Die Digitalisierung hat Außenwerbung zu einer interessanten Spielwiese für experimentierfreudige Advertiser gemacht. Digital-Out-of-Home (DOOH) ist auf Wachstumskurs und wird des Öfteren mit Mobile-Daten verzahnt, um Kampagnen effizienter auszusteuern. Während die einen über die daraus resultierenden, innovativen Targeting-Möglichkeiten jubeln, stellen andere den Mehrwert dieser Kombination infrage.
Ob in Einkaufszentren, Fitnessstudios, Bahnstationen, an Flughäfen oder Autobahnen – digitale Screens nehmen in Deutschland immer mehr Raum ein. Out-of-Home wächst, was zum großen Teil Digital zu verdanken ist. So schätzt eine aktuelle Magna-Prognose das Wachstum von digitaler Außenwerbung in Deutschland für 2019 auf 25 Prozent. Nielsen kommt für das erste Halbjahr 2019 auf einen ähnlichen Wert. Dies macht DOOH zum Wachstumstreiber der Gattung OOH insgesamt (+3 Prozent).
DOOH bleibt mit 322 Millionen Euro (brutto) in der ersten Jahreshälfte ein relativ kleines Licht angesichts eines Gesamtwerbemarkts von 14,8 Milliarden Euro. Zudem ist die Zahl für den Gesamtmarkt mit Vorsicht zu genießen, da nur ein kleiner Ausschnitt von Online Advertising mit in die Berechnung einfließt. Die Erlöse von Google, Amazon, Facebook und das programmatisch gehandelte Inventar des offenen Marktes konnte Nielsen nicht ermitteln. Hier fehlen also noch etliche Milliarden, die den tatsächlichen Anteil digitaler Außenwerbung im Gesamtbild noch kleiner werden lassen.
Nichtsdestotrotz bietet DOOH mit seinem programmatischen Zugang Werbetreibenden spannende Anknüpfungspunkte für ihre Kampagnen. Dabei wird nicht nur der Einkauf des Inventars erleichtert – insbesondere die regelbasierte Aussteuerung von Kampagnen macht Programmatic DOOH für Advertiser zunehmend interessant und bringt Dynamik mit sich.
Dank Programmatic Datenflüsse aus der Umwelt integrieren
Das Zusammenspiel von Programmatic und Außenwerbung ermöglicht Werbetreibenden, Daten mit einfließen zu lassen, um Kampagnen im Gegensatz zu klassischer Plakatwerbung an äußere Gegebenheiten anzupassen. So sind Advertiser unter anderem in der Lage, ihre Werbung abhängig vom Wetter, Tageszeit oder aktueller Verkehrslage auszuspielen. Der Lieferservice zeigt also beispielsweise sein Eisangebot bei Hitze und sein Suppenrepertoire bei Kälte, morgens das Frühstück, um 12 Uhr den Mittagstisch und Abends das Menü zum Abholen. Im Falle eines Staus auf der Autobahn geht er mit einem entsprechenden Creative darauf ein, dass das Kochen wohl aus Zeitgründen ausfallen muss, aber das Essen trotzdem auf den Autofahrer zuhause warten könnte. Die Kombinationen sind vielfältig und sogar aktuelle Ereignisse wie Sportergebnisse oder ähnliche öffentliche Datenflüsse können bei der Ausspielung berücksichtigt werden – die technologische Infrastruktur natürlich stets vorausgesetzt.
Dynamic Creative Optimization, also die Zusammensetzung von Werbemitteln in Echtzeit, kann im zweiten Schritt dabei helfen, die Ads regelbasiert zu erstellen. Doch selbst die Hinterlegung von bereits fertig kreierten Anzeigen, die je nach Ausgangslage ausgewählt werden, ist schon ein bedeutender Gewinn gegenüber traditionellem OOH. Auch das Testen verschiedener Motive auf Performance wird somit möglich.
Mobile soll eine Schwachstelle von DOOH ausgleichen
Diese Anwendungsfälle sind soweit wohlbekannt und liefern laut Branchenstimmen gute Ergebnisse. Welche Rolle spielt nun Mobile in dieser Entwicklung?
Die Digitalisierung von Außenwerbung, also den Schritt vom Plakat hin zum Bildschirm, und der programmatische Zugang allein können noch nicht die klassischen Schwächen des One-to-Many-Mediums ausgleichen: Es fehlen präzise Targeting-Möglichkeiten und der Überblick, ob überhaupt jemand die ausgespielte Werbung gesehen hat. Für die Auswahl der Standorte dienen in den meisten Fällen die bewährten Bewegungsströme: Pendler etwa erreicht man morgens in der Bahn zwischen 6 und 9 Uhr. Hier kommt Mobile ins Spiel und soll das Bild der Zielgruppe schärfen.
Kombination DOOH und Mobile aus technologischer Sicht
So ist es durchaus möglich, mittels App gesammelte Daten zu kombinieren. Anonyme Bewegungsdaten aus Wetter-Applikationen in Verbindung mit soziodemographischen Daten aus Dating-Apps können bei der Vorhersage helfen, wann sich eine bestimmte Zielgruppe in der Nähe von DOOH-Screens aufhalten wird. Dazu wird im ersten Schritt eine Personengruppe ermittelt, welche die gewünschten Merkmale laut der Dating-App aufweist (weiblich/30 Jahre). Im zweiten Schritt werden die aus der Wetter-App ermittelten Bewegungsmuster auf mögliche Kontaktpunkte mit den statischen DOOH-Screens geprüft. Das Smartphone als täglicher Begleiter und die Applikationen darauf stellen noch viele weitere denkbare Datenquellen für die Erstellung solcher Segmente zur Verfügung.
