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MARTECH

Technologie befreit das Marketing aus der Isolation

Anton Priebe, 27. Mai 2019
Bild: BrandMaker Presse

Wir haben mit Romek Jansen, CMO von Brandmaker, gesprochen, um herauszufinden, mit welchen Herausforderungen Marketingentscheider in der Praxis zu kämpfen haben und wie die Lösungen dafür aussehen. Im Verlaufe des Interviews erklärt Jansen, wie Marketing von der Kunst zur Wissenschaft wurde und warum Marketer immer noch beide Aspekte für den Erfolg brauchen. Er spricht außerdem über die Rolle von Transparenz im Marketing und geht darauf ein, wieso Attribution strategisch auch in die falsche Richtung weisen kann.

ADZINE: Herr Jansen, wo sehen Sie heute die größten Herausforderungen für Entscheider von Marketingorganisationen in Unternehmen?

Romek Jansen: Wir haben in den vergangenen Jahren alle CMO-Reports heruntergeladen, die wir finden konnten, und mit unseren größten Kunden gesprochen, um diese Frage zu beantworten. Vor ein paar Jahren war die größte Herausforderung für CMOs, wie man eine bessere, nahtlose Customer Experience kreiert. Inzwischen lautet die Priorität jedoch: Wie machst du Marketing zu einem Wachstumstreiber? Also wie kann Marketing zum Umsatz beitragen?

Wir haben drei hauptsächliche Probleme in der Praxis identifiziert. Erstens: Content Creation – wie kann man Content skalierbar machen? Die gesamte Content-Produktion ist zu einem Engpass im Marketing geworden. Die Masse an Content und die verschiedenen Versionen, die produziert werden müssen, wachsen extrem schnell.

Das zweite größere Problem ist die Antwort auf die Frage: Wie stellst du fest, welche Aktivitäten den größten Wert in Bezug auf ROI kreieren?

ADZINE: ...also Attribution?

Jansen: Ja, auch. Auf der einen Seite möchtest du wissen, welchen Wert beispielsweise ein bestimmtes Kundensegment bringt und wie hoch die Conversion Rate ist. Auf der anderen Seite aber letztlich auch, wie viel du für dieses Ergebnis ausgegeben hast. Also die Frage nach der Budgetierung insgesamt.

Das dritte Problem lautet Agilität. Die Situation auf dem Markt ändert sich so schnell, dass die Entscheider nicht mehr mit einem Ein-Jahres-Plan auskommen. Sie benötigen kürzere Iterationen, müssen auf News reagieren, auf die Produkte von Wettbewerbern oder Änderungen im Markt. Die Agilität des gesamten Unternehmens ist also sehr wichtig.

ADZINE: Welche Vorteile hat Technologie dem Marketing bisher gebracht und welche Bereiche waren betroffen?

Jansen: Technologie hat alle Bereiche im Marketing berührt, von Social über Customer Journeys zu internen Strukturen in Organisationen. Aber das Entscheidende ist wohl, dass nur mit Technologie Volumen zu bewältigen sind. Wenn du mit Volumen arbeiten kannst, steht dir eine große Menge an Daten zur Überprüfung zur Verfügung, was dir bessere Insights liefert, die wiederum zu besseren Entscheidungen führen. Die Prämisse dafür jedoch ist, dass die Arbeit mit großen Volumen überhaupt möglich wird.

ADZINE: Wo sehen Sie in Zukunft den größten Effekt oder Hebel durch Technologieeinsatz im Marketing?

Jansen: Wenn du auf die Siebziger zurückschaust, war Marketing eine reine Kunst. Es ging immer um Branding und Experience, aber es existierte keine Möglichkeit zu beweisen, dass es wertstiftend war.

Der größte Effekt der Technologie heute ist, dass das gesamte Feld des Marketings klarer für den Rest der Organisation wird. Also wie es funktioniert und wie es Wert stiftet. Das Marketing ist von einer Kunst zu einer Wissenschaft geworden.

Interessanterweise muss beides aber nun ausbalanciert werden. Im Marketing geht es nicht ausschließlich um Daten und deren soziale oder psychologische Effekte.

ADZINE: … sondern auch um den kreativen Aspekt?

Jansen: Genau. Deswegen liebe ich Marketing so sehr. Es ist nicht, wie beispielsweise Logistik, emotionslos. Es berührt das gesamte Spektrum des Menschen. Der wissenschaftliche Teil verhilft dem Marketing dann in eine andere Position innerhalb des Unternehmens zu gelangen.

ADZINE: Wie kann Marketingtechnologie konkret helfen, bessere Entscheidungen zu treffen? Abseits vom bereits angesprochenen Volumen, dass kontrollierbar wird.

Jansen: Viele Marketer haben Angst davor, dass mehr Transparenz in der Kürzung von Budgets mündet. Die Realität ist aber, dass Marketingabteilungen, die transparenter sind, im folgenden Jahr mehr Budget erhalten. Der Grund dafür ist folgender: Wenn du zeigen kannst, dass du die Dinge unter Kontrolle hast, vermittelst du dem internen Management bzw. Stakeholdern ein besseres Gefühl, dass ihr Budget gut eingesetzt wird. Wenn du Marketing als eine Blackbox ansiehst, machst du es dem Management einfach die Kosten dafür zu reduzieren. Mehr Transparenz resultiert normalerweise also in mehr Budget.

ADZINE: Erhalten Marketingverantwortliche in Zukunft durch Technologie eine gute Vergleichbarkeit hinsichtlich der Wirkung von Maßnahmen für zukünftige Budgetentscheidungen? Das müsste demnach ein klares Ja sein, oder?

