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PROGRAMMATIC

Inhousing von Programmatic Advertising: Deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich

Jens T. Möller, Analyst, 9. Mai 2019
Bild: Blake Wheeler; CC0 - unspalsh.com

Das Interactive Advertising Bureau (IAB) untersuchte im Februar und März 2019 in Zusammenarbeit mit der Digitalagentur Accenture Interactive und dem Marktforschungsinstitut Ipsos den europäischen Markt für Programmatic Advertising auf Markenseite und analysiert dabei die Adaptionsrate für das Inhousing programmatischer Werbeflächeneinkäufe.

Media-Entscheider von insgesamt 950 Unternehmen aus Deutschland (200 Unternehmen), Frankreich (200 Unternehmen), Italien (200 Unternehmen), Spanien (150 Unternehmen) und dem Vereinigten Königreich (200 Unternehmen) nahmen an einer Umfrage sowie Tiefeninterviews teil. Zwar gab es keine Vorgabe für die Größen der untersuchten Unternehmen, jedoch wurde sichergestellt, dass keine spezifische Unternehmensgröße im Sample überrepräsentiert ist. Die zentralen Fragestellungen beschäftigten sich dabei sowohl mit der Verbreitung von programmatischen Inhousing-Ansätzen in den untersuchten Ländern, als auch mit den Vorteilen und der Tiefe von Programmatic-Inhouse-Lösungen.

Die Relevanz programmatischer Werbung

Programmatic Advertising ist für Werbetreibende mittlerweile zum unverzichtbaren Rüstzeug geworden, um digitale Botschaften gezielt und effizient zur Zielgruppe zu steuern. Der programmatische Anteil von Displaywerbung, Mobile- und Video-Advertising nimmt kontinuierlich zu. Gleichzeitig wird das Inhousing dieses Prozesses bzw. Teilaufgaben des Verfahrens auch für Marken zunehmend relevanter. Die Kontrolle über die Entwicklung der Marke, die Hoheit über die eigenen Daten, die Zentralisierung von Prozessen und zunehmendes Kostenbewußtsein beim Thema Mediaeinkauf sind nur einige Aspekte, die für eine Beteiligung der Unternehmen am Programmatic Advertising Prozess sprechen.

Deutschland im Vergleich zurückhaltend

Unter den fünf vom IAB betrachteten europäischen Ländern liegt der Durchschnitt der Unternehmen, die auf Programmatic Advertising setzen, bei 65 Prozent. Im Vergleich dazu setzen lediglich 48 Prozent der deutschen Unternehmen programmatische Werbung ein und greifen dabei häufig auf externe Anbieter zurück. In Spanien und Italien hingegen kaufen 70 Prozent der untersuchten Unternehmen ihre Werbeflächen programmatisch. Frankreich bildet mit 63 Prozent fast den Mittelwert. Gründe für die deutsche Zurückhaltung sehen Experten von IAB und Accenture Interactive in den historisch strikteren Privatsphäreregelungen und Datenschutznormen.

Von den deutschen Unternehmen, die bisher nicht auf Programmatic gesetzt haben, gedenken 38 Prozent dieses in den nächsten zwölf Monaten zu ändern. Diese Aufholentwicklung passt zu den Ergebnissen einer Befragung der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) aus 2018, in der die Mitgliedsunternehmen grundsätzlich die Wichtigkeit von Programmatic bestätigen. Unter den abgefragten Marketing-Technologien hat Programmatic Buying die höchste Bedeutung bei den Mitgliedern des Verbandes.

Französische Marken (46 Prozent) liegen in der IAB-Studie bei dieser Frage ebenfalls unter dem Europadurchschnitt. Insgesamt planen 53 Prozent der europäischen Unternehmen, die bisher nicht programmatisch aussteuern, dies im nächsten Jahr zu verändern.

Programmatic Inhousing gewinnt weiter an Bedeutung

Die unternehmenseigene Abwicklung für Prozesse im Zusammenhang mit Programmatic gewinnt weiter an Bedeutung. Für das IAB betreibt ein Unternehmen Inhousing, wenn es den programmatischen Einkauf seiner Werbeflächen teilweise oder komplett im eigenen Unternehmen abwickelt. Von den 65 Prozent der befragten europäischen Marken, die angegeben haben programmatisch einzukaufen, wickeln 86 Prozent diese Prozesse bereits zumindest teilweise im eigenen Unternehmen ab und planen dies auch zukünftig beizubehalten. Mit 89 Prozent fällt die deutsche Inhouse-Rate im europäischen Vergleich am höchsten aus. Wobei diese hohe Rate als durchaus kritisch zu betrachten ist. Gerademal ein Drittel, 34 der 96 programmatischen Marken, bildet Programmatic Advertising vollständig inhouse ab. Bei 54 Prozent ist dies zumindest teilweise der Fall, wobei fraglich ist wie hoch dieser Anteil tatsächlich ausfällt.

Zwar kaufen lediglich nur knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen ihre Werbeflächen programmatisch ein, dennoch vertrauen diese dann überwiegend auf eine (partielle) Inhouse-Lösung.

