Programmatic Advertising Inhouse: Das erfolgreiche Modell von L'Oréal
Anton Priebe, 16. Juli 2019Die Beauty-Marke L'Oréal hat es als eine der ersten großen FMCG-Marken geschafft, ihr Programmatic Advertising hierzulande im eigenen Haus zu realisieren. Andreas Neef, Director Media & Programmatic Advertising DACH, spricht im Interview über die Hürden auf dem Weg zum Inhouse Programmatic Team und gibt wertvolle Tipps, wo Werbetreibende seiner Meinung nach als erstes ansetzen sollten.
Programmatic Buying meint den datenbasierten, maschinellen Mediaeinkauf in digitalen Kanälen und wird seit Jahren als die Einkaufsmethode der Zukunft gehandelt. Da in absehbarer Zeit nahezu alle Werbekanäle digital buchbar sein werden, müssen sich Advertiser fragen, ob der Mediaeinkauf weiterhin die Aufgabe von Agenturen bleiben soll oder ob sie selbst Hand anlegen.
Inhousing ist schließlich auch eine Frage der Transparenz. Mediaeinkauf wurde bisher fast immer von Agenturen extern abgewickelt. Daten werden jedoch beim Einkauf in den digitalen Kanälen immer wichtiger, was Programmatic Advertising zunehmend zum Unternehmensthema macht – hier liegen schließlich die Daten.
ADZINE: Herr Neef, L’Oréal ist bekannt dafür, ein eigenes Programmatic-Team inhouse aufgebaut zu haben. Können Sie uns einmal erklären, wie genau das aussieht?
Neef: Unser Ziel war es von Anfang an, die Beauty-Konsumenten besser zu erreichen. Viel zu lange haben uns Audits lernen lassen, dass IO-Targeting oft an den Zielgruppen vorbeilief oder wenig prognostizierbar war. Zudem waren wir inventarübergreifend in den Bereichen Reach & Frequency blind.
Aus den Marken heraus haben wir Digitales Advertising neu gedacht und aus hybriden Profilen ein agiles Team aufgebaut: Für seine jeweilige Beauty-Marke verantwortet der jeweilige Account Manager die Kampagnenstrategie, die Werbemittelempfehlungen sowie die Kampagnenoptimierung und nutzt als Grundlage die Erkenntnisse aus den Zielgruppendaten. Das Team kollaboriert dabei mit vielen weiteren Experten aus Data Analytics, Audience Management, ROI und natürlich den internationalen Kollegen im Creative-Dynamic-Optimization-Team in Paris.
ADZINE: Welche Aufgaben können Sie damit abdecken? Agieren Sie tatsächlich komplett ohne Agenturen?
Neef: Heute betreut das Team 100 Prozent der programmatischen Investitionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz von Düsseldorf aus. Gleichzeitig definieren wir unsere Rollen und Verantwortungen im bestehenden Team alle zwölf Wochen neu, um agil auf Herausforderungen zu reagieren und uns ständig den verfügbaren Technologien anzupassen. Dadurch stellen wir permanentes Lernen sicher und können ständig auf Anforderungen am Markt und auf Markenseite reagieren.
ADZINE: Inwiefern hat sich diese Entscheidung jetzt bereits gerechnet? Haben Sie ein paar Zahlen für uns?
Neef: Im externen Audit zur Wertschöpfungskette kommt nahezu fast alles vom eingesetzten Werbeeuro auch beim Konsumenten an. Darauf sind wir stolz! Denn für Konsumenten erfinden wir Advertising neu – jeden Tag.
ADZINE: Wie haben Sie es geschafft, an diesen Punkt zu kommen, den momentan viele Advertiser anstreben? Wie sahen die einzelnen Stationen aus? Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Neef: L’Oréal bietet mit seiner ausgeprägten Entrepreneur-Kultur einfach ein Umfeld, um zu testen und zu lernen. Das hat uns 2016 ermöglicht, erste Testkampagnen zu fahren. Da hat lange nicht alles funktioniert: Das war weder technisch ausgereift, noch waren wir mit den ersten Kampagnenoptimierungen zufrieden. Aber es gab vielversprechende Erkenntnisse für Reichweitenaufbau, bessere Conversion und Zielgruppen-Targeting. Über interne Schulungen und Open Offices, zu denen wir freitags Interessierte zu uns eingeladen haben, konnten wir die Kenntnisse teilen. Das hat wiederum viele Fragen auf Markenseite geweckt, die uns inspiriert haben, unsere Stimme bei Google und anderen für technische Eigen- & Weiterentwicklungen einzusetzen. Heute können wir die ROI Beiträge beispielsweise in Make-up bis auf einzelne Formate herunterbrechen und Reichweiten für Videokampagnen vorhersagen.
ADZINE: Welche Tipps können Sie anderen Advertisern ans Herz legen, die auch über Inhousing nachdenken, aber noch am Anfang stehen?
Neef: Erstmal versuchen, programmatisch den Konsumenten besser zu erreichen. Alles andere löst man auf dem Weg – wie beispielsweise Fee-Strukturen, Consent Management, Ad Verification oder auch Safety. Wir haben früh die Mediatorenrolle eingenommen und beispielsweise über sogenannte „Hygiene Days“ unsere Publisher und unsere DSP an einem Tisch über bessere Lösungen für Matching Rates und Inventarkategorisierung diskutieren lassen. Da haben wir alle gemeinsam in die Verantwortung genommen.
ADZINE: Wie wird sich das Werbeökosystem Ihrer Meinung nach weiterentwickeln? Gibt es über kurz oder lang noch Raum für Agenturen im Programmatic Advertising?
Neef: Die 20er werden von Automatisierung und Chaining geprägt sein. Denkt man das vom Ende her, werden Screen-Inventare, egal auf welchem Kanal, automatisch gehandelt werden. Dafür muss man seine First-Party-Data-Hausaufgaben machen und in die Mediakonsolidierung investieren. So kann man als Advertiser nicht nur Konsumenten besser verstehen, sondern auch über die Stacks hinweg optimieren. Entlang dieser Handelsstrecke wird sich sicher nicht nur ein Modell durchsetzen. Will sagen: Ich möchte mich nicht am Abgesang auf einzelne Werbekanäle oder auch ganze Branchen beteiligen. Agenturen und Data-Anbieter werden multiple Rollen einnehmen können, ganz im Rahmen ihrer eigenen Geschäftsstrategie. Daher ist es ja so wichtig, als Werbetreibender die Expertise dafür aufzubauen.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!
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