Programmatic-Strategie bei Gutefrage.net: Mehr Wettbewerb = mehr Umsatz
Frank Puscher, 30. April 2019Für Gutefrage.net hat sich das Inhousing der Vermarktung gelohnt. Seit der Abkehr von Vermarkter haben sich die Werbeumsätze signifikant erhöht und gleichzeitig ist die Website besser geworden.
Longtail und Programmatic – das ist auf dem Papier ein Dreamteam. Nur die automatische Aussteuerung der Werbung verspricht eine gute Auslastung auf den vielen tausenden Seiten, die jeweils sehr tief in einzelne Themen gehen. Das kann ein Vermarkter kaum leisten, da es extrem viel Arbeit bedeutet und sich pro Seite meistens nur geringe Umsätze ergeben. Die Masse der Seiten macht es. Alternativ heißt die Strategie „Gießkanne“ und die schöpft natürlich keinerlei Wert aus den Daten und vor allem dem Content, der oft das Zeug dazu hat, lange Verweildauern und hohes Engagement bei den Nutzern auszulösen.
Vor diesem Hintergrund ist die Meldung „Gutefrage geht programmatic first“ keine Überraschung. Das ist aber nur die theoretische Betrachtung. In der Praxis funktioniert das landauf landab noch ganz anders. Longtail-Publisher wie zum Beispiel Delius Klasing mit yacht.de oder mobile.de mit Motor-Talk halten auf ihren Start- und Rubrikseiten an exklusiver Vermarktung fest, handeln Deals mit Werbungtreibenden oder Vermarktern aus und lassen den Rest der Seite in einer Art „Restplatzvermarktung“ mitlaufen. Auf den Unterseiten wird dann durchaus die SSP zum Einsatz gebracht, aber eben auch nur dort. Viel lief auch bei Gutefrage.net über Google Adsense, wie bei fast jedem Publisher hierzulande.
Und somit lautet die echte Schlagzeile: „Keine Priorisierung mehr auf den Werbeflächen bei Gutefrage“. Das Team aus dem Hause Holtzbrinck (17 Mio. Unique User laut AGOF) ist den mutigen Schritt gegangen, auch die Premium-Inventare in die Auktionen einzubinden. Das hat sich ausgezahlt: Laut Google-Reporting erzielt Gutefrage.net im mobilen Sektor, der fast Dreiviertel des Traffics ausmacht, einen eTKP, der um 90 Prozent besser liegt als der Durchschnitt auf der Google Exchange.
Diese Zahl sollte man kritisch betrachten, denn Google hat ein ureigenes Interesse, jeden seiner Kunden besser dastehen zu lassen als den Durchschnitt. Man nennt das Kundenbindung. Markus Forster, der Chief Sales Officer der Holtzbrinck Digital Content Group, weiß das und verweist auf seine eigenen Zahlen: „Wir haben unseren Umsatz pro Seite um 21 Prozent gesteigert“.
Mehr Flächen und Formate frei zum Gebot
Und wie hat Gutefrage das gemacht? Im Grunde ganz simpel: Man hat auf jeder Werbefläche den Wettbewerb erhöht. Im ersten Schritt dürfen die DSPs jetzt auch auf die Premiuminventare buchen. Das erhöht dort hoffentlich die Nachfrage und steigert die Preise.
Im zweiten Schritt hat man die Werbeflächen so ausgebaut, dass nicht nur Display-Banner sondern auch Text/Bild-Anzeigen und Native Ads auf die gleichen Flächen bieten und sich gegenseitig im Preis nach oben schaukeln. Für Outstream wurde ein gesondertes Format entwickelt.
Markus Forster, CSO der Holtzbrinck Digital Content Group, erklärt:
”Header Bidding ist das Herzstück unserer programmatischen Vermarktung. Wir haben hier über zweieinhalb Jahre Investition und Entwicklung reingesteckt. Darüber vermarkten wir ca. 80 Prozent von unserem Inventar. Wir haben eine eigene Lösung (Wrapper) Inhouse dafür entwickelt und nutzen unterschiedliche Technologien für Client- und Serverseitiges Header Bidding. Darüber haben wir 20 SSPs und Exchanges angebunden, um einen möglichst hohen Nachfragedruck auf unserem Inventar (Display und Outstream Video) zu erzeugen und darüber den besten Preis für uns zu erzielen. Dahinter laufen sowohl automatisierte aber auch manuelle Prozesse wie zum Beispiel Floorpreisoptimierung oder Latencyreportings.
Im dritten Schritt hat man hat die AdServer-Tags verschlankt und komplett auf eine Technologie gesetzt. Dadurch verringerten sich die Ladezeiten erheblich. Laut Google um 34 Prozent. Und auch die erste Anzeige wird in nur noch zwei Dritteln der Ladezeit ausgeliefert.
Der vierte Aspekt ist die Optimierung. Natürlich bekommen die Performance-Reports jetzt eine neue Qualität, weil Premium- und Longtail-Inventare verglichen werden können und sich Kampagnen über alle Seiten hinweg besser aussteuern lassen. Außerdem ist der Programmatic Stack sehr reaktionsschnell, wenn es zum Beispiel um neue Inventar-Formate geht. Die langfristige Vertragsbindung gehört der Vergangenheit an.
Gutefrage als Vorbild für Longtail-Publisher
Tatsächlich taugt das Beispiel Gutefrage.net als Rollenmodell für alle Longtail-Publisher. Denn ist eine solche Automatisierung einmal aufgesetzt, lassen sich auch die wertvollen Daten, die im Longtail-Content stecken, monetarisieren, weil viel Handarbeit wegfällt. Damit fängt man in München gerade an. Die DMP steht, die semantische Auswertung der Contents wird getestet.
"Alle unsere Inhalte werden anhand von Tags geclustert. Beispielsweise wird die Frage 'Wo ist es auf Mallorca am schönsten?' mit Tags wie Reisen, Spanien, Mallorca etc. versehen. Auf Basis dieser Tags bilden wir Kategorien, die dann wiederum in der programmatischen Vermarktung als Targeting genutzt werden beziehungsweise auch als separate Daten über unsere Datenvermarktung eingekauft werden können", so Forster.
P.S. Über die neugegründete Holtzbrinck-Tochter Highfivve wird dieser Ansatz, der sich Smart-Monetization nennt, ab sofort auch anderen Publishern angeboten. “Unsere Strategie basiert darauf, den kompletten
Traffic eines Publishers effizient programmatisch zu monetarisieren“, sagt Markus Forster.
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