Interesse vs. Kaufabsicht – Werden Kaufabsichtsdaten wirklich richtig erfasst?
Stefan Blumenthal, 28. Oktober 2019Amazon Prime Day, Cyber Monday, Black Friday – alles Tage, an denen Online-Shopping im Fokus steht und gehypt wird. Online eingekauft wird in Deutschland natürlich nicht nur an bestimmten Events, sondern täglich – 90 Prozent der deutschen Bevölkerung sind online unterwegs und der Umsatz im Bereich Online-Shopping wächst. Marketer stehen dabei vor der großen Herausforderung tatsächliche Käufer zu identifizieren und anzusprechen und die uninteressanten „Window-Shopper“ herauszufiltern. Genau das gestaltet sich schwierig, denn bei 75 Prozent der Webseitenbesuche im E-Commerce verlässt der Nutzer die Seite, ohne etwas gekauft zu haben.
Eine Kaufabsicht liegt vor, wenn ein Verbraucher den tatsächlichen Wunsch äußert, ein Produkt aufgrund seines Verhaltens zu kaufen, anstatt nur ein vages Interesse zu zeigen. Kaufabsichten dienen der Prognose zukünftigen Kaufverhaltens und gelten als zuverlässige Indikatoren für ein „Ja“ bei der Kaufentscheidung.
Werbetreibende wählen jedoch häufig die Strategie sich auf Produktseitenaufrufe zu verlassen oder Kaufabsichtsdaten mit demografischen Daten zu vermischen, was sich oftmals als wirkungslos erwiesen hat. Die Verwechslung von "Interesse" und "Kaufabsicht" ist seit langem ein großes Problem, ganz zu schweigen von der Herausforderung, vertrauenswürdige und neue Datenquellen zu finden.
B2B- vs. B2C-Intent
Wichtig zu beachten ist, dass der Fokus hierbei auf dem B2C-Marketing liegt, da B2B-Kaufentscheidungen ein ganz anderes Business darstellen. Der B2B-Einkauf (z.B. Unternehmenssoftware) erfordert einen viel längeren Entscheidungsprozess sowie längere Marketingmaßnahmen. B2C-Brands haben ein viel kleineres Zeitfenster, um ihre Verbraucher im Markt zu erreichen. Natürlich gibt es auch im B2C-Bereich unterschiedliche Zeitspannen bei der Kaufentscheidung (z.B. der Kauf eines Pullovers vs. Kauf eines Autos). Dieser Faktor muss sich auf jeden Fall in der Art und Weise widerspiegeln, wie mit den Daten gearbeitet wird.
Historische Daten oder Micro-Moments?
Um Kaufabsichten zu bewerten, verwenden Marketer in der Regel prädiktive Modelle, die das zukünftige Verhalten auf der Grundlage historischer Daten berechnen. Werbetreibende brauchen aber ebenfalls Einblicke in die sogenannte "in-the-moment" Kundenaktivität. Google bezeichnet diese als "Micro-Moments" und berichtet, dass 82 Prozent der Smartphone-Nutzer angeben, dass sie zunächst ihr Handy konsultieren, bevor sie einen Einkauf im Geschäft tätigen. Als Werbetreibender wollen sie natürlich genau in diesem Moment gezielte Werbung und Angebote an den Nutzer ausspielen. Hierbei handelt es sich um einen Schlüsselmoment, den jede Marke nutzen möchte.
Was sind starke Intent-Indikationen?
Neben den „Micro-Momentes“ sollten sich Marketer auf Kanäle und Zielgruppen mit einer hohen Kaufabsicht konzentrieren. „Search“ gehört zu einem der wichtigsten Kanäle, weil der Nutzer aktiv nach etwas sucht und nicht nur aus Neugierde eine Displayanzeige sieht oder anklickt. Die Suche nach einem Produkt muss nicht unbedingt auf Google erfolgen, sondern kann ebenso direkt auf der Seite einer E-Commerce-Plattform geschehen. Dabei ist es wichtig sich die Aktualität und die Häufigkeit der Suche oder Produktseitenaufrufe anzusehen. Wenn ein Nutzer beispielsweise nur einmal in den letzten 60 Tagen nach einem Mercedes auf einem Automarktplatz gesucht hat, hat er vielleicht ein vages Interesse, sucht ein Nutzer aber mindestens fünf Mal in den letzten 30 Tagen nach einem Mercedes, so kann man das als Kaufabsicht werten. Die Zeitspanne einer solchen Suche ist natürlich von Produkt zu Produkt unterschiedlich und sollte bei der Erstellung von Zielgruppen beachtet werden. Für Produkte mit kürzerer Kaufentscheidungsphase (z.B. Fashion, Beauty etc.) sollte eine kürzere Zeitspanne, beispielsweise „dreimal in sieben Tagen gesucht“, gewählt werden.
