Michael vom Sondern – Digitalchef im Klebekosmos Tesa
Sandra Goetz, 2. Juli 2019Es gibt Menschen, denen würde ein Karrierestrang des Hamburgers Michael vom Sondern ausreichen, um sich dort so lange wie möglich festzubeißen. Michael vom Sondern wiederum hat seine berufliche Karriere stets neu ausgerichtet und ist dabei doch seiner Passion treu geblieben: immer wieder „intelligente“ Verbindungen herzustellen. Und dies am besten mit Klebebändern von Tesa. Als Leiter Digital Development bei der 100-prozentigen Beiersdorf-Tochter Tesa SE (rund 5.000 Mitarbeiter weltweit) stellt er Unternehmen und Marke im Zuge der digitalen Transformation neu auf. Ein Portrait.
ADZINE: Wie sieht Ihr Werdegang aus, Herr vom Sondern?
Michael vom Sondern: Nach dem Abitur habe ich meinen Zivildienst geleistet, um von 1998 bis 2001 ein duales Studium zu absolvieren. Den Arbeitsvertrag hatte ich bereits in der Tasche, nämlich bei Beiersdorf; zusätzlich habe ich BWL studiert. Bereits während dieser Ausbildungszeit bin ich gut im Beiersdorf-Konzern rumgekommen. Ich war u. a. in den USA, im deutschen Außendienst und im regionalen Marketing tätig.
ADZINE: Und dort sind Sie auf Tesa gestoßen?
Vom Sondern: Genau. Tesa hat mich sehr früh fasziniert. Ich fand es viel spannender, sich mit Klebebändern als z. B. mit Hautcremes zu beschäftigen. Als „normaler“ Verbraucher kennt man ja nur einen kleinen Ausschnitt des Tesa-Sortiments. Dabei können allein in einem Pkw mehr als 100 Tesa-Tapes verbaut sein – von der Kabelumwicklung über die Emblemverklebung bis zu hauchdünnen Folien im Navi. Bis 2010 war ich für Tesa im internationalen Marketing sowie Vertrieb tätig.
ADZINE: Wie kam es dann dazu, dass Sie mit Freunden ein eigenes Unternehmen gegründet haben?
Vom Sondern: Ich war Anfang 30, verheiratet, mit Frau und damals einem Kind und dachte mir, dass das ein gutes Alter sei, etwas Eigenes zu starten. Einer meiner Kommilitonen hatte sich mit Finanzdienstleistungen im Bereich Datenanalyse, Datenauswertung, Finanzcontrolling und Content Marketing selbstständig gemacht und mich gefragt, ob ich mit an Bord kommen wolle. Ich wollte – und habe mir in dieser Zeit meine Sporen im digitalen Umfeld verdient.
ADZINE: Haben Sie das Unternehmen vom Küchentisch aus gemanagt?
Vom Sondern (lacht): Wir hatten das Glück, am Anfang günstig in schicken Büros unseres ersten Kunden in der Großen Elbstraße unterzukommen. Das hat geholfen die nötigen Talente zu rekrutieren. Nachdem wir anfangs „hanseatisch“ aus dem Cashflow gewachsen sind, haben wir 2013 Geld von VCs und Business Angels eingesammelt.
ADZINE: Was passierte dann?
Vom Sondern: Mein Mitgründer war und ist sehr umtriebig. Wir haben weitere Geschäftsmodelle aufgebaut. Das hat die Geschwindigkeit und die Komplexität massiv erhöht. Als Familienvater war es schwierig für mich, alles unter einen Hut zu bekommen: drei Firmen, drei Kinder und eine Frau, sowie Freunde, die ich fast nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Das war extrem viel. Ich wollte und brauchte neue Strukturen und zog mich deshalb aus dem operativen Geschäft raus. Gesellschafter bin ich aber geblieben.
ADZINE: Das scheint Sie nicht vollkommen ausgefüllt zu haben?
Vom Sondern: Die Kinder sind aus dem Gröbsten raus. Ich hatte somit wieder Ressourcen frei. Und als mich der CEO von Tesa, Dr. Robert Gereke, angerufen und mir den Job angeboten hat, habe ich zugegriffen. Seit 2017 bin ich wieder bei meinem ersten Arbeitgeber als Head of Digital Development unter Vertrag.
ADZINE: Digital Development ist ein weites Feld. Was heißt das bei der Tesa SE?
Vom Sondern: Wir haben erstmal ein Jahr lang definiert, was „digital“ bei Tesa bedeutet. Für das Unternehmen und für die Marke. Dabei wurden Fragen beantwortet wie: „Wo müssen wir uns schnell bewegen?“ Oder auch: „Wie sind wir auf Kunden ausgerichtet?“ Ebenso stellte sich die Frage nach neuen Vertriebswegen im E-Commerce, nach Leadgenerierung und nach Leadmanagement. Fachmessen gehören zum Vertriebsprozess dazu; wir haben eine große Salesforce. Aber man muss nicht immer ins Flugzeug oder in die Bahn steigen, um neue Kunden zu finden und Projekte voranzutreiben. Ebenso: Silos aufbrechen, international und agiler arbeiten – all das sind Punkte auf unserer langen Liste gewesen. Von Vorteil war, dass ich bereits 12 Jahre lang Erfahrung aus dem Beiersdorf-Konzern mitgebracht habe; das hat viele Türen geöffnet und auch beim Verständnis geholfen.
