Offline-CRM-Daten für digitale Werbung nutzbar machen
Anton Priebe, 29. August 2019Viele Unternehmen sitzen auf wertvollen Kundendaten, ohne zu wissen, wie sie diese ins Digitale übersetzen können. Oftmals fehlt es an einer Brücke, um Offline-Daten wie E-Mail-Adressen kanalübergreifend im Online Marketing zu verwenden. Zeotap bietet eine Datenplattform, die exakt das anbietet, und die vorhandenen Informationen durch weitere verfügbare, beispielsweise soziodemografische, Attribute anreichert. So werden aus einzelnen E-Mail-Adressen oder Telefonnummern relevante Segmente fürs Marketing gebildet. Im Interview erläutert Stefan Blumenthal, Country Manager DACH von Zeotap, wie genau das funktioniert.
ADZINE: Hallo Stefan, eine Datenplattform klingt zunächst nach einem sehr abstrakten Produkt. Erkläre Zeotap doch bitte einmal in ein bis zwei Sätzen.
Stefan Blumenthal: Ein Satz wird schwierig, aber ich versuche es. Wir bieten eine voll integrierte Identity- und Daten-Lösung an, um Brands zu helfen, ihre eigenen Kunden besser zu verstehen, ihre Offline-Daten mit Online-Identifiern zu matchen – also ihre CRM-Daten in die digitale Welt zu übersetzen – und mit weiteren Informationen pro Kunde anzureichern. Werbetreibende können so die richtigen Zielgruppen für Programmatic Advertising oder in Social Media aktivieren, um Neukunden zu akquirieren, Churn zu verhindern und am Ende den Marketing ROI zu steigern.
ADZINE: Das hat doch wunderbar geklappt. Aber wie genau matcht ihr offline – also E-Mail-Adressen und Telefonnummern – mit online IDs, also Cookies, Device- oder Mobile-Ad-IDs? Und was macht ihr dann damit?
Blumenthal: Wir haben einen so genannten People Graph, sprich eine Datenbank, aufgebaut, die es uns ermöglicht, verschiedene Kennungen und weitere Merkmale eines Nutzers miteinander zu verknüpfen. Wir arbeiten mittlerweile mit 80 verifizierten Datenpartnern global, darunter befinden sich zehn Telekommunikationsanbieter, diverse E-Commerce-Plattformen und andere Dienstleister, um diesen People Graph mit Daten zu speisen. Einige dieser Partner liefern uns so genannte Identity Links, also Matches einer gehashten E-Mail-Adresse oder Telefonnummer mit einer Device ID oder einem Cookie, andere weitere Informationen zur Soziodemographie und zu Kaufabsichten eines Nutzers. Wir arbeiten auch mit App-SDKs zusammen, die uns beispielsweise App-Nutzungsdaten übermitteln. Die Matchingrate von Offline- zu Online-Daten liegt in Europa bei 30 bis 50 Prozent.
Insgesamt bieten wir vier große Datentypen an: Identity-Daten, also zum Beispiel der Link von E-Mail und Device-ID, soziodemographische Daten, die wir gegen Nielsen testen, App-Nutzungsdaten, aus denen wir Interessen ableiten können, sowie Kaufabsichtsdaten, etwa aus den Bereichen Travel, Fashion oder Automotive. Dazu gehören auch Events wie Produkte in den Warenkorb legen oder Ähnliches.
Wir bieten unseren Kunden erstens das Matching seiner CRM-Daten, also die Identifikation des Nutzers in der digitalen Welt, an, zweitens die Generierung von Insights, also die Anreicherung mit weiteren Daten, und drittens die Bildung von Lookalikes. Die Targeting-Segmente kann der Werbetreibende dann direkt in allen relevanten Marketing-Plattformen – Social, Programmatic et cetera – aktivieren.
ADZINE: Die Namen eurer Partner wollt ihr ungern publik machen und diejenigen wollen sie wahrscheinlich auch nicht lesen. Aber gib uns mal eine Hausnummer – wie viele Telkos in Deutschland arbeiten mit euch zusammen?
Blumenthal: In Deutschland leider keine, denn es gibt immer noch datenschutzrechtliche Herausforderungen. Wir unterstützen die Telkos aber dabei Lösungen zu finden. Wir arbeiten nur mit Partnern zusammen, die über einen expliziten Consent verfügen, um Daten für zielgerichtetes Marketing zu nutzen und an Dritte weiterzugeben. Das ist leider bei Telkos – auch bei denen, mit denen wir international bereits zusammenarbeiten – in Deutschland noch nicht gegeben. Wir haben jedoch andere große Partner aus dem Retail, E-Commerce- und App-Usage-Bereich vor Ort.
