„Wenn ich das Patentrezept für Pitches hätte, wäre ich ein gefragter Mann.“
René Weber, 5. Juli 2019Bei uns in der Redaktion quellen die Postfächer täglich über von News, Themenangeboten und Interviewanfragen. Absender sind selten die Unternehmen der Adtech-Branche selbst, sondern meistens große wie kleine Kommunikationsagenturen, die im Auftrag ihrer Kunden mit uns in den Austausch gehen. Wie ticken Kommunikationsagenturen? Vor welchen Herausforderungen stehen sie heutzutage? Es ist an der Zeit, in den Maschinenraum der Agenturen zu blicken. Unser Marketing Manager René Weber hat zu diesem Zweck Michael Grupe, Vorstand und Partner von Fink & Fuchs aus Wiesbaden interviewt.
ADZINE: Hi Michael, ich war vor über fünf Jahren bei Fink & Fuchs als PR Consultant tätig. Ich denke immer noch gerne an die Zeit damals zurück: Spannende Kunden aus dem Tech-Bereich wie Adobe, Computacenter, ExactTarget (jetzt Salesforce Marketing Cloud) & Co. Zudem hatten wir ein super Team, mit den meisten Leuten stehe ich immer noch regelmäßig in Kontakt. Ich feiere auch immer noch die Kicker-Duelle mit den IT-Kollegen in der Mittagspause. Wie hat sich Fink & Fuchs und die Kommunikationsbranche, in der ihr operiert, seither verändert?
Michael Grupe: Der Kicker steht ein Stockwerk tiefer und wird leider viel zu selten genutzt. Aber Spaß beiseite, wir alle erleben ja die Konvergenz von PR, (Digital) Marketing, Social Media und Live-Kommunikation. Um den steigenden Anforderungen in Richtung integrierter Kommunikation gerecht zu werden, haben wir in den vergangenen Jahren in zusätzliche Kompetenzen investiert. Wir haben neue Kolleginnen und Kollegen vor allem für die Bereiche Digitales, Kreation, Redaktion und Video eingestellt. Zudem haben wir unsere Methodik um Design-Thinking-Elemente angereichert. Und wir haben umfirmiert: Aus der Fink & Fuchs Public Relations AG wurde die Fink & Fuchs AG – eine Agentur für integrierte Kommunikation. Insgesamt erleben wir auf Basis der Digitalisierung neue Player in der Kommunikationsbranche – einerseits aus den Bereichen Werbung und Marketing, andererseits auch Digitalagenturen. Die ganze Branche ist mittlerweile extrem schnelllebig und hype-getrieben. Da wünsche ich mir manchmal doch etwas mehr Gelassenheit und Nachhaltigkeit, anstatt permanent eine neue Sau durchs Dorf zu treiben.
ADZINE: „Mit euch können wir uns am ehesten vorstellen, ein Bier trinken zu gehen.“ – Ich habe noch eine kleine Ansprache von dir zur Feier eines Neukundengewinns in Erinnerung. Mit den Worten hatte euch das Unternehmen seine Entscheidung übermittelt. Wie gewinnt man Pitches? Zählt am Ende vor allem die persönliche Chemie? Welche Faktoren spielen sonst noch eine Rolle?
Grupe: Wenn ich das Patentrezept hätte, wie man Pitches gewinnt, wäre ich wahrscheinlich ein gefragter Mann. Aber es gibt meines Erachtens keins. Jeder Pitch läuft anders, es gibt jedoch ein paar grundsätzliche Dinge, die man beachten sollte. Erstmal ist es wichtig zu verstehen, warum der Pitch überhaupt stattfindet: Wer sind die Initiatoren und Entscheider und was ist deren Motivation bzw. welche kommunikativen Aufgaben sollen gelöst werden? Zweitens geht es dann darum, eine überzeugende Mischung aus Verständnis der Aufgabe, inhaltlicher Kompetenz und Kreativität zu vermitteln. Wenn ich diese noch mit guten Referenzen unterfüttern kann, ist das eine gute Basis. Mehr aber auch nicht, denn wie du schon sagst, spielt die persönliche Chemie, also die Frage „Kann ich mir vorstellen, mit denen zusammenzuarbeiten?“ eine wichtige Rolle. Und natürlich auch das Preis-Leistungs-Verhältnis – gerade bei großen Unternehmen und Ausschreibungen hat der Einkauf eine entscheidende Rolle in den Pitches.
ADZINE: Wie sieht der Alltag eines Kommunikationsberaters heutzutage aus? Ich frage mal etwas provokant: Ist es mehr als einmal die Woche eine Pressemeldung rausschicken?
Grupe: Sagen wir es mal so, auch die Pressemitteilung muss nach wie vor verschickt werden. Um dem Anspruch einer integrierten Kommunikation gerecht zu werden, muss die Kommunikationsberatung außerhalb der berühmten Box denken. DEN Alltag eines Kommunikationsberaters gibt es zum Glück nicht, da jeder Tag sehr abwechslungsreich ist. Zum Auftakt des Tages nach dem ersten Kaffee oder Tee macht er/sie sich erstmal zum aktuellen Geschehen schlau. Hier gibt es schon sehr unterschiedliche Strategien – vom Newsletter-Marathon über Social Media bis hin zum Scannen diverser Newsfeeds. Dann geht es an die aktuellen Kundenaufgaben, bei denen der Versand der Pressemeldung nur noch eine Randerscheinung ist. Vielmehr muss ein/e gute/r Kommunikationsberater/in Themen und Inhalte crossmedial denken und umsetzen können. Dabei unterstützen ihn die Kollegen aus den Bereichen Digital, Film, Redaktion und Kreation. Da gilt es oft, viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Deshalb sind gute Projektmanagementskills zunehmend wichtig. Denn was nützt eine tolle, kreative Kampagne, wenn sie nicht sauber umgesetzt wird?
