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VIDEO

Allheilmittel Bewegtbild: Kann digitale Videowerbung den TV-Kontakt ersetzen?

Jens T. Möller, Analyst, 25. November 2019
Bild: Pawel Czerwinski; CC0 - unsplash.com

In Zeiten von wegbrechenden TV-Audiences wird es Werbetreibenden und Agenturen zunehmend erschwert ihre Zielgruppen im Fernsehen mit Bewegtbildwerbung zu erreichen. Als Ergebnis wird TV immer häufiger durch andere Formate und Plattformen substituiert. Outstream-Video, Youtube oder Facebook übernehmen das, was über Jahrzehnte das Hoheitsgebiet des linearen Fernsehens war. Doch ist dies die ideale Lösung und wird es in Zukunft nicht eher darum gehen, die verlorene Audience überhaupt noch zu erreichen? Muss es dann in jedem Fall Bewegtbildwerbung sein, wie im klassischen TV gelernt? Dazu befragte ADZINE Verantwortliche aus der Agenturwelt.

In den vergangenen Wochen und im Zuge des Play Video Advertising Summits 2019 lag der Fokus der ADZINE-Redaktion vermehrt auf dem Thema der schwindenden TV-Audience und wie diese in Zukunft über Bewegtbild erreicht werden kann. Doch muss es überhaupt Video sein, oder lassen sich TV-Verweigerer auch über andere Formate ansprechen?

Bild: Essence Presse Bastian Lütz, Essence

Bastian Lütz, Client Director und Managing Partner von Essence, hat dazu eine klare Meinung: “Bewegtbild ist ein absolut entscheidendes Instrument im Marketing, um Emotionen zu wecken und zu zeigen, wofür eine Marke steht. Das ist in einer Zeit, in der jedes Produkt in mannigfaltiger Ausführung immer und überall zu haben ist, wichtiger denn je. Einen qualitativen TV-Kontakt kann man nicht einfach durch ein Plakat ersetzen. Nun ist es ja nicht so, dass die ‘verlorene Audience’ kein Bewegtbild mehr konsumiert, ganz im Gegenteil. Es wird uns nur nicht mehr so schön einfach gemacht, alle gleichsam zu erreichen.”

Bild: Pilot-Gruppe Presse Anja Liebig, Pilot

“Unsere Analysen zeigen zum einen, dass die Nachfrage nach Bewegtbild weiterhin steigt – auch aus Nutzersicht – eine komplett verlorene Audience gibt es nicht. Aber: eine schwer erreichbare – und das selektive Nutzungsverhalten gilt oft medienübergreifend. Reine Nettoreichweite erreichen wir aktuell noch gut über Bewegtbild, regelmäßige Kontakte hingegen erfordern oft einen Formatmix”, sagt Anja Liebig, Leiterin Integrierte Mediastrategie der Pilot-Gruppe. Demnach ist Bewegtbild weiterhin ein Reichweitengarant, wollen Werbetreibende jedoch bessere Ergebnisse, müssen andere Kanäle hinzugezogen werden.

Die Mediastrategie muss auf Zielgruppe und Marke abgestimmt werden

Bild: Publicis Presse Anja Stockhausen, Publicis

Eine Strategie nach dem Motto “one size fits all” scheint es in Zukunft bei Bewegtbildwerbung nicht mehr zu geben. Vielmehr muss die Mediastrategie auf die jeweiligen Zielgruppen und die Bedürfnisse von Marken passgenau abgestimmt werden: “Ganz wichtig ist doch, welche Zielgruppen sollen aus Sicht des Werbungtreibenden angesprochen werden und welche Insights hat er möglicherweise bereits aus eigenen First-Party-Daten? Wie sieht die Customer Journey seiner Marke und seines Produktes aus und welche Medien spielen in welcher Phase funktional eine wichtige Rolle? Welche weiteren Daten können herangezogen werden, um diese Insights anzureichern?”, meint Anja Stockhausen von Publicis. “Auf dieser Basis müssen doch eine Mediastrategie und auch die Art der Ansprache abgeleitet werden. Da kann Bewegtbild eine große Rolle spielen, muss aber nicht”, so Stockhausen weiter.

