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PROGRAMMATIC

Programmatic Advertising Inhouse: Branding unter Performance-Kriterien bei Vodafone

Anton Priebe, 2. Dezember 2019
Bild: Mitya Ivanov – Unsplash

Momentan ist in der Werbebranche auf Advertiser-Seite ein Trend in Richtung Inhousing von Programmatic-Wissen zu beobachten. Diverse Marken spielen mit dem Gedanken, auf Agenturen zu verzichten und ihre programmatische Werbung selbst auszusteuern. Einige wie L’Oreal tun dies bereits, andere wie Nestlé fahren ein Hybrid-Modell. Vodafone hat vor anderthalb Jahren damit begonnen, den programmatischen Branding-Bereich inhouse aufzubauen. Sven Stühmeier, Gruppenleiter Digital Communication & Technology, führt dieses neu geformte Team an und erklärt im Interview, welche Hürden zu nehmen waren, warum Vodafone eigene KPIs fürs Branding entwickelt hat und ob das Projekt im Rückblick erfolgreich war.

ADZINE: Hallo Sven, welches sind die wichtigsten digitalen Themenfelder bei Vodafone derzeit? Welche Kanäle haben sich als die erfolgreichsten für euch herauskristallisiert?

Sven Stühmeier: Im Bereich Kommunikation sind wir in den reichweitenstärksten Kanälen unterwegs. Als Brand-Abteilung sind wir eher videogetrieben, da unsere Produkte komplexer sind. Wenn ich bei Zalando ein T-Shirt bewerbe, dann kann der Kunde direkt erkennen, ob es ihm gefällt oder nicht. Wir müssen zum Beispiel einen Tarif oder ein Handy vorstellen – das Angebot ist also weitaus komplizierter.

Daher sind wir auf Kanälen zu finden, die uns ermöglichen, unsere Produkte zu erklären. Dennoch schränken wir uns nicht ein. Wir suchen proaktiv neue Kanäle und versuchen diese kennenzulernen und zu testen. Egal ob es sich um Social Media oder In-Game Advertising handelt.

Die größten Kanäle sind bei uns derzeit Search, Social und Display. 90 Prozent des Budgets fließt dabei in Video Advertising.

Bild: Vodafone Presse Sven Stühmeier, Vodafone

ADZINE: Programmatic betreibt ihr dabei inhouse. Wie genau habt ihr das realisiert? Betrifft dies ausschließlich Know-how oder auch eigene Technologie?

Stühmeier: Wir haben keine eigene DSP gebaut, aber wir operieren mit Adform im Self-Service. Da ist keine Agentur mehr zwischengeschaltet, das machen wir alles selber.

ADZINE: Wie viele Leute braucht es dafür und wie lange hat es gedauert, das Inhousing umzusetzen?

Stühmeier: Aktuell haben wir zwölf Leute im Team, die das übernehmen. Drei von denen kümmern sich allerdings um Social Media.

Wir haben vor anderthalb Jahren damit angefangen, die Rahmenbedingungen zu analysieren, einen Business Case aufzuschreiben et cetera. Die globale Freigabe für das Inhousing kam letztes Jahr im August. Dann ging die Personalbeschaffung los, wir mussten eine Infrastruktur aufbauen und die Agenturen abmelden. Die erste richtige Kampagne startete am ersten Februar.

ADZINE: An welcher Stelle der Wertschöpfungskette ist es am schwierigsten, das Know-how selbst aufzubauen? Welche Leute waren schwer zu finden?

Stühmeier: Ich glaube, dass man einen Schritt vorher anfangen muss. Also zu klären, wie man überhaupt das Team aufbauen will.

Mir war es wichtig, dass wir in Bezug auf unsere Skills im Team heterogen sind. Ich habe beispielsweise jemanden dabei, der schon jahrelang bei einer DSP gearbeitet hat und eine Person, die sich sehr stark mit dem Thema Ad Verification auseinander gesetzt hat. Im Bereich Social haben wir sowohl jemanden, der Community Management und Listening kann, als auch jemanden, der rein im Performance Marketing unterwegs war.

