"Wenn ich heute nur auf Instream setze, dann verliere ich 45 Prozent aller Nutzer"
Anton Priebe, 23. August 2019Das Inventar für Video Advertising im Netz ist knapp, guter Bewegtbild-Content ist begrenzt und Instream-Werbung daher verhältnismäßig teuer. Outstream bietet hier eine alternative Lösung, indem Inventar im redaktionellen Content geschaffen wird. Nicolas Poppitz, Managing Director Germany von Teads, erklärt im Interview, wann sich Werbetreibende für Outstream statt für Instream entscheiden sollten, wie Storytelling mit Instream funktioniert und welche Rolle Viewability im Video Advertising spielt.
ADZINE: Hallo Herr Poppitz, bei Video Advertising denken viele wahrscheinlich in erster Linie an Google bzw. Youtube und Facebook. Wie groß ist der Markt abseits der GAFAs, insbesondere in Deutschland?
Nicolas Poppitz: Dafür gibt es leider kaum belastbare Zahlen. Das IAB Europe spricht von einem Digital Ad Spend für Video von 636 Millionen Euro für 2018 in Deutschland. Umsatzseitig holen sich Youtube und Facebook circa 70 Prozent vom Markt, also bleiben etwa 190 Millionen für andere Player übrig.
Reichweitentechnisch sieht das aber anders aus. Auch wenn hier wieder kaum vernünftige Quellen vorliegen, verkündet Facebook 30 Millionen aktive deutsche User, bei YouTube sind es 32 Millionen. Die Reichweite von Teads alleine beträgt jedoch nahezu das Doppelte: 56 Millionen Nutzer in Deutschland.
ADZINE: Teads ist als “Erfinder des Outstream-Formats” bekannt. Wie schaffen Sie es, Werbetreibende von Outstream im Gegensatz zu Instream zu überzeugen? Was sind die Argumente dafür? Und wann sollte man lieber auf Instream zurückgreifen?
Poppitz: Das Instream-Format gibt es etwa seit 2010. Es übersetzt die TV-Denke relativ platt ins Digitale. Heute muss jeder User, der Video online konsumiert, damit rechnen mindestens einmal am Tag mit dem Format in Berührung zu kommen. Dabei ist es egal, ob der Inhalt für ihn relevant ist oder nicht und im Zweifel muss er den Spot bis zum Ende durchschauen. Das macht es zu einem nervigen Werbeformat. Bei Outstream hingegen stehen Themen wie Viewability und Completed Views an erster Stelle. Die Nutzer gucken sich einen Werbespot freiwillig bis zum Ende an – nichts hält die User davon ab, einfach weiterzuscrollen.
Außerdem sind die Reichweiten bei Instream begrenzt, weil ich im Premium-Umfeld nur dort Werbung schalten kann, wo Video-Content bereits vorhanden ist. Dessen Produktion ist aber teuer. Die Reichweite ist gegenüber der Nachfrage in den vergangenen Jahren daher nicht wirklich gestiegen. Reichweite gibt es für Instream eher im User Generated Content-Umfeld wie Youtube oder Facebook und nicht im Premium-Segment. Wenn ich heute in einer generischen Zielgruppe nur auf Instream setze, dann verliere ich 45 Prozent aller Nutzer, die sich eben nicht in diesem Umfeld bewegen. Deswegen gilt es die Menschen im redaktionellen Umfeld zu erreichen. Andere Punkte sind Brand Safety und Bot-Traffic, die bei Instream nicht wirklich kontrollierbar sind, bei Outstream jedoch schon.
Ich kann für Instream allein also keine Lanze brechen, nur für die Kombination der beiden Formate. Heutzutage muss man Instream und Outstream im Mix testen und austarieren, was für einen selbst die besten Ergebnisse bringt.
ADZINE: Im Gegensatz zum TV sind die Spots online in der Regel kürzer und anders aufgebaut. Welchen Tipp können Sie Advertisern an die Hand geben, um ihre Geschichte trotzdem im digitalen Spot zu erzählen?