Die Kaufabsicht kann auch durch die Interaktion auf der Webseite gemessen werden. Stöbert der Nutzer nur oder hat er tatsächlich etwas in seinen Einkaufswagen gelegt? Die Angabe personenbezogener Daten, wie einer E-Mail-Adresse, oder das Ausfüllen von Kontaktformularen kann ebenfalls als wichtiger Indikator für eine Kaufabsicht gesehen werden, weil der Verbraucher freiwillig seine Daten hinterlassen hat.
Wichtig: Demographische Daten ersetzen keine Intent-Daten
Kaufabsichten sollten nicht mit soziodemographischen Daten abgebildet werden. Eine Google-Studie zeigt, dass Werbetreibende, die versuchen ihre Zielgruppe ausschließlich über demografische Daten zu erreichen, Gefahr laufen mehr als 70 Prozent der potenziellen Online-Käufer zu vernachlässigen. So leben beispielsweise 40 Prozent der Käufer von Babyartikeln in Haushalten ohne Kinder. Diese Käufer sind höchstwahrscheinlich Verwandte oder Freunde, die nach Geschenken für Kleinkinder suchen.
Können Sie Ihren Daten vertrauen?
Marketer müssen in der Lage sein, große Datenmengen effektiv zu analysieren und in Echtzeit umsetzbare Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Dennoch sind heutzutage viele Werbetreibende nicht mit ihren eigenen Datenquellen vertraut.
Laut einer US-Studie von Bazaarvoice Advertising und Ad Age aus dem Jahr 2017 sind sich fast zwei Drittel der Werbetreibenden nicht sicher, woher die Daten stammen, die sie in ihren Werbekampagnen verwenden. Drei von vier Werbetreibenden sind sich sogar unsicher, ob die von ihnen verwendeten Daten wirklich Nutzer erreichen, die kurz vor einer Kaufentscheidung stehen. Die Studie ergab auch, dass knapp zwei Drittel der Befragten nicht die Herkunft ihrer Datenquellen kennen. Darüber hinaus weiß fast ein Viertel der Werbetreibenden und Agenturen nicht, wie oft ihre Datenquellen aktualisiert werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Ergebnisse nicht nur in den USA gelten, sondern auch in anderen Märkten viel Unwissen herrscht.
Insbesondere Affiliates können nützliche Partner darstellen, wenn es um die „Micro-Moments“ geht. Sie können nachverfolgen, wann der Nutzer einen Artikel liest oder auf einen Link innerhalb des Artikels klickt, um die Nutzer dann auf die eigene E-Commerce-Seite weiterzuleiten, wo sie hoffentlich einen Kauf tätigen.
Mehr Einblicke, bessere Ergebnisse
Um Kaufabsichten wirklich effektiv zu nutzen, benötigen Marketer mehr Informationen über ihre Nutzer. Zum Beispiel zur Soziodemographie, über die Nutzung von Apps, die Art des Channels (Search, E-Mail) sowie vergangene Kaufdaten, um ein 360-Grad-Bild der Nutzer zu erstellen.
Wir sollten uns nicht länger auf isolierte und veraltete Daten verlassen, die nur eine Dimension des Nutzerverhaltens offenbaren, sondern anfangen, verschiedene Datenpunkte miteinander zu kombinieren, die ganzheitliche und dynamische Verhaltensweisen zusammenfassen. Nur dann können Werbetreibende feststellen, ob es sich um ein wirkliches Kaufinteresse handelt.
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