Langsamer Abschied von Appnexus – Die Zukunft gehört Xandr
Frederik Timm, 13. Juni 2019Fast ein Jahr nach dem Verkauf von Appnexus an den US-Telekom-Riesen AT&T bringt die neugegründete Adtech-Schmiede Xandr das erste eigene Produkt heraus. Im Interview mit ADZINE erklärt Marius Rausch, VP & Managing Director von Appnexus für Zentraleuropa, dass dies nur der Anfang des Endes von Appnexus ist und warum Einkaufsplattformen in Zukunft mehr mitbringen müssen als nur überzeugende Technologie.
ADZINE: Hallo Herr Rausch, die Nachricht über die neue Einkaufsplattform ist das erste Lebenszeichen von Xandr. Was hat sich in den vergangenen Monaten nach dem Kauf durch AT&T bei Ihnen getan?
Marius Rausch: Die Akquisition von Appnexus durch AT&T ist nun acht Monate her und im September 2018 haben wir die neue Marke Xandr im Advertising-Geschäft gelauncht. Wir haben nach der Akquisition erstmal geschaut, wo die Synergien zwischen AT&T und Appnexus liegen und wie wir sie in Produkten zusammenfließen lassen können. Die neue DSP von Xandr ist ein Ergebnis davon.
Sie basiert auf der Technologie von Appnexus, die über viele Jahre entwickelt wurde, und bringt erstmals auch AT&T mit an den Tisch – im Media- wie auch im Datenbereich. Darüber hinaus haben wir ein komplett neues User Interface entwickelt, um Arbeitsabläufe zu vereinfachen, und machen auch neue Technologien wie Programmatic Guaranteed in der neuen DSP verfügbar.
ADZINE: Xandr Invest wird dann also unabhängig von Appnexus laufen?
Rausch: Xandr Invest ist der Auftakt für Xandr im europäischen und speziell deutschen Markt. Es ist das erste Mal, dass wir ein Produkt unter der Xandr-Marke herausbringen, und es wird nicht das letzte sein. In den kommenden Monaten sind noch weitere Produktlaunches geplant. Schritt für Schritt wird Xandr damit die einzige Marke sein, die im Markt vorhanden ist und man wird immer weniger von Appnexus wahrnehmen. Insofern ist Xandr Invest ein eigenständiges Produkt und die neue Generation unserer DSP.
ADZINE: Das heißt, langfristig wird die Brand Appnexus verschwinden und durch Xandr ersetzt?
Rausch: Genau, das ist richtig. Ab jetzt werden alle neuen Produkte unter der Xandr-Marke gelauncht. Danach wollen wir auch die bestehenden Produkte in die Xandr-Marke überführen. Wie schnell dieser Wechsel vonstattengeht, lässt sich nicht genau sagen. Wir wollen diesen Wandel allerdings möglichst zügig vollziehen.
ADZINE: Was passiert dann mit der alten Einkaufsplattform von Appnexus?
Rausch: Die technologische Infrastruktur bleibt dieselbe. Die Plattform, auf der Xandr Invest läuft, ist die AppNexus Programmable Platform. Käufer werden in der Lage sein, das gleiche Leistungsniveau und die gleiche Flexibilität wie bei der Appnexus DSP zu erhalten – allerdings mit deutlichen Verbesserungen in der Benutzerfreundlichkeit und damit einhergehend einer größeren Effizienz. Wir zwingen unsere Kunden allerdings nicht von A nach B zu wechseln. Man muss auch nicht Kampagnen in einer DSP stoppen und in der anderen neu anlegen. Der Wechsel wird viel flüssiger vonstattengehen. Kunden können jedoch davon ausgehen, dass Xandr Invest im Laufe der Zeit mehr Innovationen bietet und in naher Zukunft stärker in andere Teile von Xandr integriert wird.
ADZINE: In den USA bietet Xandr unter anderem AT&T-Daten als besonderen Anreiz für den Plattformwechsel. Gibt es ein ähnliches Angebot auch für Deutschland?
Rausch: Buyside-Technologie wird immer mehr zu einer Commodity. Es geht daher stärker darum, Themen abzudecken, die über den einfachen Mediaeinkauf hinausgehen. In den USA hat AT&T mit seinen 170 Millionen Kunden und darauf basierenden Daten natürlich einen ganz klaren Anreiz für Advertiser. Das gilt jedoch erstmal nur für die USA. Mit Community, unserem Premium-Videomarktplatz, bieten wir zudem auch Media-Assets im Bereich Connected beziehungsweise Addressable TV, die zu AT&T und weiteren Premium-Partnern gehören, wie Warner, CNN oder HBO. Perspektivisch werden wir auch lineares TV verfügbar machen. Dieses Content-Angebot wird exklusiv für Xandr Invest sein. Ich glaube, dass es für DSPs wichtig ist, Mehrwerte zu generieren, die über eine reine Einkaufstechnologie hinausgehen.
In Deutschland können wir aus dem Stegreif nicht die gleichen Vorteile wie in den USA bieten. Es ist jedoch unser Ziel, auch in Europa und Deutschland ähnliche Angebote zu schaffen. Der große Unterschied zwischen den USA und Europa ist: Während wir in den USA als AT&T über viele eigene Assets verfügen, suchen wir in Europa Partnerschaften und wollen sie ausbauen.
ADZINE: Das klingt so, als ob Sie in Zukunft mit dem exklusiven Zugang zum Inventar von Community durch Xandr Invest eine Art kleinen Walled Garden bauen wollen.
Rausch: Der Begriff Walled Garden ist in diesem Zusammenhang etwas zu weit gegriffen. Wir haben deswegen vor einiger Zeit den Begriff „Community Garden“ geprägt. Wir wollen uns nicht abschotten und alles kontrollieren, wie es vielleicht andere US-Anbieter tun. Das gilt für den Zugang zu Supply, aber zum Beispiel auch für die Messung. Es ist allerdings sicherlich so, dass wir exklusivere Assets aufbauen und diese nicht beliebig verfügbar machen können.
Um in Zukunft erfolgreich zu sein, muss man als Plattformanbieter mehr als nur einfacher Technologiedienstleister sein. Man muss Werbetreibenden in irgendeiner Form Mehrwerte bieten, die andere nicht bieten, um relevant zu sein.
ADZINE: Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie in Zukunft?
Rausch: Ich denke, wir werden überall in der Welt weitere Konsolidierungen sehen. Es werden Allianzen entstehen, vielleicht auch dort, wo man bisher noch nicht damit gerechnet hat. Media und Technologie werden näher zusammenrücken müssen. In Deutschland haben wir es gerade mit dem Joint Venture von ProSiebenSat1 und RTL erlebt. Zwei Wochen davor hat sich Media Impact der Ad Alliance angeschlossen. Davon werden wir eher noch mehr sehen. Diese Entwicklung wird nicht nur in Deutschland, sondern auch über Ländergrenzen hinweg weitergehen.
ADZINE: Danke für das Gespräch!
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