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DMEXCO

Mehr Fragen als Antworten – Die Branche steckt fest auf der Dmexco 2019

Frank Puscher, 17. September 2019
Bild: Koelnmesse Bild: Koelnmesse

Die diesjährige Dmexco adressierte ganz große Fragen wie Ethik der KI, Vertrauen in Marken oder Transparenz in Märkten. Aber Antworten darauf gab es kaum. Die Fronten sind verhärtet, auch und vor allem im Advertising.

Der digitale Werbemarkt wächst um zehn Prozent, sagt der BVDW. Das ist schön. Weniger schön ist, das nach wie vor Google und Facebook davon am meisten profitieren. In der deutschen Digitallandschaft jagt gerade eine große Kooperation die nächste, aber gleichzeitig arbeiten die Kooperationspartner mit Hochdruck an ihren eigenen, teils proprietären Lösungen. Und wenn es für den Advertiser und seine Agenturen zu komplex wird, dann liegt der Weg zu den GAFA eben nahe, auch wenn da von der vielfach beschworenen Transparenz nicht sonderlich viel übrig bleibt. Die Branche steckt fest. Sinnbildlich die Aussage von Max Conze, Chef von ProSiebenSat.1: „7Pass steht nicht in Konkurrenz zu NetID, das baut aufeinander auf“. Man wird sehen. Stand heute wird 7Pass beim Login zum Beispiel auf Verivox angeboten, NetID nicht.

Es ist vielleicht die umfassendste Erkenntnis der diesjährigen Dmexco, dass im Großen und Ganzen die gleichen Fragen erörtert wurden, wie schon im letzten Jahr. Einige Experten sahen „Cookies“ als wichtigsten Trend, beziehungsweise die Abwesenheit derselbigen. Die Verfeinerung von Fingerprinting war somit ein wichtiges Thema und die Erzeugung von geräteübergreifenden Datenprofilen. Und mitten in dieser Debatte stellt sich Googles Europachef Matt Brittin hin und sagt: „Wir können mehr tun mit weniger (personenbezogenen) Daten“.

Da ist er, der Fehdehandschuh. Und er liegt in einem Minenfeld. Brittin weiß nur zu gut, dass vor allem die Öffentlichkeit, die Politik und der Datenschutz genau das hören wollen. Es klingt demütig. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Aussage als das Muskelspiel eines Oligopolisten, denn nur Google, Facebook und mit Abstrichen Amazon haben einen so starken Fußabdruck im Markt, dass sie aus dem reinen Nutzerverhalten ein präzises Targeting ableiten können. Der Kontext ersetzt das Profil. Und wenn das gelingt, vergrößert sich der Abstand zwischen Google und dem Rest der Publishing-Welt weiter.

Kann sich Qualität durchsetzen?

„Wir gehen den Weg des Machbaren. Wer mitmachen will, kann das tun“, sagt Jens Bargmann, der Geschäftsführer von Mediamath. Er will die DSP auf Qualität trimmen und radikal die Publisher und SSPs aussortieren, die nicht genug Transparenz oder wenn doch, dann eben nachweisbar zu schlechten Traffic liefern.

Kann das klappen? Reagieren die Advertiser auf ein solches Gütesiegel? Bislang hat es noch nicht den Anschein, denn dem BVDW rennen die Marktteilnehmer bislang nicht die Bude ein, wenn es um das Transparenz-Zertifikat Programmatic geht. Und genau damit sollte dem Markt ja Qualitätsarbeit nachgewiesen werden. Bargmann selbst legt die Messlatte daher auch erstmal niedrig: „Es gibt zu viele Budgets da draußen, die nach anderen Kriterien verteilt werden“. Und das zementiert den Status Quo, schwingt zwischen den Zeilen mit.

Auch Julian Simons kann es nicht mehr hören. Der Mediascale-Chef diskutierte mit Arne Kirchem, dem Chef-Einkäufer von Unilvever und OWM-Vorstand, gleich an beiden Messetagen über Fraud. „Jeder, der sein Budget in intransparente Kanäle gibt, macht damit das ‘Geschäftsfeld’ Ad-Fraud lukrativer“, so Simons.

Ob Arne Kirchem diesen Satz als direkten Seitenhieb empfunden hat, bleibt sein Geheimnis. Auf jeden Fall antwortete er ausweichend auf die Frage von AGOF-Chef Björn Kaspring, ob er bereit sei, auf Google und Facebook zu verzichten, um die von Kirchem selbst eingeforderte bessere Transparenz zu erhalten. Und auch Simons kostet dieser radikale Ansatz zu viel: „Wir haben das evaluiert und uns dagegen entschieden“.