ADZINE: Es passiert gerade sehr viel auf dem Agenturmarkt: IT-Berater kaufen sich Werbe- und Digitalagenturen hinzu, PR-Agenturen übernehmen Werbeagenturen, und wiederum andere gründen innerhalb der Agentur verschiedene Spezialableger. Wie beurteilst du diese Entwicklungen? Wie rüstet ihr euch für die Herausforderungen der kommenden Jahre?
Grupe: Ja, es ist eine Menge Dynamik im Markt. Wir haben darauf zum einen reagiert, indem wir unser Kompetenzportfolio erweitert haben. Hierfür haben wir gezielt nach neuen Kolleginnen und Kollegen gesucht, die eben nicht aus der PR, sondern eher aus dem Digital-, Werbe-, Marketing- oder Kreativumfeld kommen. Zudem kooperieren wir mit verschiedenen Hochschulen, Trendanalysten und Institutionen wie dem Deutschen Forschungsinstitut für Intelligenz (DFKI) oder dem Institut für Technologie und Arbeit. Gerade die Bereiche Analytics und KI werden die zentralen Treiber für die Disruption von gelernten und etablierten Kommunikationsszenarien sein. Hieraus entstehen neue Wertschöpfungsketten, die wir frühzeitig erkennen und verstehen möchten – ohne gleich auf jeden Trend aufzuspringen. Unsere mehr als 30 Jahre Erfahrung als Agentur für Technologie- und Innovationskommunikation hilft uns dabei.
ADZINE: Im Digital Advertising wird viel über das Thema Inhousing vs. Outsourcing diskutiert. Der Trend geht gerade vor allem bei großen Unternehmen hin zu Inhousing von Tech-Expertise. Welche Entwicklungen zeichnen sich in der Kommunikationsbranche ab? Werden Agenturen in Zukunft überhaupt noch gebraucht?
Grupe: Digital Advertising ist ja nur eine Disziplin, um bei den Stakeholdern zu landen. Wir beobachten weiterhin, dass es für viele eine große Herausforderung ist, aus einem komplexen Thema gute Storys mit funktionierendem Content zu erstellen, um auch eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Denn, wenn wir von Wirkung sprechen, meinen wir nicht nur schnellen Absatz im Sinne von „Kauf mich! Jetzt!“. Wir erleben in der öffentlichen Diskussion in zunehmendem Maße, dass es um Werte, Verantwortung und den Beitrag von Unternehmen/Marken für ein gutes gesellschaftliches Miteinander geht. In diesem Fall zielt die Kommunikation eben nicht nur auf Bekanntheit und den Absatz von Produkten ab. Es geht vielmehr um eine nachhaltige Stärkung von Reputation und Vertrauen. Hier spielen Agenturen meines Erachtens eine wichtige Rolle als kompetenter Lösungspartner, aber auch als kritischer Sparringspartner im Sinne einer zielgerichteten Positionierung. Das wachsende Technologie-Know-how beim Kunden begrüßen wir übrigens sehr. Es macht die Zusammenarbeit produktiver und wir können teilweise von den Erfahrungen unserer Kunden profitieren und dort gezielt ansetzen.
ADZINE: Entscheidend für den Unternehmenserfolg – das gilt nicht nur für Agenturen – sind die richtigen Mitarbeiter. Der Hauptstandort von Fink & Fuchs ist Wiesbaden, außerdem gibt es euch in München und Berlin. Wie gewinnt ihr qualifiziertes Personal? Hat Wiesbaden als Hauptsitz nicht einen gewissen Standortnachteil? Persönlich mag ich Wiesbaden (vor allem die Rheingauer Weinwoche), kann mir aber vorstellen, dass beispielsweise Leute Mitte 20 nicht so leicht für einen Umzug in die hessische Hauptstadt zu begeistern sind.
Grupe: Wir sehen uns mit den drei Standorten ganz gut aufgestellt – und Wiesbaden liegt ja fast im Herzen des Rhein/Main-Gebiets und Deutschlands. Keine andere Landeshauptstadt kann das von sich behaupten. Ansonsten machen wir eine ganze Menge, um Fink & Fuchs auch als Arbeitgeber noch bekannter zu machen. Seien es Kooperationen und Vorträge mit Hochschulen und Universitäten, konkrete Forschungsprojekte oder die Teilnahme an Barcamps. Zudem ist unsere Trainee-Ausbildung mittlerweile zertifiziert und genießt bundesweit einen sehr guten Ruf. So gelingt es uns immer wieder, tolle neue Trainees für unsere 15-monatige Ausbildung zu gewinnen. Aktuell bilden wir 12 Trainees aus. Der eine Jahrgang ist gerade gestartet und der andere wird im Sommer fertig.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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