Tobias Meuser-Schaede, Fissler, im Portrait: Vom Gründerdasein ins Traditionsunternehmen
Sandra Goetz, 29. Mai 2019Jung, modern und unverwechselbar – so präsentierte sich der Premium-Kochgeschirrhersteller Fissler Anfang des Jahres auf der internationalen Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt. Mit einem grundlegend veränderten Auftritt legt das 1845 gegründete Traditionsunternehmen aus Idar-Oberstein aktuell das Fundament, die Marke weltweit noch stärker zu machen. Zum globalen Relaunch gehört dabei nicht nur die Entwicklung einer neuen kommunikativen Leitidee und die Überarbeitung des visuellen Markenauftritts, sondern ebenso die weitere Investition ins digitale Marketing. Dafür holte das Familienunternehmen im Sommer 2016 den Kölner Tobias Meuser-Schaede an Bord. Seither verantwortet der 36-Jährige als Head of E-Commerce die weltweiten Marketingaktivitäten des in über 80 Ländern aktiven Unternehmens. Ein Portrait.
ADZINE: Herr Meuser-Schaede, bevor Sie bei Fissler anfingen, waren Sie selbst Unternehmer in Köln. Wie sind Sie nach Idar-Oberstein gekommen?
Tobias Meuser-Schaede: Ich habe zunächst einige Semester Jura studiert, mich jedoch bereits während des Studiums mit meiner ersten Firma im Bereich Sportartikel selbstständig gemacht. Das lief so gut, dass ich das Studium nicht beendet, sondern mich um meine Firma gekümmert habe. Nachdem ich diese verkauft hatte, gründete ich ein neues Unternehmen, das ebenfalls im Bereich Sportartikel angesiedelt war, dieses Mal allerdings mit einem stärkeren digitalen Fokus – konkret auf Mass Customization. Nach acht Jahren habe ich wesentliche Anteile des Unternehmens verkauft, ohne zu wissen, wie es danach für mich weitergehen würde. Ein befreundeter Head Hunter kam in dieser Zeit auf mich zu und sagte: „Du kochst doch gerne?! Dann habe ich das Richtige für dich: Fissler sucht einen Digitalexperten.“
ADZINE: Nun ist es doch ein Unterschied, ob man selbst gerne kocht oder für ein berühmtes Familienunternehmen wie Fissler das digitale Marketing samt E-Commerce steuert?
Meuser-Schaede: Selbstverständlich. Dennoch hörte es sich spannend an, was mir der Head Hunter erzählte. Allein der Standort Idar-Oberstein hat mich ein wenig unruhig gemacht. Ich bin in Köln aufgewachsen, habe in Hamburg und Paris gelebt, war berufsbedingt auch mal in China und den USA. Als Unternehmer befand sich mein Büro zehn Jahre lang in der Kölner Innenstadt. Dennoch bin ich das Wagnis eingegangen, habe für Fissler die erste Bewerbung meines Lebens geschrieben und bin nach Idar-Oberstein gefahren.
ADZINE: Und es hat geklappt. Was war Ihnen wichtig?
Meuser-Schaede: Die Familie ist sehr progressiv und dem Digitalen gegenüber sehr aufgeschlossen. Das hat mich vor allem überzeugt. Natürlich auch, dass Fissler eine weltweit bekannte Marke ist und schon unzählige nationale und internationale Designpreise für seine Produkte gewonnen hat. Darüber hinaus hat mich gereizt, dass ich die Digitalstrategie von Anfang an aufbauen, umsetzen und begleiten sollte.
ADZINE: Gehen wir in medias res: Was interessiert Sie besonders am digitalen Marketing?
Meuser-Schaede: In erster Linie die Messbarkeit. Was ich nicht messen kann, mache ich auch nicht. Das ist mein Credo. Was ich darüber hinaus spannend finde, sind die immer neuen Themen.
ADZINE: Was ist das Besondere daran, für das Unternehmen Fissler digitales Marketing zu machen?
