Kritische Erfolgsfaktoren für Wachstum im Adtech- und Martech-Markt
Anton Priebe, 12. November 2019Nahezu jedes Unternehmen im Markt strebt nach Wachstum. Der Technologiesektor bietet viel Raum für Innovation, den Startups nutzen wollen, wodurch ein harter Konkurrenzkampf entsteht. Darüber hinaus schlafen auch die Big Player kaum. Wie können sich junge Unternehmen also hier behaupten und was müssen sie tun, um gesund zu wachsen? Manuel Koubek, ehemaliger Adobe-Manager, möchte mit seiner neuen B2B-Beratung Koubek, Röhlk & Partner genau bei diesen Fragen ansetzen. In Berlin greift der Geschäftsführer seit September Tech-Unternehmen beim Vertrieb, Personal- und Prozessmanagement unter die Arme. Im Interview mit ADZINE verrät Koubek, wo im Markt die besten Chancen für junge Unternehmen bestehen, wer es in Deutschland aktuell richtig gut macht und was es für erfolgreiches Wachstum unbedingt braucht.
ADZINE: Manuel, du hast sowohl für Anbieter von Technologie für die Medienseite wie auch für Provider von Lösungen für Marketer gearbeitet. Auf welcher Seite bietet der Markt aktuell mehr Dynamik und Chancen für junge, wachstumshungrige Unternehmen aus deiner Sicht?
Manuel Koubek: Wir sehen bei unseren aktuellen und potentiellen Mandanten einen großen Fokus auf der Buyside, von performancegetriebenen Themen im E-Commerce zu den Branding-Themen bei den Markenartiklern. Allein aufgrund der branchenübergreifenden Größe bietet die Buyside in Summe mehr Potential und Chancen.
Die Vielzahl an Industrien, unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Marktteilnehmern macht sie aber auch komplexer und umkämpfter. Viele Tech-Unternehmen kämpfen mit Konkurrenten, Agenturen, Beratungshäusern etc. um die Gunst der Kunden.
Aber auch auf der Medienseite gibt es nach wie vor hoch spannende Themen, um die Vermarktung zu optimieren, denken wir nur an OTT. Außerdem ist der edukative Stand bei den Publishern meist hoch, dort ist mehr Wissen und Verständnis für technische Lösungen im Haus. Auf Advertiser-Seite ist dieses Wissen häufig in die Agenturen ausgelagert, die sich immer häufiger auch als Technologieberater positionieren.
Dieses Geflecht zu verstehen ist nicht trivial und wird schnell kompliziert, wenn man länderübergreifend unterwegs ist. Über mangelnde Dynamik können wir uns in keinem Bereich beklagen.
ADZINE: Siehst du vielversprechenden Tech-Nachwuchs aus Deutschland am Markt, der vom Produkt her das Zeug dazu hat richtig groß zu werden?
Koubek: Ich sehe vor allem viele spannende Themen entlang der Customer Journey, die genug Potential auch für hiesige Firmen bieten. Wir sind zwar nicht auf dem gleichen Niveau wie die USA oder Israel, was die Gründungs- und Förderkultur angeht, aber wir sprechen ja mit vielen spannenden Tech-Unternehmen, die sehr ambitionierte Ziele haben und denen wir in erster Linie dabei helfen, ihr Wachstum zu strukturieren.
Und Unternehmen wie Adjust, Applift Crossengage, Meetrics oder Uberall scheinen im Moment Vieles richtig zu machen, um nur mal ein paar Berliner Beispiele zu nennen.
ADZINE: Man wirft deutschen Unternehmern, aber auch angestellten Managern oft Produktverliebtheit und überzogenen "Perfektionismus" vor. Hast du auch das Gefühl, dass Deutsche oder auch Europäer mit ihrer Gründlichkeit bei der Marktreife zu langsam sind und sich Marktchancen verbauen?
Koubek: Jein, grundsätzlich geht es im Technologiebereich nicht ohne Gründlichkeit. Denken wir an Testing und vernünftige Dokumentationen – Themen, die manch begnadeter Entwickler vielleicht nicht so gerne macht. Andererseits lassen sich viele Features mit direktem Feedback vom Markt, in Kooperation mit Kunden, häufig effizienter entwickeln. Und viele große Software-Unternehmen sind zu Beginn mit einem Kunden groß geworden.