Kundenseitig arbeiten wir mit den größten Mediaagenturen zusammen und haben darüber hinaus beispielsweise auch globale Verträge mit Brands aus den Bereichen FMCG, Automotive und Finance. Immer mehr Marken suchen die direkte Zusammenarbeit mit uns.
ADZINE: Ihr sprecht von vier Milliarden Nutzerprofilen, die ihr inzwischen auf der Plattform angesammelt habt. Wie viele Personen sind das und wie viele könnt ihr in Deutschland matchen?
Blumenthal: Vier Milliarden Nutzerprofile meint die Geräte. Eine Person hat im Schnitt drei Nutzerprofile, die sich beispielsweise aus Firmenhandy, Privathandy, Desktop-PC, Laptop oder Tablet speisen. Also muss man die Anzahl der Nutzerprofile mindestens durch drei teilen und landet bei gut einer Milliarde Personen. In Deutschland können wir auf 70 Millionen Nutzerprofile zugreifen. Zu jedem Profil kennen wir aber bis zu 100 verknüpfte Attribute.
ADZINE: Was wisst ihr denn über die Konsumenten? Welche Targeting-Möglichkeiten habe ich als Advertiser konkret?
Blumenthal: Wir bieten verifizierte soziodemographische Daten zu Alter und Geschlecht oder die Kombination daraus an. Darüber hinaus findet man bei uns App-Nutzungs- und Kaufabsichtsdaten, die wir sehr stark personalisieren können. Wir sind also in der Lage, aus einem Briefing oder einer Persona, beispielsweise auf Nachhaltigkeit, eine Zielgruppe zu bauen. Dieses spezielle Segment könnten wir etwa anhand der Nutzung von Health-, Fitness, oder Yoga-Apps oder Apps für veganes Essen kreieren. Dort könnten auch Personen reinfallen, die nach regenerativen Energien suchen oder sich für Outdoor-Sport interessieren. Ein anderes Beispiel wären junge Familien. Hier könnten wir nach Nutzern von Babyphone-Apps Ausschau halten oder die Kaufabsichten der User in Richtung Babykleidung untersuchen.
Wir haben aber auch rund 100 Standardsegmente, wie Travel-Interest, die wir in allen gängigen DSPs, Google, Appnexus, The Trade Desk et cetera, anbieten.
ADZINE: Wann sollte ich meine eigenen CRM-Daten veredeln und wann reichen sie zum Werben aus? Was sind die Indikatoren dafür?
Blumenthal: Es gibt zwei Ansätze. Jeder Advertiser und jede Agentur kann zu uns kommen mit dem Wunsch eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen und wir liefern dann Segmente fürs Targeting.
Dieser Ansatz hilft aber weniger dabei seine Kunden wirklich zu verstehen und basierend auf verlässlichen Daten fundierte Entscheidungen zu treffen. Deshalb empfehle ich dringend mehr mit den eigenen First-Party-Daten zu arbeiten, mehr Identifier und Informationen pro Kunde zu sammeln und basierend darauf Marketing-Entscheidungen zu treffen, um am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen.
Dieser Ansatz fängt also weiter vorne an. Da helfen wir einer Brand ihre CRM-Daten für digitales Marketing nutzbar zu machen und interne Analysemodelle und DMPs anzureichern. Dabei gehen wir von einer kritischen Menge von mindestens einer sechsstelligen Zahl an E-Mail-Adressen oder Cookies beziehungsweise Mobile-Ad-IDs aus, die bei uns hochgeladen werden, um Insights und Lookalikes zu liefern.
ADZINE: Ihr wart lange Zeit nicht in eurem Heimatmarkt Deutschland aktiv, dem “Land der Datenschützer”. Wie ist es dazu gekommen, dass ihr hier nun doch operiert? Hat das etwas mit der DSVGO zu tun?
Blumenthal: Wir haben viel in Technologie und Datenpartnerschaften investiert. In anderen Ländern waren die Hürden einfach nicht so hoch und die Partner mutiger. Wir sind in Spanien und Italien sehr erfolgreich gestartet und danach in die USA und Indien expandiert. In Deutschland haben wir erst nach der DSGVO angefangen und dank guter Vorbereitung und diverser Zertifikate keinen Datenpartner verloren. Heute betreiben wir weltweit acht Büros, verteilt auf drei Kontinente.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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