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TV-Vermarktung: Auf der Suche nach Reichweite im digitalen Raum

Frederik Timm, 14. Oktober 2019
Bild: Umberto - unsplash.com

Über Jahrzehnte galt das Fernsehen als Reichweitenkönig. TV bleibt, getrieben durch Innovation aus den letzten Jahren, für Werber immer noch ein hochrelevanter Kanal. Doch suchen sich die Zuschauer mit einer zunehmenden Digitalisierung des Medienkonsums neue, flexiblere Kanäle. Medienhäuser finden aber verstärkt mehr Wege, auch im digitalen Raum Reichweite zu erzeugen und die abwandernde Zielgruppe dort für Werbung zu erschließen.

Das Wachstum der TV-Werbeausgaben ist in den letzten Jahren zum Stillstand gekommen. Durch die zunehmend digitale Mediennutzung der jungen Generationen ist ein Tipping Point erreicht. Netflix, Amazon und Co. ziehen die früheren TV-Zuschauer in neue Plattformen, die für Werber noch unerschlossen sind. Deutsche Medienhäuser begegnen diesem Umstand mit unterschiedlichen Strategien.

Mediatheken – Die Video-on-Demand-Alternative

Um Zuschauer abzufangen, die linearem Fernsehen mehr und mehr den Rücken zukehren, gehen große Medienhäuser zunehmend den gleichen Weg wie Netflix und Co. Sie setzen auf eigene Mediatheken, in denen ihre exklusiven Inhalte jederzeit zum Abruf bereit sind. Zwar werbefrei, aber dennoch eine beliebte Alternative zum Fernsehen, sind die Mediatheken von ARD, ZDF und Co. So schafft es das ZDF nach eigenen Angaben auf eine Reichweite von 35 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Neben vergangenen Sendungen von Talk-Formaten, wie Anne Will, Maybritt Illner und Markus Lanz, werden dem Zuschauer auch ein Livestream sowie Serien und Filme aus Eigenproduktion geboten.

Neben den Öffentlich-Rechtlichen setzen auch Pay-TV-Sender auf Online-Sammlungen ihrer Produktionen. Die Mediengruppe RTL hat mit TVNow ein Portal geschaffen, das seit 2016 die Sendeformate der kompletten Mediengruppe, inklusive Vox und RTL 2, abbildet. Dazu gehören Eigenproduktionen, wie „Bachelor“, „Bauer sucht Frau“ und Co. Hinzu kommen eingekaufte Serien, die zeitversetzt zur TV-Ausstrahlung für begrenzte Zeit verfügbar sind.

Eine bezahlte Mitgliedschaft vorausgesetzt, können Nutzer die Folgen auch schon vor der Ausstrahlung im TV ansehen, auf Werbung verzichten und auf einen Livestream der Sender zugreifen. Andernfalls werden die Inhalte mittels Pre-, Mid- und Post-Rolls monetarisiert und bieten Werbetreibenden, im Gegensatz zur TV-Buchung, den Vorteil datenbasierter Zielgruppensegmente. Laut AGOF kam TVNow im September 2019 auf eine Reichweite von 5,32 Millionen Unique User. Nicht gezählt wurden dabei Kontakte, die durch die Apps auf Mobilgeräten und Smart-TVs zustande kommen. Diese Dunkelziffer sollte jedoch noch um einiges höher sein, schaut man sich die Reichweite der ZDF Mediathek an, die nach Angaben des ZDF 25 Millionen Nutzer anspricht.

Hybridlösungen – Joyn geht einen anderen Weg

Mit Joyn hat ProSiebenSat.1 einen anderen Weg eingeschlagen als RTL. Die erst im Sommer 2019 gelaunchte Plattform verbindet die linearen TV-Streams der beteiligten Partner mit VoD-Angeboten in Form von Eigenproduktionen und eingekauften Serien und Filmen. Dafür arbeitet das Münchner Medienhaus mit der Senderfamilie Discovery Channel zusammen. Bisher noch ohne Login können Nutzer die gesammelten Privatsender einfach streamen – hinzu kommen die Öffentlich-Rechtlichen. Sowohl bei Live TV als auch im On-Demand-Bereich finanziert sich die Plattform durch Pre-Roll Ads. Bei längeren On-Demand-Inhalten werden auch Werbeunterbrechungen durch Mid-Rolls eingesetzt. Die Werbewirkung kommt dabei der eines TV-Spots nahe. Wie auch bei TVNow bietet Joyn für Werber einen Vorteil zum TV: Die Spots können mittels Targeting-Daten gezielter ausgespielt werden.

