Auf der Publisher Business Conference in Hamburg verriet Robin Govik, CDO von Mittmedia, wie seine Strategie aussieht, um digitale Abonnenten zu gewinnen und zu halten. Mittmedia ist eines der größten schwedischen Medienunternehmen mit Marken in Radio, Print und Digital. Es wurde vor über 100 Jahren gegründet und vereint 28 lokale News Brands unter einem Dach. Goviks Rezept, um im Nachrichtengeschäft im digitalen Zeitalter zu überleben, lautet Loyalität.
Der Weg in die Digitalität für Mittmedia ähnelt dem vieler Zeitungen, die irgendwann in die Online-Welt übergesiedelt sind. Zunächst wurde der gesamte Content umsonst ins Netz gestellt, dann mit Display Ads versehen, was viel Umsatz generierte. Aufgrund der wachsenden Konkurrenz sanken die Preise und damit die Erlöse. Schließlich wanderten die Inhalte erst einzeln und dann gesammelt hinter eine Paywall. In Skandinavien sind Paywalls im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern an der Tagesordnung. Fast jeder Online User kommt damit wöchentlich in Kontakt.
Der Preis für ein Standard-Abo bei Mittmedia liegt bei umgerechnet zehn Euro im Monat. Dies ist laut Govik der gemeinhin akzeptierte Preis, den Vorreiter wie Netflix oder Spotify etabliert haben. Viele digitale Abonnenten kommen aus dem Printgeschäft, aber da Mittmedia zum Ziel hat, eines Tages nur noch digital zu existieren, reicht dieses Wachstum nicht aus.
Goviks Team identifizierte Direct Traffic als Schlüssel für den Aufbau von neuen Abonnenten. Seine erste Lektion lautet Facebook nicht als Traffic-Driver, sondern als Marketingtool zu verstehen, um neue Abonnenten zu generieren. Traffic nützt wenig, wenn er nicht konvertiert. Daher hat Mittmedia 2017 im Rahmen des großen Umschwungs in der zuvor sehr rudimentären Digitalstrategie die KPIs geändert: Statt Pageviews gelten seitdem täglich aktive Digital-Abonnenten als oberstes Ziel.
Karten und Algorithmen in der Redaktion
Dabei dient den Redakteuren die Activation Map als Anreiz, um bestehende Abonnenten zu halten. Sie stellt sämtliche User Mittmedias in Schweden dar. Am Anfang des Tages sind alle Punkte rot. Sobald ein Produkt des Konzerns genutzt wird, verwandelt sich der Punkt in grün. Es gilt zu erreichen, dass die ganze Karte grün wird. Am nächsten Tag geht es von vorne los. Das Hauptziel ist es die Qualität der Beiträge zu steigern, um so eine tägliche Nutzung zu forcieren.
Die Redaktion bekam darüber hinaus einen neuen Mitarbeiter: den Textrobot. Ein Algorithmus erstellt Artikel auf der Grundlage von Schablonen, in denen nur Daten oder Bilder aktualisiert werden müssen. Ein solcher Beitrag könnte beispielsweise lauten: “Das teuerste Haus Schwedens wurde verkauft”. Außerdem kommt der Textrobot etwa bei Wetternachrichten zum Einsatz. So erstellte er seit Launch mit bereits 70.000 Artikeln mehr Content, als es die Redaktion jemals schaffen würde und übernimmt lästige Fleißarbeiten. Die Entlastung lässt den Menschen mehr Raum für hochwertigen Journalismus. Diese Inhalte werden von den Journalisten im hauseigenen Content Management System Aracua erstellt, das diverse technologische Anknüpfungspunkte bietet.
Eigene Daten für Personalisierung nutzbar machen
Als Herzstück der digitalen Transformation bezeichnet Govik jedoch die Data Management Plattform Soldr, die Mittmedia inhouse aufgebaut hat. Sie ist der Schlüssel zur Personalisierung des Contents für die einzelnen Abonnenten. Je nach Nutzerverhalten kann so die Startseite dynamisch auf der Basis von geographischen oder thematischen Aspekten zusammengestellt werden. Dabei spielen die eigenen Daten die zentrale Rolle, meint Govik.
Soldr hilft darüber hinaus bei der Content Recommendation und speist Reacher, die ebenfalls inhouse entwickelte Ad Plattform mitsamt einer Header-Bidding-Lösung für Display, Video und Native. Reacher sorgt dafür, dass User relevante Ads ausgespielt bekommen – sowohl im eigenen Kosmos als auch außerhalb, was die Abonnenten-Gewinnung fördert. Die Pageviews auf den eigenen Seiten sind seit dem Strategiewechsel logischerweise gesunken, doch das bessere Targeting macht die Werbeplätze wertvoller und steigert gleichzeitig die Akzeptanz für Werbung auf User-Seite.
Ein weiteres Problem, welches Mittmedia als Churn-Moment identifizieren konnte, waren Log-In-Probleme. Diese Herausforderung löste das schwedische Medienunternehmen, indem zur Anmeldung auf die zur Geburt allgemein vergebene Bank-ID zurückgegriffen wurde. Passwortprobleme gehörten damit der Vergangenheit an.
Noch steht Mittmedia am Anfang, so Govik auf der Konferenz. Doch der Aufbau der Technologien inhouse hat sich mehr als bewährt. Die Lösungen bleiben aber unternehmensintern und werden nicht für Außenstehende zur Verfügung gestellt. Der Aufwand mit dem Kundenservice wäre zu groß. Für die großen Publisher heißt es also selbst aktiv zu werden.
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