Die Studie untersucht ebenfalls treibende Faktoren und Vorteile von Programmatic Inhousing aus Sicht der Unternehmen. In Deutschland haben 86 Marken ihren programmatischen Einkauf von Werbeflächen zumindest teilweise ins eigene Haus geholt. Die treibenden Faktoren sind dabei am häufigsten die gesteigerte Kampagnen-Effektivität, die Kostenersparnis und eine erweiterte Erreichbarkeit der Audience. Verbessertes Targeting und Echtzeitoptimierung sind weitere Vorteile, die die Marken nennen. Die Kontrolle über die Geschicke der Marke ist für die Unternehmen besonders wichtig. Gleichzeitig bedeutet das eine Abkehr von den großen Playern wie Google und Facebook.

Um festzustellen, wie tief Inhousing in den Unternehmen verankert ist, hat die Studie abgefragt, welche Aufgaben immer von externen Anbietern übernommen werden. Die deutschen Marken, die zur Zeit bereits programmatisch inhouse kaufen, wickeln am häufigsten Datenmanagementaufgaben unternehmensextern ab, gefolgt von der Strategieentwicklung und Steuerung von Kampagnen. Insgesamt erfolgt eine überwiegende interne Steuerung von operative Funktionen. Taktische Aufgabenfelder werden teilweise extern abgewickelt. Bei technologischen und datengetriebenen Entscheidungen erfolgt am häufigsten eine unternehmensexterne Abwicklung.

Dabei zeigt sich in allen untersuchten europäischen Ländern ein Bild der erhöhten unternehmerischen Kontrolle strategischer Aspekte im programmatischen Umfeld. Viele der befragten Unternehmen betonen zudem, dass sie deutlich mehr Kontrolle über ihre Demand-Side-Plattform (DSP) erlangen möchten.

Ein Fahrplan zum Thema Programmatic-Inhousing

In Tiefeninterviews wurden für die Studie ebenfalls Media-Entscheider und Branchenexperten dazu befragt, was Unternehmen ihrer Meinung nach befolgen müssten, wenn sie in Erwägung ziehen den programmatischen Werbeflächeneinkauf inhouse abzuwickeln. Daraus wurde dann ein fünfstufiger Plan entwickelt, der folgende Punkte umfasst:

  • Durchführung einer unternehmensinternen Beurteilung betreffend Media Performance und einer Kosten-Nutzen-Analyse
  • Erstellung eines detaillierten Ablaufplanes des Implementierungsprozesses der Inhouse-Lösung
  • Zentralisierung der Daten und Integration mehrerer Datenquellen
  • Etablierung eines Tech Stacks
  • Talentakquise

Im Kern decken die fünf Punkte den Vor- und Nachbereitungsprozess bei der Implementierung einer programmatischen Inhouse-Lösung ab. Von besonderer Relevanz sind in diesem Kontext die Etablierung eines eigenen Tech Stacks und die Talentakquise. Die langfristige Bindung von Know-how im Unternehmen wird von den Branchenexperten als besonders erfolgskritisch angesehen.

Die Auswirkungen der DSGVO auf programmatische Werbung

Die Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai 2018 jährt sich dieses Jahr zum ersten Mal. Das IAB und Accenture Interactive untersuchten in diesem Zusammenhang in ihrer Studie auch, inwiefern die DSGVO die Branche geprägt und sich auf den Bereich des Programmatic Advertisings ausgewirkt hat. Dabei geben über 70 Prozent der in Deutschland befragten Unternehmen an, dass sich die Datenqualität nach Einführung der DSGVO zumindest teilweise verbessert hat. Der mit der DSGVO einhergehende leichte Datenverlust – 45 Prozent der befragten Marken geben dies für Deutschland an – mag dadurch kompensiert werden.

Über zwei Drittel der in Europa befragten Unternehmen erklären zudem, dass ihre Ausgaben für programmatisch geschaltete Werbung in den acht Monaten nach Einführung der DSGVO tatsächlich angestiegen sind. Für Deutschland können dies 73 Prozent der Befragten bestätigen. Weiterhin bescheinigen die Studienergebnisse der DSGVO einen positiven Einfluss auf das Verbrauchervertrauen. Die europäische Verordnung hat für die programmatische Werbebranche somit durchaus auch Vorteile.

Takeaways

  • 48 Prozent der befragten deutschen Unternehmen kaufen Werbeflächen programmatisch ein und liegen damit unter dem europäischen Durchschnitt von 63 Prozent.
  • Von den deutschen Unternehmen, die Programmatic Buying nutzen, haben 89 Prozent mindestens Teilprozesse ins eigene Unternehmen geholt.
  • Gesteigerte Kampagnen-Effektivität, Kostenersparnis und eine verbesserte Reichweite sind die treibenden Faktoren beim Inhousing.
  • Operative Prozesse werden am häufigsten unternehmensintern gesteuert, während strategische Aufgabenfelder häufiger an externe Anbieter vergeben werden.
  • Die Datenqualität im Programmatic Advertising hat sich nach Einführung der DSGVO verbessert.

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