Programmatic Advertising Inhouse: Das Hybrid-Modell von Nestlé
Anton Priebe, 26. Juli 2019In der Branche wird seit längerem hitzig über Inhousing im Programmatic Advertising diskutiert. Der Lebensmittelgigant Nestlé betreibt als einer der größten hiesigen Advertiser ein Hybrid-Modell, das sowohl hauseigene Experten als auch Agenturen involviert. Wir haben mit Maike Abel, Head of Media Communication bei Nestlé Deutschland, über die Struktur und Vorteile dieser Lösung gesprochen.
Der Mediaeinkauf lag bislang üblicherweise in der Hand der Agenturen. Da Programmatic Buying jedoch voraussichtlich über kurz oder lang für alle Werbekanäle zum Standard avanciert, stellt sich die Frage, ob Unternehmen die Zügel selbst in die Hand nehmen sollten. Der Motor des programmatischen Einkauf sind schließlich die Daten – die im Unternehmen liegen.
ADZINE: Frau Abel, bei den Mediaverantwortlichen von Nestlé ist Inhousing durchaus ein Thema. Inwiefern haben Sie hier in der Vergangenheit umstrukturiert? Wie sieht die neue Teamstruktur aus und woher stammen die Köpfe?
Maike Abel: Nun, wir haben schon seit eh und je Mediaexperten sowohl in unseren Corporate Abteilungen aber auch in unserem Einkauf. Mit der zunehmenden Digitalisierung haben sich die Bedarfe an interner Expertise jedoch dahingehend verändert, dass wir nun auch noch ergänzend Fachleute in den Bereichen Programmatic Media, Data Analytics, Data Strategy, Content und Search aufgebaut haben. Diese kommen zum Teil aus Agenturen, aber auch aus unserem internen Talent Pool.
Gemeinsam mit unseren Marken und der Agentur Path fahren wir ein für uns bewährtes Hybrid-Modell. Das heißt, wir haben die Fachexpertise und Strategen im Haus und nutzen die Agentur für die Umsetzung.
ADZINE: Andere internationale Unternehmen holen sich Expertise ins eigene Haus, um das Mediageschäft transparenter zu machen. Warum stärken Sie ihre Inhouse-Expertise?
Abel: Um bei der stetig wachsenden Komplexität des Marktes die Übersicht und nötige Transparenz zu behalten, bedarf es der Kontrolle von ausgebildeten Fachexperten. Bei den Budgetgrößen, die wir als Nestlé in Media und Automatisierung investieren, wäre es fatal als Kunde nicht die Kontrolle haben.
ADZINE: Welche Kontaktpunkte entlang der Kundenreise sind durch das Team abgedeckt? Wie funktioniert das auf der Ebene der vielen unterschiedlichen Marken?
Abel: Ich würde lieber von einer Consumer Centric Journey sprechen. In einem cross-funktionalen Team aus Marketing, Marktforschung, Media, Sales/E-Commerce und Agentur erarbeiten wir das Zielgruppenprofil und legen die relevanten Datencluster sowie Content-Felder fest. Entlang des Funnels werden diese dann über die unterschiedlichen Paid und Owned Touchpoints mit relevantem Content „bespielt“. Sicherlich hat jede Marke aufgrund ihrer Kategorie schon andere Anforderungen. Vergleichen wir hier nur mal Wagner Pizza und Dolce Gusto Kaffee. Der cross-funktionale Expertenansatz hat sich bisher über alle Marken hinweg bewährt.
ADZINE: Welche Daten setzen Sie im Advertising ein und woher stammen die? Was wissen Sie über Ihre Kunden im stationären Handel?
Abel: Das Thema Daten im Bereich Werbung hat für uns zwei Dimensionen: Insight-Generierung und Media-Ausspielung. Bei der Insight-Generierung verwenden wir die Daten der Institute wie Nielsen, GfK etc., aber auch die üblichen Markt- und Media-Studien sowie Erkenntnisse aus Search und Social Listening.
Bei der Media-Ausspielung arbeiten wir mit den marktüblichen Zielgruppen der Medien oder bilden selbst unsere Audiences. Diese erstellen wir bevorzugt aus unserem eigenen First-Party Data Pool, reichern sie aber nach Bedarf noch komplementär mit Daten aus geprüften Quellen an. Da Datenschutz für uns ein großes Thema ist, sind unsere Juristen und Datenschützer Teil des Teams.
Bezüglich der Insights aus dem stationären Handel haben wir einen guten Austausch mit unseren Handelspartnern. Generell kann aber gesagt werden, dass auf diesem Feld der gesamte deutsche Markt im Vergleich zu anderen Ländern wie UK, Frankreich oder USA noch großes Ausbaupotenzial hat.
ADZINE: Was können Sie anderen Unternehmen raten, die über Inhousing nachdenken? Welche Stolpersteine gab es bei Ihnen zu überwinden?
Abel: Investieren Sie in interne Fachexperten. Jeden Euro, den Sie hier sparen, verlieren Sie später doppelt und dreifach an externe Berater oder an die entstandenen Ineffizienzen.
Der Kunde muss die Zügel in der Hand behalten, denn kein Externer versteht das eigene Business so gut wie die eigenen Leute.
Niemand muss die gesamte Wertschöpfungskette intern aufbauen, das Hybrid-Modell, wie wir es fahren, funktioniert sehr gut. Besonders schützt es vor Betriebsblindheit, weil durch die Agentur genügend Impulse aus dem Markt und anderen Branchen gegeben werden. Ein weiterer Vorteil des Hybrid-Modells ist die Flexibilität, Ressourcen schnell und kurzfristig an die Nachfrage anzupassen.
ADZINE: Welche Rolle nehmen die Agenturen Ihrer Meinung nach ein, wenn der Inhousing-Trend weitergeht? In welchen Bereichen sehen Sie den größten Bedarf für Agenturen?
Abel: In den üblichen Abgesang der Mediaagenturen, kann ich leider nicht einstimmen. Wir sehen sie nach wie vor als einen wertvollen Partner, der mit uns Media-Kommunikation strategisch weiterentwickelt und optimiert.
Jedoch müssen Agenturen am Markt aufpassen, dass Beratungsfirmen wie Accenture ihnen auf dem Strategiefeld nicht die Butter vom Brot nehmen. Um dem zu entgegnen, ist es aus meiner Sicht für Mediaagenturen unablässig die Automatisierung der internen Prozesse voranzutreiben, um dem eigenen Personal mehr Freiheit zu geben, sich auf strategische Beratung zu konzentrieren.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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