E-Sport-Advertising in der Aufbauphase – Deutschland als Vorreiter
Anton Priebe, 24. Juni 2019E-Sport ist ein Wachstumsmarkt, der langsam sein Nerd-Image verliert und auch für Werbetreibende abseits der Gaming-Branche immer interessanter wird. So tritt die Techniker Krankenkasse ab sofort als offizieller Gesundheitspartner der Electronic Sports League auf. Die ESL ist mittlerweile nicht mehr nur die Online-Liga, die im Jahre 2000 in Deutschland geboren wurde, sondern international agierender Eventveranstalter im Gaming-Bereich. Die Hamburger Agenturgruppe Pilot ist für diese auf den ersten Blick überraschende Kooperation verantwortlich. Paul Dahlhoff, Head of E-Sports bei Pilot, erklärt im Interview, was hinter der Zusammenarbeit steckt und beleuchtet den E-Sport-Markt insgesamt für Werbetreibende.
ADZINE: Hallo Herr Dahlhoff, eine solche News liest man nicht alle Tage: Die Techniker Krankenkasse ist jetzt Partner der Electronic Sports League. Wie passen diese zwei zusammen? Was erhofft sich die Techniker davon?
Dahlhoff: Die ESL vereint in Deutschland mehrere tausende aktive Spieler und mehrere Millionen Zuschauer, größtenteils Männer im Alter von durchschnittlich 23 Jahren, auf ihren Plattformen. Viele der Spieler und Zuschauer sind Berufsstarter und Studenten.
Wer als Spieler im E-Sport Erfolg haben will, muss nicht nur viel Disziplin und Ehrgeiz mitbringen, sondern auch viel Zeit investieren. Da ist viel sitzen natürlich vorprogrammiert – und eine gesunde Ernährung kommt bei einigen dadurch auch manchmal zu kurz. Physischer Sport ist bei vielen professionellen E-Sport-Teams zwar bereits ein fester Bestandteil des Trainingsplans, diese sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs.
Hier setzt die Partnerschaft mit der Techniker an. Gemeinsam mit der ESL möchte die Techniker ein Bewusstsein für gesundheitliche Aspekte in diesem Umfeld schaffen und ihre Beratungs- und Präventionsangebote zeitgemäß und passend in der Zielgruppe platzieren. So kann die TK sich mit der wachsenden Zahl der E-Sport-Enthusiasten auf Augenhöhe bewegen und ihnen zeigen, wie sie ihre Rolle als moderner Gesundheitspartner versteht.
ADZINE: Apropos Zielgruppe – wie groß ist denn der E-Sport in Deutschland? Haben Sie ein paar Zahlen für uns?
Dahlhoff: Die offiziellen Daten schwanken. Wir gehen von 3 Millionen Menschen aus, die sich regelmäßig mit dem E-Sport auseinandersetzen. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 34 Millionen Menschen, die eine hohe Gaming-Affinität zeigen. Das Potenzial ist definitiv noch nicht ausgeschöpft und der E-Sport wird vor allem in den jungen Zielgruppen weiter stark an Relevanz gewinnen. Durch die steigende Popularität des E-Sports in den Medien, den starken Entertainment-Charakter und die interaktionsfreudige Community wird sich der E-Sport vor allem als Zuschauersport noch stärker etablieren. Aber auch der Amateursport gewinnt durch regionale Vereine und den Universitätssport immer mehr an Bedeutung. Im Hinblick auf den Marktumsatz gehört Deutschland zu den am stärksten Märkten weltweit und nimmt in Europa eine klare Vorreiterrolle ein.
ADZINE: Der Bereich E-Sport befindet sich also in der Gesellschaft im starken Wachstum. Aber haben das die Werbetreibenden so auch schon erkannt? Welchen Stellenwert hat E-Sport bei der Mediaplanung derzeit in Deutschland?
Dahlhoff: Der Markt befindet sich grundsätzlich immer noch in der Aufklärungsphase – und das Werbeumfeld im E-Sport in der Aufbauphase. Gleichzeitig steigt die Nachfrage, es werden immer mehr Marken im E-Sports-Umfeld sichtbar und das Interesse an E-Sports wächst merklich. Um sich wirkungsvoll in diesem Wachstumsfeld zu etablieren, erarbeiten wir mit unseren Kunden kreative und innovative Lösungen, denn tradierte Kommunikationslösungen funktionieren hier nicht mehr. Gefragt sind maßgeschneiderte, individuell auf die jeweilige Marke zugeschnittene Konzepte, die eng verzahnt über alle für die E-Sports-Zielgruppe relevanten Kanäle geplant werden. Durch die hohe Expertise und das Wissen von Mitarbeitern, die selbst aktiv in diesem Umfeld unterwegs sind, können wir unseren Kunden glaubwürdige Lösungen anbieten.
