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Firefox blockiert Digitrust-ID: Browser als Regulatoren im Adtech-Markt

Anton Priebe, 28. November 2019
Bild: Tim Gouw – Unsplash

Mozilla folgt weiterhin seiner strikten Tracking-Politik und schließt die Digitrust ID vom Firefox-Browser aus. Bei der Digitrust ID handelt es sich um eine unabhängige Lösung, die unter dem Dach des Technology Labs des US-amerikanischen Interactive Advertising Bureau (IAB) operiert. Sie konnte bislang ungehindert im Firefox-Browser eingesetzt werden, weil Digitrust selbst keine Daten zu Tracking-Zwecken verarbeitet, sondern nur einen gemeinsamen Nenner für die Identifikation der User zur Verfügung stellt. Mit der Entscheidung greift wieder einmal ein Browser-Hersteller regulierend in den Markt ein und sendet ein deutliches Signal.

Bei jedem Webseitenbesuch setzen verschiedene Adtech-Anbieter, die auf der jeweiligen Seite integriert sind, Cookies beim Nutzer, um dessen Bewegungen und Aktionen im Netz nachzuvollziehen. Auf der Basis dieser anonymisierten Informationen wird dem User passgenaue Werbung ausgespielt. Die Voraussetzung für eine möglichst gute Datengrundlage, die ein genaues Targeting erlaubt, ist die seitenübergreifende Identifikation des Nutzers. Dafür enthält ein Cookie eine ID, also eine verschlüsselte Zahlenreihe, die einem Anbieter verrät, ob der User neu ist oder schon bekannt.

Jeder Webseitenbetreiber arbeitet jedoch mit unterschiedlichen Anbietern aus dem Programmatic-Advertising-Ökosystem zusammen, die alle ihre eigenen Cookies verwenden. Wird nun eine Werbefläche programmatisch gehandelt, müssen die verschiedenen Cookies – beispielsweise von Webseitenbetreiber, Einkaufs- und Verkaufstechnologie – miteinander in Einklang gebracht werden, um ein möglichst vollständiges Bild eines Nutzers zu erhalten. Man spricht in diesem Fall von “Cookie-Synchronisation”.

Dieser Abgleich nimmt einerseits Zeit in Anspruch und führt andererseits dazu, dass oftmals Informationen verloren gehen, weil Cookies nicht zugeordnet werden können. Die Matching-Rate, also Erfolgsquote bei der Cookie-Synchronisation, liegt etwa bei 60 Prozent. Ein Advertiser möchte jedoch seine Zielgruppe möglichst passgenau erreichen und ist dafür auf die funktionierende Zusammenarbeit der einzelnen Systeme angewiesen. Einen möglichen Ausweg für dieses Problem bieten einheitliche ID-Lösungen wie Digitrust.

Das Prinzip von Digitrust und anderen cookiebasierten ID-Lösungen

Digitrust vereint verschiedene Partner aus dem Programmatic-Ökosystem, indem es einen gemeinsamen Identifikator zur Verfügung stellt. Konkret geschieht diese Vereinheitlichung, indem ein Publisher ein Java-Script in alle seine Seiten einbindet, das einen standardisierten Cookie setzt, der von allen Digitrust-Mitgliedern ausgelesen werden darf. Damit nutzten alle Beteiligten den First-Party-Cookie des Publishers als Grundlage für die Identifikation der Nutzer.

Das Ergebnis ist eine leichtere seitenübergreifende Identifizierung des Users, weil alle Parteien den gleichen “Schlüssel” verwenden. Außerdem ist es gegenüber dem herkömmlichen Verfahren – der Cookie-Synchronisation – schneller und beschleunigt den Seitenaufbau.

Unter den Digitrust-Mitgliedern befinden sich Demand-Side-Plattformen (DSPs) wie Adform oder Mediamath, Supply-Side-Plattformen (SSPs) wie Index Exchange und Openx sowie Daten-Dienstleister wie Liveramp. Der Seitenbetreiber nutzt die Technologie umsonst, die Technologieanbieter der Buy-Side bezahlen hingegen eine monatliche Gebühr, um den Dienst zu finanzieren. Von sich selbst spricht Digitrust als “Non-Profit-Organisation”.

Einen ähnlichen einheitlichen Ansatz wie Digitrust verfolgen auch die Unified ID, die von der DSP The Trade Desk ins Leben gerufen wurde, und die Advertising ID des gleichnamigen Konsortiums. Hier ergibt sich jedoch erneut das Problem, dass die Initiativen jeweils von anderen Unternehmen unterstützt werden und nicht ineinandergreifen.

