework, das möglichst alle Bereiche des Mediaeinkaufs abdeckt, und das kanalübergreifenden Media Buying damit genauso einfach und zugänglich macht wie die Walled Gardens. In der Praxis bleibt ein solches Framework auf absehbare Zeit ein Wunschtraum. Die Entwicklung von Standardwerbeformaten durch das IAB und der mittlerweile schon angestaubte Sichtbarkeitsstandard des MRC sind allerdings schon richtige erste Schritte hin zu einem einheitlichen Werbemarkt gewesen. Weitere solcher Simplifizierungen kämen dem Markt sicherlich zugute. Denn jeder neue Standard macht den Mediaeinkauf übersichtlicher, nachvollziehbarer und damit auch attraktiver für den Werbetreibenden.

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