Wer im E-Sport erfolgreich für seine Marke oder seine Produkte trommeln will, muss kreativ werden und Identifikationsfläche schaffen, um eine nachhaltige Bindung zu der Community aufzubauen.
ADZINE: Für welche Marken eignet es sich, hier zu werben, und für wen nicht? Wen erreiche ich im Gaming-Umfeld?
Dahlhoff: Grundsätzlich eignet sich der E-Sport für alle Marken, die sich mit der neuen Generation und ihrer Sportart identifizieren möchten. Hier sollte allerdings unterschieden werden: E-Sports ist immer Gaming, aber Gaming ist nicht immer E-Sports. Im Gaming-Umfeld erreiche ich einen Querschnitt der Gesellschaft mit einer gemeinsamen, breitgefächerten Leidenschaft. Die kann durch die Vielzahl an Spielen, Arten und Communities aber sehr unterschiedlich sein, während man im E-Sport auf eine homogenere Zielgruppe trifft, die entsprechend leichter zu kanalisieren ist. Im Kern sind es Männer zwischen 18 und 39 Jahren. Der Frauenanteil liegt je nach Spiel & Community bei rund 10 bis 15 Prozent – Tendenz allerdings steigend.
Im E-Sport erreicht man im Kern die GenZ und GenY, also junge, technologiebegeisterte und durchdigitalisierte Personen, meist Männer mit einer überdurchschnittlich guten Bildung und einem überdurchschnittlich hohen Einkommen. Der „Gamer“ und der „E-Sportler“ unterscheiden sich vor allem in der Aktivität – E-Sport-Enthusiasten spielen häufiger kompetitiv und schauen häufiger Streams, während der klassische Gamer sich eher bei den non-kompetitiven Gelegenheitsspielern- und Zuschauern einordnen lässt.
ADZINE: Im Sport geht es traditionell viel um Sponsoring und weniger um die vielfältigen Möglichkeiten, die die Digitalisierung den Werbetreibenden gebracht hat. Welche Advertising-Optionen bietet der E-Sport abseits des klassischen Sponsorings?
Dahlhoff: Kommunikationslösungen sollten grundsätzlich immer ganzheitlich gedacht werden. Sponsoring kann ein Baustein sein. Je nach Zielen und Marketing-KPIs gibt es eine große Bandbreite an Optionen. Es gibt keine One-fits-all-Lösungen. Insbesondere bei übergreifenden Kampagnen ist ein hohes Maß an kanaladäquater Aussteuerung nötig und sinnvoll. Die Kommunikation sollte immer auf die Funktionen und Stärken des jeweiligen Kanals angepasst werden.
Zentrale Bedeutung haben Bewegtbildplattformen wie Twitch und Youtube, aber auch Twitter und Instagram, Influencer bzw. Spieler & Streamer, sowie Branded Online Tournaments oder ausgewählte TV-Formate auf Sport 1, E-Sports1 oder den Sendern von ProsiebenSat.1. Als fundamental wichtig würde ich aber die Kreativität der Idee und die Glaubwürdigkeit des gesamten Engagements herausstellen. E-Sports-Enthusiasten sind im Kern sehr offen für Marken und Werbung. Allerdings nur, wenn die Werbung auch gut gedacht, gut gemacht und das Engagement wirklich merhwertstiftend ist. Nichts ist schlimmer als Werbung von Marken, die sich offensichtlich nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt haben und deren einziges Ziel es ist, ihre Produkte mit aller Macht in diesem neuen Markt zu platzieren.
ADZINE: Wie entwickelt sich die digitale Werbung im Gaming-Umfeld weiter? Was können Werbetreibende in Zukunft erwarten?
Dahlhoff: Streaming-Plattformen und Ingame Advertising sind digitale Wegbereiter. Neue Optionen ergeben sich auch immer gerne durch Test & Learn von Kampagnen. Wir denken Kampagnen holistisch im Hinblick auf Marke, Content, Media, Kreation und Produktion. Durch das Zusammenspiel dieser Disziplinen entstehen neue Lösungen, die individuell aus der Marke heraus und auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden. Und hierbei darf die Kampagnenwirkung und -effizienz nicht ausgeblendet werden. Wir müssen den Wirkungsbeitrag neuer Lösungen betrachten und schauen, ob die Budgets zielführend allokiert werden. Am Ende geht es aber vor allem darum, Mut zu beweisen, Learnings zu generieren und Erfahrungswerte kontinuierlich in seine Werbemaßnahmen einfließen zu lassen
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!