Bild: Carat Deutschland Presse Stefan Uhl, Carat Deutschland

Stefan Uhl, Managing Director von Carat Deutschland, sieht Bewegtbild zwar als wichtig an, stellt aber ebenfalls die Interessen der Zielgruppen in den Vordergrund: “Alle Ansätze der Werbewirkungsforschung sind sich einig und zeigen die stärkste Wirkung von Bewegtbild im Vergleich zu anderen Werbemitteln. Bewegtbild mit einem guten Storytelling sollte daher nicht unterschätzt werden. Aber der Blickwinkel muss sich erweitern. Die Generation Alpha hat verstärkt Interesse an Erlebnissen oder auch sehr aktuell an Haltungsfragen zur Zukunft. Werbetreibende müssen eine Integration dieser Interessensveränderung für ihre strategische Ausrichtung prüfend bedenken.”

Audio als Ergänzung zur Bewegtbildwerbung

Bild: Planet.Net Presse Manfred Klaus, Planet.Net

Ein wichtiger Bestandteil von Bewegtbild ist die Audio-Komponente. Manfred Klaus, Geschäftsführer von Planet.Net, sieht hierbei enormes Potential für die Werbebranche und Audio als unverzichtbaren Teil von Bewegtbildwerbung sowie als Ergänzung zu dieser: “Bewegtbild hat unbestreitbar einzigartige Wirk-Qualitäten: Audiovisuelle Ansprache, emotionalisierend, auch für ‘Nebenbei-Konsum’ geeignet unter der Voraussetzung, dass sich die Spot-Kreation auch an den neuen Rezeptionsgewohnheiten orientiert. Die ‘Tonspur’ hat für die Werbewirkung enorm an Bedeutung gewonnen und es ist in Zeiten der visuellen Ablenkung durch das Smartphone umso wichtiger Marke, Claim und auch eine Landingpage nicht nur zu zeigen, sondern auch auszusprechen und damit die Kontaktchance über die Audiodimension zu nutzen. Digitale Medien haben allerdings den Vorteil, dass die Werbeformen und das Kommunikationsziel abgestimmt werden können. Immer spannender sind dabei in letzter Zeit die Möglichkeiten auditiver Werbung geworden – von Podcasts über Smart Speaker bis hin zu Voice Assistants bieten sich hier interessante Touchpoints für die Markenkommunikation. Die Menschen, die wir nur noch schwer oder gar nicht über klassisches TV erreichen, sind gar keine Medien-Verweigerer – im Gegenteil.”

Bewegtbild ist nicht gleich Bewegtbild

“Generell geht es immer darum, auch künftig potentielle Käuferreichweiten möglichst umfassend auszuschöpfen, solange es wirtschaftlich bleibt. Ab irgendeinem Punkt ist aber auch ein Grenznutzen erreicht. Somit kommen potentiell auch andere Kanäle in Frage”, so Armin Schroeder von Crossmedia. “Man darf aber nicht vergessen, dass Bewegtbild und vor allem das klassische Fernsehen in seiner Nutzungssituation und Wirkung nicht beliebig austauschbar sind. Nicht von ungefähr hat es sich als führendes Werbemedium etabliert – und das nicht nur aufgrund seiner Reichweite. Social Media, in geringerem Maße auch Youtube und andere digitale Bewegtbildformen, werden zum Teil gänzlich anders genutzt, daher wird auch Werbung hier anders wahrgenommen. Die User stellen andere Erwartungen an Content und Werbung. Solange das berücksichtigt wird, können Marken dies zu ihrem Vorteil nutzen und zielgerichtet einsetzen. Aber nur weil man den TV-Spot auch im Facebook-Feed platzieren könnte, bedeutet das längst nicht, dass er dort die gleiche Wirkung entfaltet”, erklärt Schroeder weiter.

Bild: Crossmedia Presse Armin Schroeder, Crossmedia

Bewegtbildwerbung im TV wird also auch in Zukunft von großer Bedeutung sein, solange es sich wirtschaftlich rechnet. Andere Distributionswege sind eine Option, doch dabei ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Es hängt am Ende nur an der Zielgruppe und dem Ziel einer Kampagne, wie und wo Bewegtbildwerbung geschaltet wird. Eine Strategie nach dem Motto “one size fits all” existiert dabei nicht mehr. Vielmehr sind ein gutes Storytelling, das Erschaffen von Werbeerlebnissen und auch die Audio-Komponente von elementarer Bedeutung für den Erfolg einer Kampagne. Der Wirkungsgrad hängt hierbei vom verwendeten Kanal ab.

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