Poppitz: Wir empfehlen mit Blick auf das Storytelling einen Full-Funnel-Ansatz. Wenn beispielsweise fünf Kontakte mit der Zielgruppe gewünscht sind, sollte man nicht fünfmal den gleichen Spot zeigen. Wir überlegen dann, wie man den Nutzer, der bereits zweimal Kontakt mit dem Spot hatte, mit einem anderen Werbemittel ansprechen kann. Das muss nicht unbedingt ein Video sein, sondern kann auch mit einem Display-Format gelöst werden.
ADZINE: Welche Daten muss ich als Werbetreibender mitbringen, damit ich meine Zielgruppe effektiv erreiche, und wo bekomme ich die her?
Poppitz: Als Werbetreibender muss ich eigentlich gar keine Daten mitbringen, da so gut wie jeder Vermarkter mit einem Targeting-Anbieter zusammenarbeitet. Wir selbst stellen auch Daten zur Verfügung. Beispielsweise wissen wir, welcher Nutzer sich in den letzten zehn Tagen überdurchschnittlich für Autos interessiert hat – was für einen baldigen Autokauf sprechen kann.
ADZINE: ...das bedeutet, Sie bauen eigene Segmente und bieten sie den Werbetreibenden an?
Poppitz: Richtig. Die kann man auch in Kombination verwenden, also Daten der Kunden mit unseren anreichern und sich noch welche dazukaufen.
ADZINE: Wie groß ist denn Ihr Pool, aus dem Sie schöpfen können?
Poppitz: Wir haben weltweit feste Datenpartner mit nahezu unendlichen Ressourcen. Alleine unser eigener Pool speist sich aus Kontakten zu monatlich 1,5 Milliarden Unique Usern. Die Daten nutzen wir, um eigene Cluster oder Personas zu bilden. Diese basieren zum Beispiel auf soziodemographischen Daten oder der Wahrscheinlichkeit, dass der User scrollt, was die aktuelle Interessenlage ist und so weiter. Lokal ist sehr viel möglich und ich kann extrem granular in Zielgruppen reingehen. Die Frage ist nur, wie sinnvoll das ist, weil irgendwann nur noch drei Leute in Frage kommen, die alle Attribute aufweisen.
ADZINE: Zum Abschluss noch ein sehr kontroverses Thema. Teads hat kürzlich verkündet, dass Advertiser künftig selbst auswählen können, welche Viewability-Kriterien sie bei einer Kampagne zugrunde legen möchten. Wieso glauben Sie, dass dies der richtige Weg ist? Ist ein Standard undenkbar? Wenn ja, warum ist das so?
Poppitz: Das ist ein großes Politikum, vor allem in Deutschland. Letztlich geht es um Sichtbarkeit und Kontaktchancen und darum, was ich bereit bin dafür zu zahlen. Wir haben in Deutschland keinen offiziellen Standard, weil Vieles nicht standardmäßig messbar ist. Da kommen wir in die technische Ecke mit VAST, VPAID et cetera. Viele Videos starten im Hintergrund in einem anderen Tab und werden als gesehen verkauft. Wir sagen jedoch: Wenn etwas nicht im sichtbaren Bereich abgelaufen ist, dann ist das auch nichts wert. Daher geben wir eine Viewability-Garantie.
Die MRC-Vorgaben hingegen sind 50/2 für Video, also 50 Prozent des Werbemittels im sichtbaren Bereich für zwei Sekunden, beziehungsweise 50/1 im Display. Das wird niemals ausreichen, damit ein Nutzer erkennen kann, was dort beworben wird. Dieser Standard ist aber nunmal der kleinste gemeinsame Nenner.
Wir haben aber Kunden aus dem FMCG-Bereich mit eigenen Vorgaben. Die haben zum Beispiel mithilfe der Marktforschung herausgefunden, dass 70 Prozent des Spots für sechs Sekunden im sichtbaren Bereich ausreichen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Was danach passiert, ist denen relativ egal. Wo können sie dieses Abrechnungsmodell also buchen? Im Zweifel können die Partner erst nach der Schaltung sagen, wie viel davon so gelaufen ist und das dann entsprechend abrechnen. Das macht aber kein Vermarkter.
Daher sind wir sind dazu übergangen, den Kunden die Möglichkeit zu bieten, das selbst auszuwählen. Je mehr Viewability du brauchst, desto teurer wird es aber natürlich.
ADZINE: Herr Poppitz, vielen Dank für das Gespräch.
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