Bild: Joyn Presse Tassilo Raesig

„Derzeit finanzieren wir uns ausschließlich durch Werbeeinnahmen. Sowohl bei Live TV als auch im On-Demand-Bereich durch Pre-Rolls und Sponsoring“, sagt Tassilo Raesig, der COO von Joyn. Die Anzahl der Werbespots sei jedoch im Vergleich zum klassischen linearen TV wesentlich geringer. Man wolle eine Balance zwischen Unterhaltung und Monetarisierung garantieren. „Ab Winter 2019 wird zusätzlich ein kostenpflichtiges Premium-Produkt mit werbefreien Inhalten, Filmen und Serien, sowie einem umfangreichen Angebot an PayTV-Sendern an den Start gehen. Hier wird die Werbung auf ein Minimum reduziert“, erklärt Raesig die Zukunftspläne der Plattform. Werbeeinspieler im Live-TV-Stream bleiben dabei jedoch selbstverständlich erhalten. Hier arbeitet Joyn an einer Lösung, um die Werbepausen durch individualisierte Werbeblöcke zu ersetzen beziehungsweise zu überblenden. Die Plattform hat nach eigenen Angaben rund 3,8 Millionen Nutzer. Die AGOF weist derweil 1,55 Millionen Unique User auf der Webseite für den Monat September 2019 aus. Ausgenommen sind davon jedoch die App-Nutzer.

TV-Streaming – Reichweite über Dritte

Neben Mediatheken oder Hybridlösungen wie Joyn ist es über Anbieter wie Waipu.tv, Magine und Zattoo auch möglich, den linearen TV-Stream online zu empfangen. Auch über diese Kanäle erweitern TV-Sender, allerdings ohne eigenes Zutun, ihre Reichweite. Die Dienste bieten in verschiedenen Abomodellen den HD-Stream der TV-Sender zum Konsum auf Mobile, Desktop und Smart TV an. Die Werbeerfahrung für den Nutzer bleibt dabei vorrangig noch die gleiche wie im klassischen TV. Allerdings arbeiten die Plattformen an Technologien, um einzelne Spots zu überblenden und so dynamische, datengesteuerte Werbespots einzuspielen.

Auch das klassische TV-Geschäft entwickelt sich weiter

Die immer noch zunehmende Digitalisierung der Mediennutzung stellt Medienhäuser wie auch Werbetreibende vor neue Herausforderungen. Mit neuen Plattformen über digitale Kanäle reagieren die großen TV-Anbieter auf die sich verändernden Sehgewohnheiten und Erwartungen der Zuschauer. Gleichzeitig bieten sie Werbetreibenden die Möglichkeit, Nutzer anzusprechen, die mittlerweile auf das klassische TV-Programm verzichten und auf digitale Kanäle wechseln.

Doch auch in der Vermarktung des linearen Fernsehprogramms zeichnen sich immer stärker Veränderungen ab. Technologien wie Addressable TV halten mehr und mehr Einzug und fördern neue Bündnisse. So bilden sich auf Vermarkterseite Allianzen wie D-Force von ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL, die der zunehmenden Digitalisierung des TV-Inventars Rechnung tragen. Das Joint Venture soll die übergreifende Addressable-TV-Buchung beider Sendergruppen ermöglichen. Gleichzeitig sei man offen für andere digitale Kanäle, sodass Online Video und Addressable TV zukünftig aus einer Hand buchbar sind. Mit einer zunehmenden Verbreitung der ATV-Technologie würde es auch für Werbetreibende einfacher werden, TV-Wenigseher zu identifizieren und alternativ über andere Kanäle zu erreichen.

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