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DIGITAL MARKETING

IBM, Accenture & Co. rüsten im Digitalmarketing auf – bleibt noch Platz für Agenturen?

Anton Priebe, 14. Juni 2019
Bild: ecx.io Presse

Große Berater wie Accenture, Deloitte oder IBM bauen in jüngster Vergangenheit vermehrt Digitalkompetenz, insbesondere Nischenwissen, auf und treten damit in Konkurrenz zu den kleineren Spezialagenturen am Markt. Wir haben auf dem Adobe Summit mit Helmut Nachbauer, Managing Director der Digitalagentur ecx.io - an IBM Company, über dieses Spannungsfeld zwischen Agenturen und Consulting gesprochen.

Nachbauer hat als Mitgründer des Unternehmens in über 20 Jahren viel Marktbewegung beobachten können. ecx.io wurde vor drei Jahren selbst Teil der Consulting-Sparte von IBM und ist mit seinen 450 Mitarbeitern Teil der Agenturfamilie IBM iX, die weltweit mehr als 10.000 Fachkräfte umfasst. Zu den Kunden von ecx.io gehören etwa Henkel, Lufthansa, Allianz und Red Bull.

ADZINE: Die großen Berater gehen verstärkt in Konkurrenz zu den Digitalagenturen – auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Sehen Sie dieses Spannungsfeld zwischen Agenturen und Beratern auch?

Nachbauer: Durchaus. Wir sehen darüber hinaus, dass sich der Markt sehr stark konsolidiert. Wir glauben an den Full-Service-Ansatz aus Strategie, Design beziehungsweise Kreation und Technologie. Das ist der Bedarf des Kunden. Wenn der Kunde eine Digital-Lösung haben will, dann braucht er diese Services aus einer Hand. Es handelt sich dabei nicht um ein rein technisches Projekt. Der Partner muss auch konzeptionell und kreativ etwas leisten. Kunden bevorzugen einen einzigen Ansprechpartner für ihr Digitalmarketing oder E-Commerce Projekt, wenn auch gerne mit Zulieferern.

Das Modell ist nicht unbedingt neu, wir sehen es jetzt aber auch bei den großen Beratern. Eine Accenture als Service-Integrator kauft dann SinnerSchrader oder aktuell Kolle Rebbe im Bereich Kreation. Auch IBM tut das mit den Akquisitionen von ecx.io oder Aperto. Alle versuchen den Full-Service-Stack abzubilden, weil die klassischen Berater, die Roland Bergers dieser Welt, noch nicht so weit sind all das zu leisten. Ein Kunde will kein tolles Konzept auf Power Point. Er will das auch gleich implementiert bekommen. Nischenanbieter werden daher immer mehr absorbiert.

ADZINE: Aber ist ein fragmentierter Markt nicht wünschenswert aus Kundenperspektive? Kleinere Agenturen sind doch viel flexibler und individueller.

Nachbauer: Klar, viele Unternehmen bauen derzeit Innovation Labs an neuen Standorten, wie in Berlin. In den vergangenen Jahren ist ein echter Hype entstanden zu innovieren und sich auf den digitalen Wandel vorzubereiten. Die Frage jetzt ist aber vielmehr, wie ich das skalieren und ausrollen kann. In Deutschland wird noch immer viel experimentiert, aber du musst es eben auch international umsetzen können.

Unternehmen wollen natürlich einerseits die kleineren Agenturen sehen. Aber auf der anderen Seite muss die Frage geklärt werden: Wie nehme ich die Lösung in Betrieb? Dazu braucht es eine gewisse Größe.

ADZINE: Also läuft es darauf hinaus, dass die kleinen Agenturen überfordert mit der Komplexität sind und die Großen nicht so tiefes Know-how bieten?

Nachbauer: Das ist der Grund, warum viele kleine Agenturen gekauft werden. Der Zustand wird sich einpendeln. Akquisitionen in diesem Bereich waren in den letzten Jahren wirklich ein Hype. Es wird immer Spezialagenturen geben, absolut sicher. Die Großen werden aber weiter versuchen, deren Fähigkeiten selbst aufzubauen, weil sie ansonsten nicht ernst genommen werden.

ADZINE: Was können die kleinen Agenturen tun, außer sich möglichst attraktiv zu machen, bis sie jemand kauft?

Nachbauer: Als kleine Agentur brauchst du profundes, tiefes Wissen. Das ist extrem wichtig. Beispielsweise im Daten- und kognitiven Bereich gibt es noch so viel Spielraum für Innovation. Das ist schon schwieriger, wenn es in Richtung Commodity geht. Was man dahingehend auf dem CRM-Markt sieht, das ist schon ewig oft gemacht worden, ebenso im ERP-Markt. Immer wenn sich eine Branche zunehmend standardisiert, werden es die Kleineren schwer haben.

ADZINE: Uns ist zu Ohren gekommen, dass die großen Berater bei der Auftragsakquise die C-Ebene angeht, also die Executives, und die kleineren Agenturen eher mit Ansprechpartnern im operativen Geschäft kommunizieren. Sollten sich die nicht auch höher in der Unternehmensebene orientieren?

Nachbauer: Ich glaube diese reine Innovationszeit ist vorbei. Es geht um Businessrelevanz. Heute sagt der CEO: “Jetzt müssen wir das skalieren und ausrollen, ins Business, zu meinen Händlern und zu meinen Kunden bringen.” Das ist wiederum eine Herausforderung für die Kleinen. Große haben Zugang und vor allem auch den Content für das C-Level. Ein C-Level möchte heute nicht mehr über E-Commerce, sondern End-to-End sprechen. Was bedeutet diese digitale Veränderung für mich? Was passiert da mit der Supply-Chain und so weiter. Da tust du dich als kleine, spezialisierte Agentur schwer.

ADZINE: Sprechen wir jetzt mal nur vom reinen Mediageschäft. Große Berater, kleine Agenturen – wer hat in Zukunft die besseren Karten?

Nachbauer: Der Mediabereich wird näher zum Kunden wandern. Der Trend wird dahin gehen, dass man auf Kundenseite viel mehr messen, analysieren und optimieren kann. Es gilt nicht wie in der guten, alten Zeit das Credo: “Hier hast du mein Geld, schalte Werbung dafür”. Volumen wird aber auch hier sehr wichtig sein. Die Großen werden einfach über Mengen gewisse Skalenvorteile haben. Unternehmen wollen das Thema Digitalisierung skalieren und in Betrieb bringen. Das war für uns selbst auch ein gewisses Ratio zu einer IBM zu gehen. Wir hatten damals oft Kunden, die sagten: “Schön, dass ihr so klein, agil und wendig seid. Wir gehen jetzt aber doch zu den Großen, weil die das morgen skalieren können.”

ADZINE: Näher ans Unternehmen meint Inhousing?

Nachbauer: Inhousing wäre zu hart formuliert. Kunden werden an der Stelle mehr Kompetenz aufbauen. Die Technologien entwickeln sich rasant weiter. Wenn die sich einen Ferrari ins Haus stellen, dann werden sie Know-how benötigen, um den richtig fahren zu können.

ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!

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