Browser regulieren den Markt

Die Verbannung von Digitrust aus Firefox kommt wenig überraschend, da der Browser im Zuge seiner “Enhanced Tracking Prevention” das Tracking von nahezu allen Technologie-Anbietern im Advertising unterbindet. Dazu greift Mozilla auf die sogenannte Disconnect-Liste zurück, die eine umfassende Blacklist der Marktteilnehmer zur Verfügung stellt. Digitrust ist anscheinend erst spät darauf gelandet, da die Initiative selbst keine Daten verarbeitet, sondern nur den Identifier liefert. Somit bewegte sich die Initiative bis dato unter dem Radar.

Dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist, traf also kaum jemanden unerwartet, doch es verdeutlicht ein grundsätzliches Problem: Die Advertising-Branche, vorwiegend die Technologie-Anbieter, probieren Lösungen zu finden, um eine möglichst zielgerichtete Werbung für die Advertiser zu realisieren. Die Browser-Hersteller hingegen versuchen, die Privatsphäre ihrer Nutzer zu schützen. Da sie aber den Zugang zu den Nutzern kontrollieren, sind die Browser in der Lage, jegliche Lösung, die von der Programmatic-Welt entwickelt wird, im Keim zu ersticken. Das passiert genauso bei Mozilla unter dem Mantel der “Enhanced Tracking Prevention” wie bei Safari mit der “Intelligent Tracking Prevention”.

Digitrust befindet sich zwar noch in der Aufbauphase, dennoch sendet Mozilla mit dem Blockieren ein deutliches Zeichen, wie Alwin Viereck, stellvertretender Lab-Leiter Identity des BVDW von United Internet Media, erklärt:

Bild: BVDW Presse Alwien Viereck, BVDW

Soweit ich die Vermarkterlandschaft einschätzen kann, dürfte der programmatische Impact von Digitrust heute noch gering sein. Auch wenn die ersten großen SSPs ihre Adapterunterstützung im Prebid-User-ID-Modul mit der Digitrust ID angereichert haben, ist die Adaption des ID-Moduls selbst bei den Vermarktern und Publishern noch im Gange. Die Signalwirkung ist allerdings groß. So ist Digitrust als Teil des IAB Tech Labs sicherlich ein prominenter Kandidat, der in den vergangenen Wochen und Monaten – insbesondere über den Gründer Jordan Mitchell, der natürlich sehr laut war – einen ‘weltweiten Token’ eingefordert hat. Zudem hat die SSP- und DSP-Landschaft mit Digitrust einen aus ihrer Sicht ‘unabhängigen’ Kandidaten unterstützt. Dem schiebt Firefox jetzt einfach mal einen Riegel vor.

BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr von IP Deutschland sieht den Schritt Mozillas ebenfalls kritisch und spielt den Ball zur Politik:

Bild: BVDW Presse Thomas Duhr, BVDW

Browser-Hersteller neigen zunehmend dazu, ihre technologische Sonderrolle als De-facto-Regulator einzusetzen. Dies kann durchaus als Missbrauch von Marktmacht betrachtet werden, jedenfalls ist die entsprechende Legitimation fraglich, da kaum mehr als vier bis fünf Unternehmen den globalen Markt beherrschen. An dieser Stelle ist Sensibilität und Offenheit für die gesamte Digitale Wirtschaft im Interesse aller Marktteilnehmer gefragt, hier ist möglicherweise die Politik gefordert.

Die globale Macht von Mozilla ist beschränkt, da Firefox’ Marktanteil weltweit lediglich vier Prozent beträgt. Auf dem Desktop nutzt zwar jeder Zehnte den Mozilla-Browser, auf mobilen Geräten beherrschen allerdings Chrome und Safari den Markt. In Deutschland ist der Anteil von Firefox-Usern jedoch ungewöhnlich hoch: Auf Desktop nutzt jeder Vierte Mozillas Browser, geräteübergreifend kommt Firefox hierzulande auf knapp 15 Prozent Verbreitung. Safari schlägt in heimischen Gefilden mit zehn Prozent auf Desktop zu Buche und ist auf jedem fünften mobilen Gerät installiert.

Google ist momentan mit Chrome als Marktführer diejenige Partei, die das seitenübergreifende Tracking mithilfe von Cookies am Leben erhält. Das liegt natürlich auch daran, dass das eigene Werbegeschäft darauf basiert. Der Konzern arbeitet derzeit an Lösungen, wie Tracking und Datenschutz langfristig miteinander kombinierbar sind. Genaueres zu den Plänen will Google jedoch erst im Frühjahr bekannt geben.

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