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Werbemöglichkeiten bei Twitch: Inszenierung im Streaming-Umfeld

Anton Priebe, 8. Oktober 2019
Bild: Caspar Camille Rubin - Unsplash, CC0

Die Streaming-Plattform Twitch gerät auch hierzulande immer mehr in den Fokus der Werbetreibenden. Die Amazon-Tochter ist zwar primär mit Gaming und E-Sport bekannt geworden und wird noch immer bei vielen fälschlicherweise als Nische abgespeichert, hat sich heute aber wesentlich breiter aufgestellt und kann in Deutschland auf solide Zuschauerzahlen blicken. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Twitch das Erreichen einer Zielgruppe verspricht, die für Werber ansonsten schwer anzusprechen ist, macht die Plattform interessant. Dabei gehen die Werbemöglichkeiten, die Twitch bietet, weit über die Buchung von Pre-Roll Spots hinaus.

“Nach unseren eigenen Messungen erreichen wir jeden Monat circa elf Millionen Unique Devices in Deutschland”, verrät Burkhard Leimbrock, Commercial Director Europe bei Twitch, am Rande der Dmexco. Der Hamburger ist kein Unbekannter in der Branche und war zuvor bereits Manager bei Google und Vodafone sowie Vizepräsident des BVDW. Bei der großzügig kalkulierten Annahme, dass drei Geräte auf einen User kommen, landet die Plattform also bei über dreieinhalb Millionen Nutzern – Tendenz eher höher. Dabei ergibt sich eine Aufteilung auf 45 bis 50 Prozent Desktop, 40 Prozent Mobile und fünf bis zehn Prozent Console. Die Zielgruppe ist überwiegend jung und männlich, das heißt zwischen 16 und 34 Jahren alt und besteht zu etwa 30 Prozent aus Frauen.

Bild: Twitch Presse Burkhard Leimbrock, Twitch

Advertiser können sich in diesem Umfeld über klassische Videospots inszenieren, also 20- oder 30-Sekünder, die auf Twitch überwiegend als Pre- aber auch als Mid-Roll ausgespielt werden. “Das ist das, was bei uns am meisten gebucht wird, also sozusagen die Standardwerbeform auf Twitch”, so Leimbrock. Gebucht wird in der Regel I/O-based, während Twitch die Werbung dann im entsprechenden Kanal ausspielt. Über die Programme Twitch Partner für größere und Twitch Affiliate für kleinere Kanäle sind Streamer dazu in der Lage ihre Inhalte zu monetarisieren und Werbung einzubinden. Diese bekommen dann einen Teil der Werbeeinnahmen ab. Die technologische Umsetzung übernimmt Twitch komplett selbst mit eigener Adserver-Lösung – Self-Service gibt es nicht.

Darüber hinaus bietet Twitch das sogenannte Surestream-Format an. Dies ist ein natives Format, das sich gegen Adblocker richtet und auch denjenigen Usern Werbung ausspielt, die ein solches Tool installiert haben.

Maßgeschneiderte Lösungen als Kreativarbeit

Die zweite große Werbeform nennen sich Customized Solutions. “Das ist etwas für Brands, die sich auf authentische Weise in das Twitch-Erlebnis und die Community integrieren wollen, indem sie etwas wirklich Einzigartiges kreieren. Häufig bedeutet das eine direkte Zusammenarbeit mit den Streamern, die wir mit an den Tisch holen, um eine maßgeschneiderte Lösung zu finden”, erklärt Leimbrock. Ein frisches Beispiel dafür ist die Kampagne für den zweiten Teil von Stephen Kings Es, der gerade als Kinofilm angelaufen ist. Gemeinsam mit Warner hat Twitch mit ausgewählten Streamern eine Kampagne kreiert, die das Motiv von Es – Horror-Clown und rote Ballons – mit einbezog.

