Warum 3rd-Party-Daten in Deutschland besser sind als ihr Ruf
Anton Priebe, 10. April 20193rd-Party-Daten sind in Deutschland leider mangelhaft, wenn man dem Branchengeflüster Glauben schenken möchte. Doch sind sie das wirklich? Oder wissen Advertiser bzw. Mediaagenturen nur nichts damit anzufangen? Bei wem liegt eigentlich die Verantwortung für hochwertige Daten im Programmatic Advertising?
Zunächst einmal muss geklärt werden, was gute Qualität in Bezug auf Daten überhaupt bedeutet. Denn zu den eigens generierten 1st-Party-Daten und eventuellen 2nd-Party-Daten durch mehr oder weniger direkte Partnerschaften gesellen sich im Programmatic Advertising oftmals 3rd-Party-Daten zur genaueren Aussteuerung von Kampagnen. Häufig kommen hier neben Vermarktern wie Ströer, Otto Media, Mobile & Co. auch Aggregatoren wie Adsquare oder Eyeota ins Spiel. Advertiser sind in der Regel auf diese Daten angewiesen, insbesondere zur Veredelung des eigenen Sets, wenn die Zielgruppe im Lower Funnel spitz sein soll.
Für den BVDW ist klar, wie sich Datenqualität definiert: Es muss ersichtlich sein, wo, wann und wie sie erhoben wurden. Zum Thema Targeting unter Einbeziehung von Online- und Offline-Daten hat der Branchenverband einen Leitfaden herausgegeben.
Das Wo meint die Umstände und das Umfeld, in dem der Datenanbieter das Attribut erhoben hat. Das Wann ist kritisch für die Aktualität der Informationen. Das Wie bezieht sich nicht nur auf die technische Umsetzung, sondern auch auf die Erhebungslogik, die ein Merkmal als ein solches klassifiziert. Die DSGVO-Konformität ist seit vergangenem Jahr selbstverständlich Prämisse.
Oliver Migge, Experte für Digitales Auditing von der IMEDIAG, rät zu einer Kombination von 1st-Party- und 3rd-Party-Daten für Kampagnen:
“Relevante KPIs zur Bewertung der Daten sind vor allem die Aktualität und die Skalierbarkeit. Beim Zukauf von Daten sind das die beiden zentralen KPIs, die es zu berücksichtigen gilt. 3rd-Party-Daten bleiben jedoch auch weiterhin Standardsegmente und sind somit nicht exklusiv nutzbar. Eine Differenzierung zum Wettbewerb um die gleiche Zielgruppe wird so schwer und teuer: Viele Werbungtreibende bieten im Zweifel zur selben Zeit auf dieselbe Nutzerschaft. Wenn Werbungtreibende jedoch in der Lage sind, eigene Segmente zu bilden, beispielsweise durch Hinzunahme von 1st-Party-Daten, können sie einen Wettbewerbsvorteil in puncto Effektivität und Effizienz erzielen.”
Die Datenqualität in Deutschland
Eine Umfrage unter OWM-Mitgliedern im Herbst förderte zutage, dass keiner der Advertiser im Verband komplett zufrieden mit der Qualität der Daten ist, die er für sein Targeting einsetzt. Über die Hälfte der Befragten war lediglich “teilweise” glücklich mit dem Treibstoff ihrer Kampagnen.
Analog dazu bestätigt Uwe Storch, Stellvertretender Vorsitzender in der OWM, auf der diesjährigen d3con die pessimistische Sicht der Advertiser. Als Head of Media bei Ferrero wusste er in der Vergangenheit oft nicht, welchem Datenanbieter er trauen soll. Es herrsche allgemein Intransparenz auf dem Markt.
Auch Rasmus Giese von United Internet Media, dem Vermarkter von WEB.DE, GMX und 1&1, ist überrascht, was hierzulande feilgeboten wird. Er verrät im Panel, dass sein Unternehmen die eigenen Daten gerne großflächiger für Werbetreibende zur Verfügung stellen würde. Doch die mangelnde Transparenz auf den bestehenden Marktplätzen und die schlechte Qualität der gehandelten Daten sei abschreckend.
Sascha Dolling, Managing Partner bei der Mediaagentur OMD Hamburg, hält dagegen:
”Im internationalen Vergleich ist die Qualität der angebotenen Daten mit Sicherheit als überdurchschnittlich zu bewerten. Dies betrifft zunächst insbesondere die Datenerhebung sowie deren Verarbeitung. Die kaum spürbaren Auswirkungen der DSGVO auf das deutsche Datenangebot zeigen, dass die Arbeit nach hohen Datenschutzstandards schon längst obligatorisch war.
Gleichzeitig böten deutsche Datenanbieter oft eine höhere Transparenz hinsichtlich Datenerhebung, Aktualität oder auch eingesetzter Methoden und Signifikanzniveaus. Dies seien alles Dimensionen, die es dem Einkäufer erleichtern, Datengüte und -eignung für seinen Anwendungsfall zu bewerten. Nur in den USA seien die Daten noch tiefer – die Erhebungsmechanismen dafür hierzulande aber entweder verpönt oder gar verboten.
Als Leiter der Fokusgruppe Programmatic Advertising des BVDW hat Dolling einen guten Einblick in die Marktsituation. Wie kommt also diese Diskrepanz zwischen Vermarkter, Agenturen und Werbetreibenden zustande?