ADZINE: Das hört sich nach einer 360-Grad-Aufgabe an. Wie groß ist denn Ihre Abteilung?
Vom Sondern: Noch vor zwei Jahren bestand die Abteilung aus vier Mitarbeitern, jetzt sind wir 14.
ADZINE: Das heißt auch, dass Tesa die Zeichen der Zeit erkannt hat und in diesen Bereich investiert? Was bedeutet das fürs digitale Marketing?
Vom Sondern: Absolut! Es wird gut investiert. Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, Technologie zu verstehen und zu bedienen und das Know-how auch im eigenen Haus zu haben. Deswegen haben wir uns Expertenwissen reingeholt. Wir müssen begreifen und wissen, welche Marketingkanäle funktionieren, was im Funnel passiert, welche Konsumenten auf welche Seite kommen und wie viel Geld wir nach einem Rectangle verdienen. Es hat im Unternehmen viele „Aha“-Momente gegeben.
ADZINE: Was war das Wichtigste?
Vom Sondern: Dass das digitale Marketing messbar ist. Und dass wir in einigen Bereichen nicht ganz so profitabel waren, wie wir dachten. Als Beiersdorf-Tochter kommen wir ja vom klassischen Vertrieb. Dieser war auch immer eine Stärke. Aber wir müssen umdenken und auch eine neue Qualitätssicherung für die externen Agenturen, mit denen wir zusammenarbeiten, einführen. Sonst misst jede Agentur Erfolg auf ihre Weise und man verliert schnell den Überblick. Diesen muss man aber als Unternehmen haben. Immer.
ADZINE: Was ist für Sie das Spannende in Ihrem Arbeitsbereich?
Vom Sondern: Es ist eine Riesenchance für Tesa, schneller zu sein als unsere Wettbewerber. In Deutschland haben wir uns unsere exzellente Marktposition über viele Jahre erarbeitet. Tesa genießt ein hohes Vertrauen, 98 Prozent der Deutschen kennen die Marke. Jetzt gilt es, in neue Märkte einzutreten, allen voran China und die USA. In China haben wir Ende April einen virtuellen Marktplatz, einen Consumer Shop, gelauncht. Ganz ohne Filialgeschäft können Chinesen jetzt Tesa kaufen.
ADZINE: Was sind Zukunftsthemen für Tesa neben der Eroberung von neuen Absatzmärkten?
Vom Sondern: In der Vergangenheit waren wir schon sehr stark darin, auf „Augenhöhe“ mit unseren Kunden innovative Klebelösungen zu entwickeln. So können beispielsweise Ingenieure von Automobil- oder Mobiltelefon-Herstellern in unseren sogenannten Application Solution Centern in Norderstedt bei Hamburg, China und in den USA neue Produkte ausprobieren bzw. gemeinsam mit den Tesa-Experten an der Weiterentwicklung arbeiten. In Zukunft werden digitale Services enorm an Stellenwert gewinnen. Eine Kernfrage lautet: „Wie kriegen wir das ganze Wissen unserer Produktentwicklung so transformiert, dass es zum Mehrwert für unsere Kunden wird?“ Die Antwort liegt auf der Hand: In fünf bis sechs Jahren wird ein Großteil unseres Umsatzes nicht mehr nur über Klebebänder erzielt, sondern über Services, die auf Daten basieren, die von uns generiert werden.
ADZINE: Können Sie das näher erläutern?
Vom Sondern: Die Entwicklungszyklen in vielen Industriebereichen werden immer kürzer. Große Kunden aus der Elektronik- und Automobilindustrie brauchen aber frühzeitig viele Daten – und die Gewissheit, dass sich ihre Vorstellungen auch realisieren lassen. Vor allem in puncto Konstruktion oder Design. So soll beispielsweise ein extrem schmales Klebeband im Handy nicht nur das Display fest im Gehäuse fixieren, sondern auch Stöße dämpfen. Andere Tapes müssen in der Lage sein, nebenbei noch Wärme abzuleiten oder vor Überspannungen zu schützen. Und ein global aufgestellter Autohersteller möchte genau wissen, mit welchen doppelseitigen Klebebändern seine Bauteile wie Zierleisten oder Embleme sowohl bei minus 40 Grad im Norden Finnlands als auch bei plus 40 Grad im Süden Spaniens dauerhaft halten. Genau über solche Daten verfügen wir. Es wäre ein großer Mehrwert, wenn wir diese Informationen dem Kunden passgenau auf digitalem Weg zur Verfügung stellen könnten. Das ist noch Zukunftsmusik, aber genau da wollen wir in fünf bis sechs Jahren hin.
ADZINE: Herr vom Sondern, vielen Dank für das Gespräch!
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