KI in Search – Was steckt hinter Googles neuem Fullistic-Ansatz?
Anja Heinrich, 21. August 2019Fullistic Setup, Automation Approach oder Holistic Automation. Das Kind hat, wie so oft im digitalen Marketing, gleich mehrere Namen. „Fullistic“ ist eine Wortkreation aus „Full“ und „Holistic“ und meint die ganzheitliche Automatisierung von Kampagnen im Search Marketing. Doch wie genau funktioniert das und wie verändert es die Suchmaschinenwerbung?
Ist der fullistische Ansatz ein magischer Hebel?
Leider nicht – Googles fullistischer Ansatz ist kein Hebel, den man nur umlegen muss, um all seine Kampagnen wie von Geisterhand zum Erfolg zu führen. Es handelt sich vielmehr um einen Überbegriff für den kombinierten Einsatz der intelligenten und lernenden Google-Features, die es bereits seit einiger Zeit gibt. Die durch Google vorangetriebene Prägung des Fullistic-Begriffs soll die zunehmend datengetriebene und automatisierte Ausrichtung von Google Ads zum Ausdruck bringen, die sich an verschiedenen Stellen im Google Ads-Kosmos zeigt. Bei richtigem Einsatz der Features können einige Aufgaben automatisiert und die Kampagnenergebnisse unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verbessert werden.
Konkret können wir drei Bereiche ausmachen, in denen KI und Automatisierung bereits eine zentrale Rolle im Search Marketing spielen: Die intelligente Gebotssteuerung, datengetriebene Zielgruppen und automatisierte Anzeigenformate. Wir möchten im Folgenden beschreiben, was hinter den einzelnen Features steckt und wie sie das Suchmaschinenmarketing in ihrem Zusammenspiel als fullistischer Ansatz verändern.
Intelligente Gebotssteuerung über Smart Bidding
Das „Smart Bidding“ ist eine automatische Gebotsstrategie von Google, mit der Gebote bei jeder Auktion durch maschinelles Lernen hinsichtlich vorgegebener Ziele optimiert und gesteuert werden. Laut Google werden Millionen von Signalen bei der Gebotsabgabe berücksichtigt. So werden beispielsweise Informationen über das Endgerät, den Ort, Browser oder Wochentag im Moment einer Suchanfrage herangezogen, um die Kaufwahrscheinlichkeit eines bestimmten Users zu berechnen. Besonders hilfreich sind die exklusiven Google-Signale wie die Suchanfrage eines Users. Wird die Conversion-Wahrscheinlichkeit durch den lernenden Algorithmus als hoch eingeschätzt, werden die Gebote automatisch angehoben, bei einer geringen Wahrscheinlichkeit wiederum gesenkt.
Einsatz von datengetriebenen Zielgruppen im Search Marketing
Google bietet uns attraktive Zielgruppen, die wir mehr oder weniger per Mausklick in Google Ads auswählen können. Die Segmentierung der User erfolgt auf Basis ihres Online-Verhaltens. Im Search Marketing stehen uns drei Zielgruppentypen zur Verfügung, die Teil des Fullistic-Ansatzes sind.
Die „Kaufbereite Zielgruppen“ sind ein Sammelbecken mit Personen, die sich momentan sehr intensiv mit einem Thema beschäftigen, dazu recherchieren und vermutlich kurz vor einem Kauf stehen. Das können zum Beispiel junge Männer sein, die planen ein Auto zu kaufen. Google bietet bereits über 500 kaufbereite Zielgruppen an, die Themen reichen von gebrauchten Kompaktwagen über Spielekonsolen bis hin zu Reisen nach Amsterdam.
Über die vier demografischen Standards (Alter, Geschlecht, Elternstatus und Haushaltseinkommen) hinaus gibt es bei Google die Zielgruppeneinstellung „detaillierte demografischen Merkmale“ (detailed demographics). Dort können wir noch genauere demografische Bedingungen an unsere Zielgruppe stellen, zum Beispiel den höchsten Bildungsabschluss, das Alter der Kinder von Personen mit Elternstatus oder den Wohneigentumsstatus. Anhand dieser Daten kann ein Anbieter für Immobilienkredite beispielsweise junge Familien selektieren, die noch kein Hauseigentum besitzen und über ausreichend Einkommen für einen Hauskauf verfügen.
Mit Remarketing-Listen im Search lassen sich Kampagnen für User anpassen, die bereits ein konkretes Online-Verhalten an den Tag gelegt haben. Gebote können beispielsweise erhöht oder Anzeigen angepasst werden, wenn ein Nutzer die Website eines Unternehmens bereits besucht hat und anschließend eine bestimmte Suchanfrage stellt.
Automatisierte Anzeigenformate für dynamischen Content
Während Smart Bidding als Gebotsmanagement und die Zielgruppen als Ausrichtungsinstrument die Ausspielung von Werbung steuern, widmen sich einige Funktionen der automatisierten Kreation von Werbemitteln.
Zur Erstellung sogenannter Dynamic Search Ads (DSA) crawlt Google Websites im Moment einer Suchanfrage und erstellt auf Basis einer hinterlegten Dummy-Anzeige den passende Anzeigentitel. Bei einem breiten und oft wechselnden Sortiment sind DSA eine gute Möglichkeit, um zusätzliche Reichweite und Traffic mit hoher Erfolgsquote zu generieren. Weil die Anzeigen auf Basis der Dummies automatisiert kreiert werden, sind DSA ein wichtiger Bestandteil des Fullistic-Ansatzes.