Um den Vertrieb skalieren zu können, braucht man einen “fertigen” Standard. Der ist in frühem Stadium häufig noch nicht perfekt, weil häufig finanzielle Mittel und Ressourcen fehlen und daher nach potentiellen Neukunden und deren Anforderungen priorisiert werden muss – ein klassisches Henne-Ei-Thema.
US-amerikanische Tech-Unternehmen haben den grundsätzlichen Vorteil, dass ihr Heimatmarkt der größte ist. Außerdem werden in den USA Software-Lösungen sicher pragmatischer ausgewählt als bei uns und Dinge auch einfach mal ausprobiert. Natürlich sind auch Geschäftsbeziehungen häufig nicht so langlebig, aber es gibt für die Europäer einen gewissen Startnachteil.
ADZINE: Welches sind die kritischen Erfolgsfaktoren für Wachstum im Martech- und Adtech-Segment?
Koubek: Ich weiß, es klingt nicht so attraktiv und vielleicht ein bisschen oldschool, aber für mich ist ein großer Erfolgsfaktor nach wie vor Fleiß und viel Arbeit, speziell wenn zu Beginn eines Unternehmens noch nicht viele Leute an Bord sind.
Natürlich muss Deine Lösung einen Nutzen beim Kunden stiften, es braucht ein gutes Thema und zumindest einen USP. Auch Internationalisierung ist bei lokalen Anbietern häufig ein Thema, weil der deutschsprachige Markt nicht groß genug ist. Aber ohne gute und schlaue Leute, die motiviert und entsprechend fleißig sind, wird es nichts werden.
Wie geht das nun?
Es geht darum, den Leuten motivierende Arbeitszeiten und Arbeitsräume zu bieten. Damit meine ich nicht unbedingt Kickertisch und acht verschiedene Müslisorten, sondern eher die Möglichkeit, sich aus- und weiterzubilden und als Persönlichkeit zu wachsen.
Also sollten Unternehmen eine Entwicklungsperspektive aufzeigen und in Aus- und Weiterbildung investieren, angeführt von einem authentischen und empathischen Führungs- und Coachingteam. Software zu entwickeln und zu verkaufen ist ein Teamsport und wenn man oben spielen möchte, ist es eben Spitzensport. Dazu gehört auch das Formulieren und Kommunizieren von ambitionierten Zielen.
ADZINE: Deine Schwerpunkte sind die Disziplinen Marketing und Sales – kannst du Hinweise geben, wie die beiden Disziplinen idealerweise ineinandergreifen sollten, um Wachstum in extrem dynamischen Märkte zu befeuern?
Koubek: Dazu muss ich zunächst sagen, dass unsere Kunden vorwiegend B2B-aktiv sind.
In kleineren Organisationen und/oder in frühen Entwicklungsstadien müssen beide Disziplinen hier extrem effizient und flexibel sein, idealerweise besetzt mit erfahrenen Generalisten. Marketing muss extrem effizient mit limitierten Budgets umgehen und es schaffen, trotzdem Wirkung zu erzielen, die Interesse erzeugt und letztlich auf den Vertrieb einzahlt.
Der Vertrieb muss extrem effizient und flexibel auf Kundenwünsche eingehen, das Angebot anpassen und laufend Feedback an Produkt plus Marketing geben. Idealerweise stimmen sich Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung regelmäßig ab. Aktivitäten müssen gemeinsam geplant und Marketingpläne gemeinsam erarbeitet werden, um relevante Kanäle zu priorisieren und entsprechend zu bespielen. Auch alle Mitarbeiter und jede Art der Kommunikation sind wichtig und eine Chance, eine Botschaft zu senden.
Peter Drucker hat gesagt: “Marketing ist keine Funktion, sondern die Gesamtheit eines Unternehmens, gesehen mit den Augen des (potentiellen) Kunden.”
Marketing ist also für das Gesamtbild verantwortlich, der Vertrieb eher für das Bauchgefühl und das Vertrauen in den Partner, die Technik für die Kompetenz und das Vertrauen in die Lösung. Alles zusammen, handwerklich gut orchestriert, führt letztlich zu erfolgreichen Partnerschaften und Wachstum.
ADZINE: Manuel, danke für das Interview!
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