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PROGRAMMATIC

Das Geschäft mit der Intransparenz im Programmatic Advertising

Christoph Berg, 2. Oktober 2019
Bild: Lucas Favre; CC0 - unsplash.com

Allen Forderungen und Versprechen zum Trotz leidet unsere Branche unter einem Transparenzproblem. Dabei kämpfen wir gegen einen Feind aus dem Inneren – unsere eigene preisliche Intransparenz innerhalb der Wertschöpfungskette. Ein Feind, mit dem sich jedoch gutes Geld verdienen lässt.

„Trust in you“ lautete das Motto der diesjährigen Dmexco. Vertrauen in uns selbst. Ein schwieriges Trend-Mantra, das Dmexco-Chef Dominik Matyka schon im Vorfeld der Messe mit Forderungen belegte, als er festhielt „Agenturen müssen sich zu Transparenz und Offenheit verpflichten“. Eine Forderung, der sich auch die OWM anschloss und von den Ausstellern mehr Transparenz in der digitalen Wertschöpfungskette erbat. Transparenz schafft Vertrauen. Vertrauen seitens des Endverbrauchers, aber vor allem in Richtung der Advertiser, die das gebremste Wachstum der Online Werbewirtschaft bitte neu befeuern sollen. Der Feind schlummert im Inneren, so kann man das Motto also auffassen. Und kaum irgendwo ist dies merklicher, als bei der preislichen Intransparenz, die – oftmals bewusst installiert – der Hemmschuh unserer Suche nach neu gefasstem Vertrauen und auch Aufbruch ist.

Blüte des Preiskampfes

Jede Agentur kann ein Lied vom erbarmungslosen Preiskampf singen, der in Ausschreibungsprozessen stattfindet. In den meisten Fällen – gerade, wenn der Einkauf die finale Entscheidung trifft – bestimmt der Preis der angebotenen Leistung über den Zuschlag. Dabei sollte die Frage doch vielmehr sein, was für das aufgerufene Budget erreicht werden kann. Schließlich ist digitales Advertising nicht vergleichbar mit der Suche nach einem Bauunternehmer, der eine Straße errichtet. Hier hat die Kommune klare Vorgaben und am Ende steht ein klares Ergebnis: Eine Straße von A nach B. Ist die Straße mangelhaft, wird nachgearbeitet. So klar, so einfach. Digitale Endergebnisse sind da weitaus schwieriger vorab planbar. Vor allem, wenn unklar bleibt, was vom Budget des Advertisers letztlich direkt in die Zielerreichung fließt.

Aber ähnlich wie im Straßenbau, gibt es aber auch im digitalen Advertising Subunternehmer innerhalb der Wertschöpfungskette – von Adtech-Dienstleistern bis hin zu Zombie-Satelliten der Agentur-Holdings. Jeder beansprucht einen Teil des Werbeeuros für sich. Doch nicht immer ist es so eindeutig wie der Share, den der Publisher – etwa auf Basis einer Auktion – erhält: Tech Fee, Trading Fee, Intermediary Tax, Markup, Mengenrabatte oder die viel genutzte Bid Reduction, über die eine Agentur ihre Gebühren direkt in das Gebot eintragen lassen kann. Die Verschleierung der wahren Kosten trägt seltsame Blüten. Und am Ende stehen Publisher wie Advertiser blind da. Über die Detailkosten wird im Zweifel gar nicht gesprochen. Der Advertiser weiß nicht, wo was abfällt. Es gibt kein einheitliches Sharemodell, stattdessen läuft es mal über das Netto, mal über Brutto, mal auf das Targeting, mal auf Datendienstleister oder eben über nebulöse Fees. Und so sehen wir zwischen Adserving- und Tech-Targeting-Gebühren heute schon weit mehr als 50 Cent von jedem Euro in zusätzliche Gebühren, statt in die Tasche des Publishers zu fließen.

Die Fassade bröckelt

Klar, Programmatic Advertising beinhaltet nicht nur die Inventarkosten, sondern eine ganze Reihe von Gebühren und Kosten entlang der Wertschöpfungskette für teure Produktentwicklung, Zwischen- und Datenhändler, DMPs oder Research. Und so kommt es, dass der Inventarkauf über Programmatic an sich zwar kosteneffizienter ist, der Weg dahin es aber auch nicht günstiger macht gegenüber traditionellen Kanälen. Zu lange haben wir aber das Image eines kosteneffizienten Kanals gepflegt. Ein Image, dass wir in den letzten Jahren primär über das Verschleiern der tatsächlichen Kosten am Leben gehalten haben. Und solange die Performance am Ende noch einigermaßen stimmt, geht das Konstrukt auf. Der Kampagnenmanager muss halt nur wissen, dass er bei 30% zu berücksichtigender Fees auch 30% höher bieten muss, um die Reichweite noch zu bekommen.

Doch die fragile Fassade der preislichen Intransparenz beginnt zu bröckeln, je mehr mündige Advertiser nachfragen, detaillierte Reportings sehen wollen oder Hoheiten ins eigene Unternehmen holen. Das Inhousing – komplett, in Teilen oder nur im internen Kompetenzaufbau, der erlaubt die richtigen Fragen zu stellen – ist ein Misstrauensvotum der Werbetreibenden gegenüber den Agenturen. Aber natürlich gibt es immer noch diejenigen Unternehmen und Marketer, die in Selbstgefälligkeit nicht nachfragen. Und es sind eben diese, die wahrscheinlich die höchsten Kosten tragen. Die Werbewelt ist komplexer geworden und tief im Inneren wollen die meisten Marketer noch immer in einer Welt leben, die weniger komplex ist. Sie wollen vertrauen, doch es fällt selbst ihnen zunehmend schwer.

Gerechtfertigte Kosten

Eine Agentur darf nie ein Problem damit haben, wenn die Kunden smarter werden und anfangen Fragen zu stellen. Wenn dadurch das eigene Geschäftsmodell in Gefahr gerät, dann ist etwas gehörig schiefgelaufen. Wird ein Honorar auf Basis eines Shares angeboten, dann muss der Werbekunde ganz genau wissen, welcher Datenanbieter was verlangt, welcher Targeting-Dienstleister was verdient und was am Ende bei der Agentur hängen bleibt. Das muss Standard sein. Nur wenn der Kunde alles versteht, kann er uns vertrauen.

Viele Agenturen haben mittlerweile eigene Produkte über das Programmatic Advertising geschnürt. Das spezielle Werbemittel, was ich draufsetze und mit dem Publisher abgestimmt habe. Die unterschiedlichen Dienstleister, die zum Zuge kommen. Die fähigen Mitarbeiter, die das Beste für den Werbeeuro rausholen. Was oder wer auch immer entlang der Wertschöpfungskette zum Einsatz kommt, muss ein Mehrwert oder eine bessere Performance für den Advertiser bieten. Um nichts anderes geht es. Und ein gutes Gesamtprodukt kann man auch in aller Offenheit und Klarheit verkaufen; und das transparent!

Bild Christoph Berg Über den Autor/die Autorin:

Christoph Berg ist Co-Gründer und Geschäftsführer von MINT Square, einer Strategie- und Technologieberatung für datengetriebenes Marketing. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Marketing- und Vertriebserfahrung und berät Werbungtreibende auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung im Online Marketing.

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