Wie Jenny Gruner das Marketing von Hapag-Lloyd digitalisiert
Sandra Goetz, 7. Januar 2020Die Kapitänsenkeltochter Jenny Gruner, Director Digital Marketing bei Hapag-Lloyd, digitalisiert seit 20 Monaten die fünftgrößte Reederei der Welt mit Hauptsitz in Hamburg. Ursprünglich studierte die 41-jährige Rostockerin Biologie und entschied sich dann doch, den weißen Laborkittel gegen BWL mit Schwerpunkt Marketing und HR zu tauschen. „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, sagt die Digitalexpertin im ADZINE-Entscheider-Portrait.
ADZINE: Frau Gruner, nach Beendigung Ihres BWL-Studiums ging es sofort nach Hamburg. Wie sind Sie zum digitalen Marketing gekommen?
Jenny Gruner: Ich habe anfangs für Unternehmen aus der Medien- und Pharmabranche gearbeitet. 2007 machte ich hier die ersten Gehversuche mit Google Ads. Man muss sich das aber so vorstellen, dass es damals eigentlich kaum Literatur und Erfahrungswerte gab. Man brachte es sich selbst bei oder gar nicht. In diesen Zeiten hat man Google eine Mail geschickt und bekam eine Woche später eine Antwort. Heute ruft man einfach an. Diese Pionierzeit hat mich allerdings für das digitale Marketing begeistert. Ich wollte mehr darüber wissen und wechselte zu Eprofessional, um SEA, SEO & Co. von der Pike auf zu lernen.
ADZINE: Was genau haben Sie bei Eprofessional gemacht?
Gruner: Zuerst war ich im Account Management tätig und habe Kunden aus den Bereichen Health Care, Finance, B2B und E-Commerce betreut. Nach einiger Zeit bin ich ins Marketing gewechselt. Verkürzt kann man sagen: Zuerst habe ich Dienstleistungen und später dann die ganze Agentur vermarktet.
ADZINE: Wie ging es weiter?
Gruner: Nach sechs Jahren Agentur wollte ich die Kundenseite kennenlernen und alles, was ich gelernt hatte, dort anwenden. Ich ging in ein Industrieunternehmen mit einem sehr erklärungswürdigen Produkt: Klimatisierungslösungen für Schaltschränke. Hört sich kompliziert an, war auch kompliziert, macht aber umso mehr Spaß. Es war eine spannende Zeit, da die Firma weltweit mit neun Gesellschaften aufgestellt war und ich international mit cross-funktionalen Teams zusammengearbeitet habe. Danach wechselte ich erneut, in die Logistik, und ging zum Paketdienstleister Hermes, um dort im Online-Marketing für die Hermes-Gruppe zu arbeiten.
ADZINE: Die Hermes-Pakete scheinen Ihnen auf Dauer zu klein geworden sein …?
Gruner (lachend): Ja, ich wollte gerne größere Pakete verschicken, Container kamen mir gerade recht – und so ging ich als Kapitänsenkeltochter zu Hapag-Lloyd.
ADZINE: Hapag ist eines der größten Transport- und Logistikunternehmen weltweit und steht vor großen Herausforderungen in puncto Digitalisierung. Was genau ist Ihr Job?
Gruner: Ich verantworte das digitale Marketing, das vor nicht einmal zwei Jahren gegründet wurde. Genau genommen gehöre ich zur sogenannten DBT – Digital Business & Transformation Unit, die über eine Vorstandsentscheidung ins Leben gerufen wurde. Wir sind eine Art „Inkubator“, allerdings nicht ausgegründet, sondern mitten drin im Unternehmen. Unsere Unit besteht aus vier Teams (Excellence Centern): Produktteam, Digital Marketing Team, Growth Team und Data Insights Team. Mit unserer Arbeit haben wir eine grüne Wiese betreten. Bis wir starteten, gab es im digitalen Marketing keine Erfahrungswerte, weil alles neu war. Dennoch ist unsere Aufgabe, trotz Neuland, auch konkret. Wir bauen zum Beispiel ein digital skalierbares Vermarktungsmodell auf. Eines unserer Leuchtturmprodukte heißt Quick Quotes, es ist ein Angebotstool, dass es ermöglicht, in Echtzeit weltweit Container-Raten abzurufen.
ADZINE: Wie können wir uns das vorstellen?
Gruner: Angenommen, Sie möchten einen Container von Hamburg nach Singapur schicken. Über unser Angebotstool können sie in Echtzeit für verschiedene Containertypen ein Angebot einholen. Das mag für andere Industrien bereits gang und gäbe sein, für die Schifffahrtsbranche ist unser Angebot ein Meilenstein, es ist unique!
ADZINE: Seit wann gibt es das Angebot?
Gruner: Es wurde letztes Jahr im August global gelauncht. Hapag ist in 129 Ländern der Welt vertreten und unsere Kampagnen werden in 144 Ländern der Welt ausgespielt.
ADZINE: Alles von Hamburg aus?
Gruner: Ja, das wird alles von der DBT-Unit aus gesteuert. Aber wir arbeiten natürlich weltweit mit unserer Digital 100 zusammen, das sind Digital-Experten, die in den Ländern vor Ort die digitale Transformation gemeinsam mit uns vorantreiben. Neben Quick Quotes haben wir natürlich noch andere Angebote, beispielsweise ein Versicherungsprodukt und eine Shipping Guarantee. Unsere Unit ist darauf bedacht, die ganze Wertschöpfungskette abzubilden und neue Kundengruppen zu erreichen.
ADZINE: Bei so vielen spannenden Herausforderungen erübrigt sich fast unsere Entscheider-Standardfrage. – Wir wollen diese dennoch stellen: Was finden Sie spannend am digitalen Marketing?
Gruner: Ich finde es toll, dass man so vieles selber machen und ausprobieren kann. Das geht in bestimmten Bereichen nicht in dem Maße, im digitalen Marketing schon. Zudem ist es möglich, sich das entsprechende Know-how auch selber anzueignen und damit zu arbeiten. Abgesehen davon kommt hier auch immer wieder die Naturwissenschaftlerin in mir durch: Optimierung, Kampagnen austesten, mit Logik und Struktur an Aufgaben herangehen – das reizt mich nach wie vor. Dass ich schnell Ergebnisse habe, ist einer der großen Vorteile des digitalen Marketings. Außerdem steht man auch immer ein wenig mit sich selber im Wettbewerb, und das gefällt mir.
ADZINE: Gibt es ein bestimmtes Motivationscredo, dass die DBT-Unit motiviert?
Gruner: Auf alle Fälle! Unser Credo ist: Wir rocken das durch all unsere Kampagnen in 144 Ländern!
ADZINE: Kommt die traditionelle hanseatische Kultur da noch mit?
Gruner: Um globalen Anforderungen gerecht zu werden, muss man auf die lokalen Bedürfnisse eingehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine so tiefgreifende Transformation nur mit allen zusammen hinbekommen. Denn das Thema hängt selten am technischen Know-how. Wichtig ist ein Kulturwandel innerhalb des Unternehmens, der niemanden stehen lässt, sondern alle mitnimmt. Als eines der größten Transport- und Logistikunternehmen wird uns das auch innerhalb des Unternehmens gelingen.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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