Die größte Schwierigkeit ist es, diese Vielfalt der unterschiedlichen Skills am Markt zu finden. Auf eine bestimmte Stelle bezogen sind momentan Data Analysten oder Scientisten besonders nachgefragt. Hier jemanden zu bekommen, hat uns einiges an Zeit gekostet.

ADZINE: Wir sprechen hier nur von Branding, Performance bleibt bei der Agentur, richtig? Warum habt ihr euch zu dieser Aufteilung entschlossen?

Stühmeier: Genau. Dabei handelt es sich aber eigentlich gar nicht um eine Aufteilung. Man muss dazu wissen, dass Branding und Performance bei uns in zwei unterschiedlichen Abteilungen aufgehängt sind. Wenn wir über Performance sprechen, dann meinen wir den Online-Sales-Bereich. Darüber hinaus haben wir es als sinnvoll erachtet, erstmal in einem Bereich Erfahrungen zu sammeln. Inhousing ist ein großer Schritt, den nicht jedes Unternehmen abfangen und umsetzen kann. Deswegen wollten wir erstmal starten und es anschließend bewerten.

ADZINE: Ihr habt eigene KPIs entwickelt, um den Erfolg der Branding-Maßnahmen zu messen. Wie kommt man auf die und was könnt ihr daraus konkret ablesen?

Stühmeier: Ich bin da Theoretiker. Ich habe gelernt, dass sich KPIs durch ein Unternehmen komplett durchziehen sollten. Die hauptsächliche Frage war: Wie kann man die Wirkungsmessung von einem Unternehmensziel auch digital möglich machen? Unser Ziel ist letztlich, Produkte zu verkaufen. Wir brauchten also einen KPI, der den Return on Ad Spent wiedergibt. Das ist jetzt unser oberster KPI, der bei uns über allem steht.

Uns war schnell klar, dass ein Klick kein Indiz dafür sein kann, ob ein Kunde wirklich Interesse an unseren Produkten hat. Daher haben wir uns dazu entschieden, einen Cost-per-qualitative-Visit einzuführen, was nichts anderes ist, als dass die Interaktion eines Visits auf unserer Seite bewertet wird. Wie lange ist eine Person auf unserer Seite? Was macht sie dort? Scrollt sie runter? Packt sie ein Handy in ein Angebot hinein? Wenn solche Kriterien erfüllt sind, gilt es als qualitativer Kontakt.

ADZINE: Interessanter Ansatz. Allerdings befindet man sich im Branding doch eigentlich ganz oben im Funnel. Das hört sich stark nach Performance-Kriterien an…

Stühmeier: Ja, letztlich muss ich aber auch sehen, was das Ziel einer Branding-Maßnahme ist. Die ist am Ende des Tages immer dafür da, dass ich eine Consideration bei einem User erzeuge – egal ob direkt oder nachgelagert. Wenn ich sowas wie Markenbekanntheit messe, sehe ich nur Effekte über das Jahr hinweg. Bei Vodafone ist die Markenbekanntheit eh schon auf einem hohen Level. Daher schadet es nicht, die Kriterien etwas härter anzusetzen. Natürlich schauen wir auch mal auf die Click-Through-Rate oder den CPM. Prinzipiell ist unsere Aufgabe aber qualitativen Traffic in unsere Kanäle online sowie offline zu bekommen.

ADZINE: Kannst du eine Symbiose von Branding-Maßnahmen und Performance erkennen, dadurch dass ihr Branding selbst steuert? Wenn ja – inwiefern beeinflusst das eure Programmatic-Strategie, um ein optimales Verhältnis zu finden?

Stühmeier: Ja. Natürlich haben wir schon vorher stark versucht, Synergieeffekte herbeizuführen. Sei es, dass wir Targeting- und Retargeting-Listen miteinander teilen, damit wir nicht auf die gleichen Kunden bieten, oder dass wir gemeinsam DMP-Segmente bilden.

ADZINE: Und wie reagiert ihr, um nicht zu viel Branding auszusteuern?