Es fehlt an Know-how
Ein großer Faktor ist sicherlich die Tatsache, dass insbesondere bei großen Advertisern noch viel im Umgang mit Daten falsch gemacht wird. Die Datenkompetenz ist in vielen Unternehmen schlichtweg mangelhaft, bemerkt Erik Siekmann, Gründer der Unternehmensberatung Digital Forward. Das spielt im Endeffekt natürlich auch für die spätere Attribution eine Rolle. Eine Datenzentrierung, soweit möglich, sei daher zwingend notwendig.
Als Positivbeispiel sei an dieser Stelle die Deutsche Telekom zu nennen. Deren Media-Leiter Norman Wagner ist ebenfalls überzeugt, dass man als Advertiser unbedingt eine Datenstrategie braucht. Er hat in seinem Team auf höchster Ebene zwei Datenspezialisten an seiner Seite: einen für den Einkauf und einen Analytiker.
Der Markt gibt sicherlich für jeden Werbetreibenden die richtigen Daten her. Verschiedene Anbieter haben ihrerseits jeweils ihre Spezialgebiete. Die Advertiser müssen nur wissen, wo sie welche Art von Daten einkaufen und diese vor allem dann noch richtig bewerten können. Doch das Know-how zu inhousen ist teuer. Uwe Storch argumentiert, dass es nicht nur eine Kosten-, sondern auch eine Talentfrage sei. Das gesamte Wissen um den Tech-Stack zu inhousen sei eine Illusion. Schließlich gebe es genau dafür Spezialisten – womit er auf die Mediaagenturen anspielt, denen die Beraterrolle zukommt. Storch möchte das Know-how bei den Agenturen mit einkaufen.
Wie Marktteilnehmer das Datengeschäft transparenter machen könnten
Werbetreibende sehen die Mediaagenturen zudem in der Pflicht, für Transparenz beim Einkauf zu sorgen. Sie sollen die Preisaufschläge für den Einsatz des Targetings zufriedenstellend begründen können. Die Agenturen wiederum fordern ein tiefergehendes Briefing. Um gute Arbeit zu leisten, sind sie auf umfangreiche Anleitung angewiesen. Dazu gehört beispielsweise zu wissen, welche konkreten Businessziele hinter der Kampagne stehen.
Oliver Migge erklärt:
”Die entscheidenden Fragen zur Bewertung von Preisaufschlägen für Targeting-Daten lauten: Welchen Uplift können 3rd-Party-Daten für eine konkrete Kampagne (wahrscheinlich) liefern? Wird (wahrscheinlich) mehr Medialeistung in der Zielgruppe ausgeliefert, als es ohne 3rd-Party-Daten der Fall gewesen wäre? Im Ergebnis kann ein Zielgruppen-TKP vs. Benchmark berichtet werden. Das ist natürlich nur bei Offenlegung aller verfügbaren Daten möglich. Ansonsten kann die beispielhafte Frage, ob eine I/0-Kampagne – ohne extra Investments in Technik und Daten – nicht genauso viel Ad Impressions in die Zielgruppe ausgeliefert hätte wie eine programmatische Kampagne, nicht beantwortet werden.
Migge empfiehlt daher schon vor der Kampagne zu definieren, wie die Qualität der zugekauften Profildaten – und damit auch die Kampagne selbst – bewertet wird. Das könne beispielsweise durch ein Panel oder eine Befragung realisiert werden. So werde ein hoher Media-TKP durch gute Zielgruppenergebnisse vielleicht immer noch effizient. Die Basis dafür sei aber unabhängig überprüfbare Transparenz der Marktpartner.
Know-how und Transparenz als Bedingung für effizienten Dateneinsatz
Damit auf Augenhöhe über den notwendigen Dateneinsatz diskutiert werden kann, müssen Advertiser früher oder später Know-how aufbauen. Auch die Agenturlandschaft entwickelt sich weiter und steht mittlerweile beim Onboarding beratend zur Seite. Sascha Dolling gibt vorweg eine Richtlinie für den Einkauf von Daten. Transparenz sei dabei kein Qualitätsmerkmal, sondern grundsätzliche Bedingung:
“Für den Erwerb von Daten heißt das: Die exakte Definition der Merkmale, Art der Erhebung, die Aktualität und seit der DSGVO auch die Art des Consents müssen bekannt sein, Modelle und Signifikanzen sollten zumindest auf Nachfrage benannt werden können.
Ohne die entsprechende Transparenz sollte der Einkäufer die Nutzung der Daten grundsätzlich hinterfragen. Denn spätestens bei der Frage des Datenschutzes – der Nutznießer einer Datenverarbeitung, also der Werbetreibende haftet grundsätzlich erstmal für die gesamte Kette – genügt auch das insbesondere bei Performancekunden vorgetragene Argument, dass die gezielte Performance ja stimmt, nicht mehr aus.”
Also ist es schon aus rechtlicher Sicht ratsam, Datenkompetenz aufzubauen, um deren Qualität kritisch zu bewerten. In der Branche kursiert zudem seit kurzem eine aufsehenerregende Zahl: 15 Cent. Es heißt, für jeden ausgegebenen Euro Werbebudget kommen letztlich nur 15 Cent beim Publisher an. Der Rest versickert im Tech-Stack des Programmatic-Advertising-Ökosystems dazwischen. Wenn Marktteilnehmer genau wissen, was sie wofür benötigen, tragen sie Stück für Stück zur Transparenz im gesamten System bei. “Der beste Garant für Qualität ist immer noch der bewusste Einsatz von Fachexpertise”, meint Dolling.
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