Meuser-Schaede: Die Internationalität und die vielen Tochtergesellschaften machen es spannend. Man wird unterschiedlich herausgefordert, die Marketingmaßnahmen sind sehr individuell – auch, was die Themen betrifft. Im digitalen Marketing ist es außerordentlich hilfreich, von einem Land zum anderen zu lernen. So sind unsere digitalen Marketingmaßnahmen in Korea andere als in China. Auch kann es auf der einen Seite sein, dass wir das komplette Marketing in einem Land betreuen, weil sich der Markt noch im Aufbau befindet oder nicht die Größe hat, um mit einem eigenen Team vor Ort zu sein. Auf der anderen Seite sind wir für ein anderes Land eher eine Art Sparringspartner. Dort sitzt dann ein größeres Team, das hochprofessionell den digitalen Marketing-Mix bearbeitet.
ADZINE: Und wie kriegt Fissler sein Kochgeschirr an den Mann bzw. an die Frau?
Meuser-Schaede: Jeder braucht Töpfe und Pfannen. Wir sind jedoch im Premium-Segment unterwegs. Ein großer Prozentsatz der Suchvolumina kommt deswegen für unsere Produkte nicht in Frage. Für unsere Arbeit ist es also essentiell, die richtigen Zielgruppen zu identifizieren. Daher spielt etwa Influencer Marketing für uns eine große Rolle. Letztes Jahr haben wir beispielsweise über einen Mikro-Influencer-Algorithmus die wichtigsten Mikro-Influencer in verschiedensten Portalen identifiziert und dazu entsprechende Funnel, Opt-In Landing Pages und Customer Audiences erstellt, so dass wir die Top drei Prozent der für uns relevanten Mikro-Influencer angesprochen haben. Das war ein vollautomatischer Prozess, zu dem wir gleichzeitig einen vollautomatisierten Warenversandprozess kreiert haben. Um es kurz zu machen: Wir konnten die Reichweite um bis zu 80 Prozent verbessern!
ADZINE: Auf welche Spielarten des digitalen Marketings setzt Fissler in Deutschland noch?
Meuser-Schaede: Zum einen auf die Klassiker, also Google AdWords und Social Media, allen voran Facebook, Instagram und seit kurzem auch Pinterest. Snapchat erübrigt sich von selbst – nicht nur wegen der sehr jungen Zielgruppe, sondern auch, weil der Erfolg schwer messbar ist.
ADZINE: Wie sieht es aus mit Mobile und Display?
Meuser-Schaede: Mobile ist besonders in unseren asiatischen Märkten wichtig. In China und in Korea haben wir eine Mobile-Use-Quote von über 90 Prozent. Von daher ist klar, dass „mobile first“ kein unternehmerisches Lippenbekenntnis ist. Ebenso spielt Display im asiatischen Markt eine große Rolle. Bei Display ist es allerdings schwierig, den Cashflow positiv zu konvertieren. Wenn wir können, setzen wir daher auf performante Marketingkanäle.
ADZINE: Trotz der Erfolge – auch die Premium-Kochgeschirr-Konkurrenz schläft nicht. WMF, Zwilling, GSW sind ebenso Weltmarken.
Meuser-Schaede: Wir legen Wert auf effiziente Maßnahmen, das heißt wir gehen in kleineren Messgrößen vor und versuchen, wo immer möglich den Marketing Cashflow positiv zu halten. Das ist für uns aber kein Nachteil, denn Effizienz gehört zum Marketing.
Außerdem: Fissler ist ein familiengeführtes Unternehmen, das es geschafft hat, sich seit der Gründung vor fast 175 Jahren zu einem der weltweit führenden Hersteller von hochwertigem Kochgeschirr zu entwickeln und dabei stets den Sinn für handwerkliche Tradition „Made in Germany“ zu bewahren. Das ist wirklich beachtlich!
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meuser-Schaede!