In der Praxis sah es beispielsweise so aus, dass es bei Tinkerleo, einer bekannten deutschen Streamerin, an der Tür klingelte, während sie gekocht hat. Sie öffnete und kam mit einem Strauß roter Ballons in der Hand wieder ins Bild. Im Chat, der bei bei jedem Stream nebenbei mitläuft, reagierten die Nutzer zunächst mit Verwirrung. Andere Elemente der Promotion waren flackerndes Licht oder unheimliche Geräusche im weiteren Verlauf des Streams. Die Auflösung erfolgte über ein Overlay mit dem Schriftzug “Achtung: Es 2 jetzt im Kino”. “Neben dem Trubel im Chat hat die Streamerin auch in anderen sozialen Kanälen positive Reaktionen auf diese Werbeform erhalten”, meint der Twitch-Chef für Deutschland. Ein weiteres, aktuelles Beispiel für diese Customized Solutions ist die Zusammenarbeit mit Porsche, die in einem interaktiven Spiel via Livestream mündete. Ein internes Team arbeitet für diese Projekte übergreifend aus Hamburg und London gemeinsam mit den Marken zusammen.

Bild: Twitch Die Twitch-Community ist im interaktiven Spiel von Porsche live auf der Suche nach dem neuen Fomula-E-Rennwagen.

Targeting bleibt rudimentär, entwickelt sich aber weiter

Das Targeting für Werbung beschränkt sich bei Twitch allerdings nahezu auf Umfeld-Werbung, gesteht Leimbrock: “Neben der bereits erwähnten Demographie haben unsere Nutzer eine hohe Affinität zu Games und Entertainment. Das reicht den meisten Advertisern als Targeting-Kriterien schon aus. Bei globalen Kampagnen bieten wir noch ein Targeting auf das jeweilige Land oder ein Geotargeting auf einzelne Regionen.”

Trotzdem ergeben sich bei Twitch mehr Möglichkeiten als Gamer zu erreichen. Twitch umfasst alle Formen von User Generated Content, unter anderem Live-Musik, also Klavierspieler oder Sänger mit großen Communities, und bietet mit Twitch Sings sogar eine eigene Karaoke-Plattform. Ein weiteres Feld ist die Live-Berichterstattung von Sport. “Wir haben gerade einen Deal mit der NBA abgeschlossen und zeigen die kommenden drei Jahre NBA-Spiele live auf Twitch. Da wird auch noch mehr kommen”, verspricht Leimbrock. Darüber hinaus laufen sogenannte Serien-Marathons, bei denen die Plattform mehrere Tage am Stück durchgängig die Episoden einer einzelnen Serie streamt. Knightrider oder Pokemon wären aktuelle Beispiele dafür. Der Content abseits von Videospielen hat sich nach eigener Aussage verdoppelt. Werbetreibende bieten also beispielsweise auf League of Legends-Spieler, Musik-Liebhaber, Sport-Begeisterte oder im Serien-Umfeld.

Bild: Twitch Bei Twitch gab es kürzlich einen Relaunch mitsamt eines Retro-Logos und neuen Farben.

Ein Blick in die Zukunft: Neue Werbeformate am Horizont?

Burkhard Leimbrock hat für Werbetreibende bereits den nächsten Pfeil im Köcher: Bounty Board, zu Deutsch “Schwarzes Brett”. Dieses Advertising-Format ist nach einem Feedback aus der Community entstanden, die sich mehr Optionen für kleinere Kanäle wünschte, was gleichzeitig auch von Advertiser-Seite nachgefragt wurde.

Dabei handelt es sich um eine Vermittlung von Werbeaufträgen großer Advertiser an kleinere Streamer. Die Werbetreibende schreiben Aufträge auf dem Schwarzen Brett aus, die ein Streamer annehmen kann, etwa eine bestimmte Zeit lang ein spezifisches Spiel zu spielen und dabei eine vorgegebene Anzahl von Personen zu erreichen. Die Option wurde gerade erst mit Snipes als einen der ersten deutschen Kunden gelauncht. Die Kampagne in Kooperation mit Jung von Matt beinhaltete unter anderem Unboxing-Videos von Snipes-Produkten, die live übertragen wurden. Dafür bekamen die jeweiligen Kanalbetreiber einen Obolus von Snipes.

Laut Leimbrock kommt die neue Funktion sowohl in der Streamer-Gemeinde als auch bei den Konsumenten gut an. Damit sei die Entwicklung der Werbemöglichkeiten jedoch noch lange nicht am Ende.

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