Stühmeier: Letztlich messen wir alles an unserem ROAS. Wir monitoren sehr stark, wann wir beim Branding eine Schwelle erreichen, an der wir keine Verbesserung mehr erreichen. Oder sogar sehen, dass es abflacht. Wenn das der Fall ist, reagieren wir.

Am Anfang einer Kampagne kann man aber nie sagen, wie viel für Branding- und für Performance-Maßnahmen ausgegeben wird. Für mich gehören beide zusammen, weil die gegenseitig aufeinander einzahlen. Daher sind wir in der Aussteuerung der Kampagnen flexibel.

Bild: Youtube Branding-Kampagne von Vodafone mit der erblindeten Skifahrerin Noemi Ristau

ADZINE: Wo liegt euer Hauptaugenmerk beim Thema Programmatic? Mit welchen Dingen beschäftigt ihr euch selbst mehr, seit ihr das Thema inhouse betreibt?

Stühmeier: Wir beschäftigen uns stärker mit technologischer Infrastruktur, aber nicht um der Technologie willen, sondern weil dort sehr konkrete Use Cases hinterstehen. Zum Beispiel, wie ich nachvollziehen kann, ob meine digitale Kampagne auch offline Auswirkungen hatte. Das lösen wir mit einer Integration von Adsquare. Somit nutzen wir Traffic-Zahlen unserer Stores, um unsere Programmatic-Kampagnen besser zu machen.

ADZINE: Ich stelle mir die Zusammenarbeit mit einer Agentur so vor, dass ich einen Report bekomme und nur die Kennzahlen überprüfe, also weniger, wie sie das gemacht hat. Da ist mir die technologische Infrastruktur egal. Wenn ich selber in der Position bin, muss ich jedoch erstmal eine Infrastruktur aufbauen und mich damit auseinandersetzen.

Stühmeier: Absolut. Der Unterschied ist, dass bei der Agentur der Fokus häufig auf der Kampagnen-Performance und der Steuerung der KPIs liegt. Bei uns kommt hinzu, dass wir eine Ebene höher gehen und die Zusammenhänge verstehen wollen. Was hat beispielsweise die Änderung von Second-Price- auf First-Price-Auktion für Konsequenzen? Wie sollte eine richtige Budget-Aufteilung Open Market vs. Private Deals aussehen? Das sind Fragen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen.

ADZINE: War das Inhousing bei euch aus deiner Sicht bislang erfolgreich?

Stühmeier: Bei uns war es sehr erfolgreich. Einmal auf der Ebene, dass wir die Vorgaben erfüllen und unsere Kampagnen-Performance signifikant gesteigert haben, aber auch qualitativ: Wie nehmen uns Partner von außerhalb in der Zusammenarbeit wahr? Und wie werden wir als Gruppe intern von anderen Abteilungen wahrgenommen? Können wir für sie einen zusätzlichen Mehrwert leisten? Und auch die Mitarbeiterzufriedenheit, jetzt im Vergleich zu vorher. Die Ergebnisse, die wir bekommen, sind außerordentlich positiv.

Man sollte aber nicht blind dem Inhousing-Trend folgen. Den Erfolg kann man nicht verallgemeinern. Jedes Unternehmen muss selbst für sich die kritischen Erfolgsfaktoren analysieren und schauen, ob es die umsetzen kann.

ADZINE: Wie sehen eure zukünftigen Pläne im Bereich Programmatic aus?

Stühmeier: Wir wollen besser werden. Unsere Kampagnen-Performance hat sich im Rahmen des Inhousings schon deutlich verbessert, aber da ist noch Spiel. Außerdem ist interessant, welche weiteren Kanäle sich programmatisch umsetzen lassen. Wie entwickelt sich zum Beispiel Programmatic Audio? Was ist mit Programmatic Out-of-Home?

Es bleibt abzuwarten, was mit der neuen E-Privacy kommt. Genug spannende Themen haben wir auf jeden Fall!

ADZINE: Das stimmt, vielen Dank für das Interview, Sven!

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