Der Datenmarktplatz Adsquare beispielsweise arbeitet derzeit gemeinsam mit Außenwerber Walldecaux an einer Plattform, um mehr Targeting-Daten dieser Art in DOOH zur Verfügung zu stellen. Durch diese Verbindung sollen etwa Aussagen darüber möglich sein, an welchen Bildschirmen zu welchen Tageszeiten eher männliche, shopping-affine Nutzer im Alter zwischen 25 und 34 Jahren vorbeikommen. Die Grundlage für diese Segmente sind einerseits der vorliegenden demographischen Informationen und andererseits die installierten App-Kombinationen. So geht man zum Beispiel davon aus, dass eine Person, die sowohl die Stepstone- als auch die XING-App auf dem Smartphone hat, auf Jobsuche ist. In ähnlicher Manier soll die gleichzeitige Verwendung von Fitness- und Ernährungs-Applikationen auf Sportinteressierte hinweisen. Entsprechend führen verschiedene Shopping-Apps zur Annahme, dass eine Shoppingaffinität vorliegt.
Mit diesen Bemühungen steht Adsquare bei weitem nicht alleine dar. Walldecaux-Wettbewerber und OOH-Marktführer Ströer spricht gerne über seine Targeting-Möglichkeiten in der Außenwelt und die fortschreitende Digitalisierung dieser Flächen. Das Digitalschwergewicht verfügt aufgrund seines beachtlichen Portfolios selbst über eine reiche Datengrundlage, steht jedoch ebenfalls vor der Herausforderung, beide Welten miteinander zu verknüpfen. Die Otto Group Media wirbt derweil mit der Einbindung von Shopping-Intent-Daten aus dem eigenen E-Commerce-Universum in eine DOOH-Kampagne für TUIs Kreuzfahrtreisen. Es wird also versucht, mithilfe von Mobile-Daten aus dem One-to-Many-Medium soweit möglich ein One-to-One-Medium zu machen.
Strategische Zusammenführung der beiden Welten in der Planung
Mobile soll nicht jedoch nur als Datenlieferant dienen, sondern in manchen Fällen auch als zweiter Bildschirm, der bespielt werden kann. Beide Fälle – DOOH als Verlängerung von Mobile-Kampagnen und Mobile als Verlängerung von DOOH-Kampagnen – wurden bereits getestet. Folgende Szenarien sollen nur einen kleinen Einblick gewähren:
- Der große Screen unterstützt den kleinen, begrenzten Bildschirm des mobilen Geräts und kann hier größere Creatives zeigen.
- Eine Geotargeting-Kampagne, also örtlich begrenzt, erreicht nicht alle mobilen User, weil diese schlicht nicht auf ihr Smartphone schauen – hier bietet DOOH eine weitere Chance, wenn etwa ein Restaurant Laufkundschaft zu sich locken möchte.
- Menschen greifen nach einem OOH-Kontakt erwiesenermaßen des Öfteren zu ihrem Telefon, um sich nähere Informationen zu der entsprechenden Werbung zu beschaffen – hier ließe sich eine Geschichte weitererzählen.
- Dank Retargeting lassen sich Personen, die sich im Umkreis eines DOOH-Screens aufgehalten haben, im Nachhinein erneut ansprechen.
- Ebenso umsetzbar ist die Ersteigerung von Ad Impressions auf mobilen Geräten, die sich in Echtzeit in der Umgebung der Außenwerbung aufhalten, um möglicherweise die Werbewirkung zu verstärken.
Passgenaue Anzeigen für DOOH dank Mobile?
Während manche die “Personalisierung” von DOOH bejubeln, sind andere weniger begeistert. Ein Agenturmitarbeiter verrät uns: “Die Integration von Daten aus der Umwelt wie Wetter oder Tageszeit funktioniert wunderbar – diese Kampagnen kann man auch mobil verlängern. Aber das personenbezogene Targeting ergibt keinen Sinn. Da werden zwar viele Awards für kreative Kampagnen vergeben, aber die Zielgruppe, die der Werbetreibende damit trifft, wird viel zu klein. Den zehn Personen kannst du auch eine Postkarte schicken”.
Dazu kommt, dass bisher nahezu keine programmatische Versteigerung von Werbeplätzen in Echtzeit stattfindet. Einzelne Experimente in die Richtung gab es bereits, doch der heutige Stand ist zumindest in Deutschland, dass Agenturen und Advertiser größtenteils die Zeitschienen fest einkaufen, die ihnen die Datenauswertungen vorgeben – falls sie überhaupt auf die Kombination von Mobile und DOOH setzen. Wenn auch Programmatic eindeutige Vorteile für Digital-Out-of-Home mit sich bringt, dient Mobile in erster Linie also dazu, Außenwerbung effizienter zu buchen und weniger dazu, die Bildschirme tatsächlich persönlich für den Einzelnen zu gestalten.
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