Was Kirchem allerdings vehement einfordert, und das seit Jahren, ist, dass die Media-Agenturen, Vermarkter und Publisher endlich ihre Hausaufgaben machen sollen und den Traffic um Fraud bereinigen. „Wir können doch auch nicht zwanzig Prozent von einer Palette runter nehmen und dem Handel trotzdem die gesamte Palette berechnen“, so seine Analogie. Simons antwortet, dass das nur geht, wenn die Advertiser bereit sind, mehr Geld in die Qualitätssicherung zu stecken. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Audio kommt langsam, AR deutlich schneller

Ein ganz ähnliches Bild zeigte sich auch bei einer Podiumsdiskussion zur Frage, wieviel Audio-Branding und Audio-Marketing eine Marke heute schon braucht. RMS-Chef Frank Bachér wundert sich, dass BMW erst 2019 überhaupt auf die Idee kommt, ein eigenes Audio-Logo haben zu wollen: „Audio wird in vielen Marketing-Abteilungen outgesourct oder stiefmütterlich behandelt“.

Adam Skalak, der Global Head of Search bei Nestlé, gibt ihm die Antwort, warum das so sei: „Was uns davon abhält mehr zu investieren ist, dass wir noch nicht genau sehen, wie sich Voice Marketing in Geschäftserfolg übersetzt“. Auch Spotify-Chef Sven Bieber gibt zu, dass man in Sachen Audio-Advertising noch recht am Anfang sei und derzeit erste Experimente probiert. Und dann sekundiert Bachér schließlich auch: „Das stimmt, Marken richten derzeit viel Aufmerksamkeit auf eigene Podcasts und weniger auf Advertising“. Das ist ziemlich der gleiche Stand wie im Sommer 2018.

Aber es gab auch einen großen Lichtblick aus technischer Sicht auf der Dmexco 2019 und der heißt Augmented Reality. Angetrieben durch die Erfolge von Snapchat – Kreativchef Jeff Miller präsentierte ein Füllhorn von spannenden Kampagnen auf der Hauptbühne – zeigten vor allem einige der kleineren Unternehmen im neu eingerichteten Startup-Gelände, dem Future Park, Ideen und Lösungen, die das Kamerabild des Smartphones mit Digitalinhalten anreichern.

So realisierte die Kölner Videoschmiede Make-C für Haribo einen interaktiven, animierten Show-Truck. Und das Hamburger Startup Visarity baut AR und VR gleich ins Banner ein. Dafür gibt es sogar eine Authoring-Software namens Primo.

Fazit

Die Dmexco-Topacts auf der Hauptbühne im Kongress blieben weitgehend vorhersehbar. Das Thema „Vertrauen“ lässt sich nicht auf 30 Minuten herunterbrechen. Da hätte es etwas mehr Zuspitzung in der Diskussion bedurft. Und dass Wikipedia-Gründer Jimmy Wales sich Sorgen um den Journalismus macht, ist ebenso wenig eine Überraschung, wie dass Charlotte Roche die neue Intimität von Podcasts liegt.

Das macht aber nichts, denn der Kongress ist inzwischen so groß geworden und bietet ein so gutes Preis-Leistungsverhältnis, dass sich jeder dort wiederfindet. Auf der Messe selbst war es vor allem am Donnerstag spürbar ruhiger, obwohl die Kölnmesse verkündet, man habe die magische Marke von 40.000 Besuchern geknackt. Aber auch das macht nichts, da man doch mehr Zeit für intensive Gespräche hatte.

Alle Innovationen der Dmexco konnten weitgehend überzeugen. Das neue Wegeleitsystem auf den riesigen Samsung-Monitoren, die auch für die Promotion von Inhalten genutzt wurden, überzeugte ebenso wie die Demo-Arena, auf der Software im Einsatz gezeigt wurde, und die fast immer gut besucht war. Nur die neue App muss im Netz einiges an Kritik aushalten: Bewertungsdurchschnitte von 2,5 (iOs) und 1,7 (Android) zeigen noch Luft nach oben.

Selbst wenn die Dmexco mehr Fragen aufwarf, als sie Antworten parat hatte, so ist der Termin für nächstes Jahr ein Muss. Vielleicht finden wir dann mehr Antworten.