Jansen: Ja, definitiv. Was Marketing-Attribution betrifft, sehe ich jedoch insbesondere eine Herausforderung: Tactification. Man braucht immer noch eine übergeordnete Strategie. Du kannst nicht einfach die wichtigsten Taktiken bestimmen und dich nur auf diese fokussieren.

Ein Vergleich: Wenn du ein Fußballteam daraufhin analysierst, wer die meisten Tore schießt, sind es die Stürmer. Du wirst aber dennoch niemals elf Stürmer auf dem Feld sehen.

Das gleiche trifft auch auf Marketing Attribution zu. Du siehst, welche Aktivitäten den größten Effekt haben, aber das bedeutet nicht automatisch, dass man sich nur auf diese konzentrieren sollte. Das Marketing besteht aus taktischen Dingen, wie den Stürmern, aber auch aus den strategischen, dem System, wie Branding usw.

Teil der Herausforderung dabei ist, dass es heute viele Marketer gibt, die als Digital Natives aufgewachsen und extrem fokussiert auf ein Gebiet sind – beispielsweise reine Facebook- oder Google-Spezialisten. Sie leisten durchaus wertvolle Arbeit und tun magische Dinge, aber es existiert immer eine übergeordnete Marketingstrategie, wie ein Regenschirm, die sich in den vergangenen 30, 40 Jahren nicht viel verändert hat. Die Taktiken müssen in die Strategie passen. Du sammelst keine Taktiken und hoffst, dass am Ende eine Strategie daraus wird.

ADZINE: Gibt es Marketingthemen, die auch Sie als Technologieanbieter bisher vernachlässigt haben?

Jansen: “Vernachlässigt” klingt ein bisschen zu negativ. Aber ja, wir sehen natürlich tausende Möglichkeiten für uns als Unternehmen. Dennoch muss man eine Entscheidung treffen, worin man seine eigenen Ressourcen investiert bzw. seine Entwickler dransetzt.

Wir haben in Künstliche Intelligenz (KI) investiert, weil wir denken, dass die Zeit reif dafür ist – beispielsweise in Bilderkennung, die unserer Meinung nach zuvor einfach noch nicht gut genug war. Vielleicht als Spielerei, aber nicht um tatsächlich Wert für ein Business zu stiften. Das ist heute anders.

ADZINE: Wie wird Bilderkennung bei Ihnen eingesetzt?

Jansen: Wenn du ein Bild auf unsere Plattform hochlädst, erkennt die KI, was sich auf dem Foto befindet. Zum Beispiel die Marke des Autos oder die Art der Umgebung. Die KI schreibt in die Metadaten die Elemente, die auf den Bildern zu sehen sind.

ADZINE: Sie vertaggen also die Bilder, um sie auffindbar zu machen?

Jansen: Korrekt. Die KI gibt dir Vorschläge, aus denen du auswählen kannst. Aber nicht nur das. Wir können die Begriffe auch in die jeweils festgelegte Systemsprache von BrandMaker übersetzen. Es sind also verschiedene Typen von KI in diesem Fall involviert.

Dies resultiert in einer Zeitersparnis für diejenigen, die uploaden, und in einer Kostenersparnis für diejenigen, die es später nutzen. Wenn du das Bild, das du benötigst, im System findest, wirst du keine Agentur beauftragen, extra eines zu erstellen.

ADZINE: Irgendwelche anderen Projekte mit KI auf Ihrer Agenda?

Jansen: Ja, wir erforschen verschiedene Bereiche, in denen KI hilfreich sein könnte.

Einer der weiteren Bereiche, wo wir schon ziemlich weit sind, ist das Budgetmanagement: Wie du analysieren kannst, welche Kampagnen gut funktioniert haben, um gute zu skalieren und schlechte zu beenden. Ein großes Datenset rund um Budgets und die verwendete Zeit, hilft dir zu verstehen, welches der effizienteste Weg ist, um Marketingkampagnen zu kreieren.

Ich würde aber sagen, dass wir diese Bereiche nicht vernachlässigt, sondern immer damit experimentiert haben. Jetzt ist die Zeit reif, um zu einem zentralen Teil in unserem Produkt zu werden. Wir denken uns das auch nicht aus, sondern arbeiten immer im engen Dialog mit den Kunden zusammen und ergründen, was wertvoll für sie sein könnte.

ADZINE: Was können wir in Zukunft von Technologie erwarten? Welche Bereiche in der Marketingorganisation wird es am stärksten verändern und wer wird am meisten profitieren?

Jansen: Am meisten profitieren wird der Kunde. Je besser die Technologie, desto geschmeidiger wird die Customer Experience am Ende sein.

Zum organisatorischen Teil: Bislang war es so, dass das Marketing sehr isoliert war. Nun jedoch wird jeder im Unternehmen zum Marketer. Die Marketingdisziplin ist weitaus mehr verbunden mit den anderen Abteilungen, als es früher der Fall war. Deshalb muss Marketing auch ein Enabler für Wachstum sein.

Die Marketingtechnologie wirkt sich auf Customer Success, Support, Sales und das Produkt aus. Sales kann den richtigen Content finden. Der Support profitiert, weil er erfährt, welche Interessen bestimmte Menschen haben. Finance bekommt einen besseren Überblick darüber, was wirklich Wert stiftet. Das Marketing verändert die gesamte Organisation der Unternehmen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Herr Jansen!

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