Noch in der Betaphase befinden sich die Responsive Search Ads (RSA). Hier legt der Kampagnenmanager in Google Ads mehrere Anzeigentitel und Beschreibungen in Google Ads an. Google testet die verschiedenen Kombinationen dann auf ihre Wirksamkeit bei entsprechenden Suchanfragen.
Zur Content-Kreation bietet Google auch Ad Suggestions an. Dieser Kampagnentyp nutzt vom Account-Manager hinterlegte Texte, um neue Anzeigen zu generieren. Die verschiedenen Anzeigen treten ebenfalls gegeneinander an. Je nach Zielvorgabe durch den Account-Manager selektiert Google die erfolgreichsten Versionen.
Paradigmenwechsel im strategischen Kampagnenaufbau
Der fullistische Ansatz ist wie gesagt kein Hebel, der die Suchmaschinenwerbung von heute auf morgen revolutioniert. Damit die eben beschriebenen Features und Funktionen, die auf KI und Automatisierung setzen, ihre Wirkung entfalten, müssen beim Anlegen einer Kampagne einige Dinge beachten werden. Früher wurden Kampagnen so granular wie möglich aufgebaut und eigene Kampagnen nach Device und Zielgruppe angelegt sowie eigene Anzeigengruppen für Matchtypes erstellt. Das war notwendig, um jede Suchanfrage bestmöglich zu beantworten und das in der Regel manuell gesteuerte Budget effizient zu verteilen.
Im Rahmen der Fullistic-Philosophie sollten Kampagnen nicht allzu granular aufgebaut werden. Es kann unter Umständen genügen, fünf Keywords im Broad-Match einzubuchen und die Kampagne der Google-KI zu überlassen. Wenn wir die Kampagne in zu viele Einzelteile zersplittern, berauben wir das System der Datengrundlage, um gut zu arbeiten. Die Kampagne der Zukunft hat folgende Rezeptur: Vereinfachte Kampagnenstrukturen, die Integration von Zielgruppensignalen, Smart Bidding in Kombination mit datengetriebener oder ggf. positionsbasierter Attribution und das korrekte Anzeigensetup inklusive responsive Suchanzeigen sowie ergänzend dynamische Suchanzeigen. Das Ergebnis: Höhere Klickraten und Qualitätsfaktoren, günstigere Klickkosten. Unterm Strich steigt im perfekten Szenario mit der Qualität der Kampagnen der Umsatz bei einer verbesserten Effizienz.
Daten sind der Treibstoff, mit dem alles steht und fällt
Egal ob beim Smart Bidding, Einsatz datengestützter Zielgruppen oder dynamischen Ads: Wir müssen das System mit Daten füttern, damit es gut funktioniert. Das kann auf vielfältige Art und Weise geschehen: Vom Tracking der Besucher unserer Website über das Hochladen von CRM-Daten bis zum Nachtragen von Offline-Conversions im Rahmen von Omnichannel-Kampagnen. Grundsätzlich gilt, je mehr Daten, desto besser. Beim Aufsetzen von Smart Bidding weist Google beispielsweise darauf hin, dass die automatisierte Gebotsstrategie erst richtig funktioniert, wenn mindestens 30 Conversions (50 Conversions für "Ziel-ROAS") im Zeitraum von einem Monat stattfinden.
Was ändert sich für Advertiser und Agenturen?
Natürlich spart die Automatisierung einiger Aufgaben dem Kampagnenmanager Zeit. Der Accountmanager wird zunehmend zum Berater, der die Advertiser bei der Identifizierung der relevanten Zielgruppen unterstützt, die intelligenten Features passend kombiniert und die Ergebnisse laufend analysiert. Agenturen sind immer stärker gefragt, ihren Kunden beratend an die Hand zu nehmen, über verschiedene Kanäle hinweg. Schließlich vereint allein Google Ads die Disziplinen der Suchmaschinenwerbung (SEA), Display-Werbung (GDN) und Social Advertising & Influencer Marketing (YouTube). All diese Maßnahmen gilt es aufeinander abzustimmen. Außerdem bringt die Google-Schmiede ständig neue Features hervor, die von Experten in Agenturen bewertet und getestet werden müssen. Die Beratungsleistung, das Testing sowie die Optimierung der Kampagnen ist unumgänglich und nimmt Zeit in Anspruch, die durch die Automatisierung mancher Aufgaben frei wird.
Summa summarum kann ich meine Prognose, die ich bereits vor einem Jahr abgegeben habe, nur wiederholen: KI macht die Suchmaschinenwerbung besser, menschliche Kampagnenmanager aber keinesfalls überflüssiger. Die strategische Beratung rund um den Einsatz der Technologien und die operative Erfahrung in der Anwendung machen Agenturen auch zukünftig zu einem wichtigen Partner für Werbetreibende.
Auch Bluesummit hat den Fullistic-Ansatz als eine der ersten Agenturen getestet und die Erfahrungen hier dargelegt: Macht Googles neuer Fullistic-Ansatz Kunden abhängig und Agenturen überflüssig?
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