Kritischer Umbruch im Mobile Advertising: Vertrauen statt Datengier
Jan Heumüller, 16. Dezember 2019Die heutige Digitalwirtschaft hat dem kometenhaften Aufstieg von Mobile viel zu verdanken. Die Massen an Userdaten, die auf die User Experience einzahlen, können sogar dazu genutzt werden, die neusten Trends vorherzusagen. Doch der durchschlagende Erfolg großer Tech-Unternehmen wie Uber und Airbnb lässt sich nur teilweise durch diesen Fortschritt erklären. Das Rückgrat unserer Digitalwirtschaft beruht im Wesentlichen auf dem Vertrauen der Nutzer.
Vor zwanzig Jahren hätten Sie vermutlich kaum Menschen gefunden, die lieber in der Wohnung eines völlig Fremden übernachten als in einem Hotel. Mittlerweile verbringen mehr als zwei Millionen Personen täglich ihre Nacht in einer Airbnb-Unterkunft. Und wer hätte sein hart verdientes Geld über ein Smartphone verschicken oder gar erhalten wollen? Heute fühlen wir uns im Mobile-Banking jedoch absolut sicher und nächstes Jahr werden voraussichtlich mehr als zwei Milliarden Menschen ihre Telefone für Bankgeschäfte verwenden.
Was hat sich also geändert? Bequemlichkeit allein kann die Entwicklung nicht erklären. Vor allem nicht die Tatsache, dass wir bereit sind, Bankdaten an Unternehmen preiszugeben, die oft erst seit einigen Jahren existieren.
Der Unterschied ist das Gefühl der Sicherheit, das wir dabei empfinden – und diese Sicherheit basiert auf Vertrauen. Zum großen Teil liegt es darin begründet, dass diese Anbieter nicht nur einen tollen Service versprechen – sie liefern ihn auch. Über unsere mobilen Geräte können wir unsere Optionen nach Belieben ausloten und bewerten. Sollte etwas schief gehen, sind Rückerstattungen oder Beschwerden ebenso einfach zu handeln.
Vertrauen ist damit zur wertvollsten Währung der digitalen Wirtschaft geworden. Aber leider ist das noch nicht jedem Marktteilnehmer bewusst.
Das Digital Marketing hält an alten Methoden fest
In Sachen Vertrauen und Transparenz hinkt das digitale Marketing weit hinterher. Denn das Fundament fürs Marketing bildeten bislang undurchsichtige, irreführende Geschäftspraktiken und die fragwürdige Zustimmung der Nutzer. Infolgedessen blieb den Marketern häufig nichts anderes übrig, als sich auf schlechte oder “toxische Daten” zu verlassen, was unweigerlich zu lästigem Marketing führte.
Darüber hinaus führt der “heilige Gral” des Datensammelns nicht zu den erwarteten Ergebnissen. Seit den Anfangszeiten unserer Branche ist “datengetrieben” ein Schlagwort, das Marketer nur allzu gut kennen. Wir wurden dazu erzogen zu glauben, dass wir nur durch das Sammeln von mehr Daten und dem Einsatz eines intelligenten Targetings dazu in der Lage sind, unseren Nutzern hochgradig personalisierte Werbung auszuliefern.
Auf dem Papier klingt das nach einer logischen Schlussfolgerung. Je mehr Daten wir einfließen lassen, desto mehr erfahren wir über unsere Kunden. Und indem wir Anzeigen schalten, die zu ihren Interessen passen, können wir mehr von der Werbung liefern, die ihnen gefällt.
Das einzige Problem dabei ist, dass es so nicht funktioniert. Laut unseren eigenen Studien geben 90 Prozent der Verbraucher heute an, dass sie mobile Werbeanzeigen als störend empfinden. Das Ergebnis der 165 Milliarden US-Dollar, die Marketer in diesem Jahr global in mobile Ads investieren, ist kaum zu glauben: Es besteht darin, dass sich neun von zehn Nutzern davon belästigt fühlen. Irgendetwas läuft hier schief. Mehr Daten allein können nicht die Lösung sein.
Die Lösung lautet Transparenz
Die einzige Möglichkeit, das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, besteht darin, Transparenz zu schaffen, wann und wie Unternehmen diese Daten erheben und verwenden. Verbraucher sind heutzutage aufgeklärter in Bezug auf Daten als jemals zuvor. Sie verstehen, dass es einen Mehrwert stiftet, ihre Daten im Tausch gegen den kostenlosen Zugang zu Online-Inhalten preiszugeben – solange dieser Tauschhandel klar und ehrlich kommuniziert wird.
Die überwiegende Mehrheit (71 Prozent) der Verbraucher teilt gerne ihre Daten (besuchte Websites, verwendete Apps, E-Mail-Adressen), um auf Inhalte zuzugreifen, ohne dafür mit Geld zu bezahlen. Und dies ist das derzeit fehlende Puzzlestück. Solange wir unsere Nutzer nicht vor die freie Wahl stellen – ob sie Daten preisgeben wollen oder nicht, ob sie Werbung sehen wollen oder nicht – werden sie sich immer über die Werbeanzeigen aufregen. Unabhängig davon, wie relevant diese Anzeigen für ihre Interessen auch sein mögen, erinnern sie die Nutzer ständig daran, dass ihre Daten ohne ihre Erlaubnis verwendet wurden, wodurch Unternehmen Geld verdienen.
Es ist an der Zeit, dass sich die Branche von “datengetrieben” verabschiedet und ein neues Mantra akzeptiert: “Wahlfreiheit”. Wenn es um den Datenschutz geht, sind wir es den Verbrauchern schuldig, ihnen eine faire Wahl zu lassen. Insbesondere als Marken und Publisher müssen wir den Nutzern drei verschiedene Optionen anbieten:
- Für ein Abonnement bezahlen, mit dem Verbraucher ohne Werbung und ohne Tracking auf Inhalte zugreifen können.
- Sich einverstanden damit erklären, dass Daten im Austausch für ein persönlicheres Erlebnis genutzt werden, einschließlich gezielter Werbung.
- Die Weitergabe personenbezogener Daten unterbinden, was irrelevante Werbung und möglicherweise eine schlechtere User Experience zur Folge hat.
Wenn die Verbraucher um Erlaubnis gebeten werden, resultieren daraus nicht nur DSGVO-konforme Daten für Marketer. Es verbessert auch das Verhältnis zwischen Verbrauchern und Marketern und schafft die Basis für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Unternehmen, die diesen Appell ernst nehmen und die Wahlfreiheit sowie den Datenschutz der Verbraucher in den Mittelpunkt ihrer Strategie rücken, werden ihre Konkurrenz auf lange Sicht in den Schatten stellen.
Mobile Nutzer haben ihre Gefühle offenbart. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir zuhören können.
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