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Paywalls und KI im deutschen Journalismus – die eierlegende Wollmilchsau

Anton Priebe, 12. September 2019
Bild: Jens Johnsson - Unsplash, CC0

Viele Publisher im Journalismus versuchen sich mit Paywalls über Wasser zu halten, da die Produktion von hochwertigem Content nicht mehr über Werbung zu finanzieren ist. Die New York Times gilt hierbei als internationales Vorbild, da die Publikation schon seit Jahren effizient Abos generiert und die digitale Transformation als eine der ersten eingeleitet hat. In Deutschland ist der Springer-Verlag als Vorreiter des Abomodells zu nennen (Bild Plus sowie Welt Plus), mittlerweile ist jedoch eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen nachgezogen. So existieren beispielsweise Plus-Varianten von der FAZ, dem Spiegel oder der Süddeutschen. Eine Umfrage von Nextmedia.Hamburg versuchte nun zu ergründen, wie es um die Zahlungsbereitschaft der Deutschen in diesem Bereich steht und ob die Öffentlichkeit Künstliche Intelligenz als einen Ausweg aus der Finanzierungsnot des Journalismus ansieht.

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: 49 Prozent der Befragten möchte kein Geld für journalistische Angebote ausgeben, ob analog oder digital. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass über die Hälfte zahlen würde – was ein gutes Zeichen ist. Insbesondere die 19- bis 29-Jährigen – die bei Publishern oftmals als “Generation kostenlos” verschriene Zielgruppe, die im Bewusstsein aufgewachsen ist, dass im Internet alles umsonst ist – kann mit 62 Prozent als gutes Ergebnis gelten. Interessanterweise sinkt die Zahlungsbereitschaft in der Generation 50 Plus (42 Prozent). Diese Beobachtungen decken sich nahezu mit einer im Frühjahr durchgeführten Studie von PWC und sind wahrscheinlich auf die fehlende Berührung mit Online-Bezahlmethoden zurückzuführen.

Die Krux besteht jedoch in der Höhe der Ausgaben, welche die Befragten in Journalismus investieren würden: Nur jeder zehnte wäre bereit mehr als 15 Euro im Monat auszugeben. Das ist ein Problem, denn während die Bild zum Beispiel rein digital bei 7,99 Euro im Monat liegt, kostet der Spiegel schon 19,99 und für ein SZ Plus-Abo muss der Leser sogar 36,99 Euro monatlich einplanen.

Künstliche Intelligenz als Rettung für den Journalismus?

Eng verwoben mit der Diskussion um die Finanzierung des Journalismus ist die Debatte um Künstliche Intelligenz (KI). Denn falls Redakteure zu teuer werden, müssen die Texte eben von der Maschine verfasst werden – so die vielerorts getroffene Schlussfolgerung. Das Gegenargument, wie kreativ eine Maschine denn überhaupt sein und ob sie journalistische Arbeit ersetzen kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Die Studie von Nextmedia.Hamburg untersuchte also dahingehend auch die Akzeptanz von KI in der Bevölkerung.

Dabei zeigte sich, dass 41 Prozent lieber einen kostenlosen, maschinell produzierten Artikel lesen würden als einen Text, für den sie in die Tasche greifen müssten, da er von einem ausgebildeten Journalisten geschrieben wurde. Hier wird jedoch zwischen verschiedenen Textgattungen unterschieden. So wird einer KI nicht zugetraut politische Berichte zu verfassen (nur 13 Prozent würden einen solchen lesen), Verkehrs- oder Wetternachrichten finden schon breitere Akzeptanz (51 bzw. 63 Prozent). Viele Redaktionen arbeiten indes bereits mit Programmen, die Schablonen für Wetternachrichten oder Sportereignisse mit Daten füttern. Noch ist eh keine KI so weit Artikel zu recherchieren, geschweige denn ansprechend lesbar zu gestalten. Interessant ist jedoch die geringe Anzahl der KI-Verweigerer: Lediglich 16 Prozent würden keinen maschinell produzierten Artikel lesen, sondern zögen es vor zu zahlen.

Im Kontrast zu diesen Aussagen hält über die Hälfte der Befragten (57 Prozent) automatisiert erstellte Inhalte für unglaubwürdig. Warum? Eine KI kann nicht für ihre Inhalte verantwortlich gemacht werden (62 Prozent). Allerdings traut sich kaum einer das Erkennen eines solchen KI-Textes zu. Die Hälfte zweifelt, ob sie den Unterschied ausmachen könnten (“weiß nicht”), ein Viertel spricht sich klar dagegen aus.

Die Quintessenz dieses Studienabschnitts: Die Deutschen möchten zum großen Teil kein Geld für Journalismus ausgeben, sondern lieber eine KI kostenlos texten lassen, deren Artikel sie aber mehrheitlich für unglaubwürdig halten. Das Ergebnis dieses Meinungsbilds bleibt mehr als fragwürdig.

Weitere akzeptierte Anwendungsgebiete von KI

Die Analyse versuchte darüber hinaus zu ergründen, in welchen Anwendungsbereichen eine KI in den Augen der Befragten in Ordnung wäre. Bizarrerweise sprach sich über ein Viertel (28 Prozent) dafür aus, dass der Tagesschausprecher durch eine Maschine ersetzt werden dürfe – mit Blick auf die zuvor erfragte Glaubwürdigkeit ein unerwartetes Ergebnis.

Der Spitzenreiter für Anwendungsszenarien Künstlicher Intelligenz ist die Filterung der digitalen Werbeangebote. Knapp die Hälfte kann sich diese Option der Personalisierung vorstellen. Auch die Nachrichtenseiten dürfte eine KI für die Hälfte der Befragten personalisieren, die Diskussionen um Filterblasen scheinen vergessen. Dass im Netz ohnehin bereits Algorithmen bei der Werbeauslieferung und der Erstellung von Seiten beteiligt sind, scheint den wenigsten bewusst zu sein. Leider hat die Studie nicht nach dem Datensammeln zur Personalisierung gefragt – da hört das Verständnis sicherlich wieder auf.