Frequenz-Management: Der Durchschnitt ist nicht genug
Christian Altemeier, 5. April 2019Einer der wichtigsten Faktoren zur Beurteilung der Effektivität von Werbung ist die Frequenz, also wie oft ein Nutzer Kontakt mit einer Werbekampagne hat. Die Platzierung, das Werbemittel und der Kontext können noch so perfekt sein – sieht ein Konsument die Anzeige zu oft oder nicht häufig genug, sind die Ergebnisse enttäuschend. Irrglauben führt jedoch häufig dazu, dass genau diese Szenarien eintreffen.
Jahrelange intensive Forschung zeigt, dass die optimale Werbemittelfrequenz in einer Customer Journey üblicherweise zwischen fünf und 15 Impressions liegt. Das individuelle Optimum ist abhängig von der Marke, dem Angebot und dem Kaufzyklus.
Wird die Frequenz anhand einer Kurve abgebildet, ist es in der Praxis leider so, dass es an beiden Enden zu einer starken Polarisierung kommt. Selbst wenn die durchschnittliche Frequenz einer Kampagne im optimalen Bereich liegt, ist es sehr wahrscheinlich, dass ein kleiner Prozentsatz der Nutzer für einen überproportionalen Anteil der Impressions verantwortlich ist. Gleichzeitig sehen die meisten Nutzer die Werbung zu selten, um eine Werbewirkung zu entfalten.
Es ist an der Zeit, die Metrik der Durchschnittsfrequenz zu überdenken. Viele Werbetreibende verlassen sich auf die durchschnittliche Häufigkeit der Werbemittelauslieferung, errechnet aus den Gesamt-Impressions und dividiert durch die Zahl der User, an die die Kampagne ausgespielt wird. Sie gehen aufgrund von zwei fälschlichen Annahmen davon aus, dass sich der Durchschnittswert auf die größte Gruppe bezieht. Der erste Irrglaube ist, dass jeder Publisher eine einzigartige Zielgruppe hat; die zweite Falschannahme besteht darin, dass jeder Publisher aktiv versucht, für seine einzigartige Zielgruppe die optimale Frequenz zu erreichen. Leider ist das allzu oft reines Wunschdenken.
Erster Irrglaube: Jeder Publisher bietet Unique Audiences
Werbetreibende konnten vor dem Einzug von Programmatic Advertising ihre zuvor definierten Zielgruppen auf unterschiedlichen Kanälen bequem erreichen. Sobald der Werbekunde auf drei Websites mit unterschiedlichen Content-Angeboten wie Sport News, Entertainment und tagesaktuellen Nachrichten eine Werbefläche einkaufte, erreichte er auf jedem dieser Portale unterschiedliche Nutzer. Zusätzlich konnte er davon ausgehen, dass der Publisher nach Möglichkeit die angestrebte Anzahl der Werbemittelkontakte für jeden der Nutzer optimieren würde.
Bei programmatischen Mediakäufen versuchen jedoch unterschiedliche DSPs, Trading Desks und Publisher, d.h. über mehrere Plattformen hinweg, auf ihrer individuellen Datenbasis den idealen Nutzer zu ermitteln. Für Werbekunden bedeutet dies eine zusätzliche Herausforderung, denn bei einer Zusammenarbeit mit verschiedenen DSPs wird jede davon demographische Daten, das Nutzerverhalten und andere Kriterien analysieren, um den vermeintlich optimalen Konsumenten zu erreichen.
Es werden ähnliche Targeting-Methoden angewendet, mit dem Resultat, dass seitens der programmatischen Mediaverkäufer unweigerlich eine weitgehend überlappende Zielgruppe angesprochen wird. In der Folge fällt die Anzahl der Werbemittelkontakte innerhalb dieser Nutzergruppe deutlich höher aus als ursprünglich geplant.
Selbst wenn jeder einzelne Mediaverkäufer die optimale Frequenz anstrebt, wird den Nutzern – ob dieser Überschneidung – das Werbemittel deutlich zu häufig ausgespielt. Dies kommt die Werbetreibenden in doppelter Hinsicht teuer zu stehen. Einerseits werden zahllose Impressions verschwendet, andererseits ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Werbung der kleinen und wichtigen Zielgruppe auf die Nerven geht.
Zweiter Irrglaube: Gleichmäßige Frequenzverteilung
Das Problem der sich überschneidenden Zielgruppen wird allerdings noch verschärft, da viele programmatische Mediaverkäufer den Zuschlag für den Last Touch, also den letzten Werbemittelkontakt vor einem Kauf eines Produktes auf der Kundenseite, für sich entscheiden wollen. Daher spielen sie einen Großteil der Impressions an eine relativ kleine Nutzergruppe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit konvertieren werden. Dieses Verfahren ist als Cookie Bombing bekannt.
Hat ein Nutzer bereits auf ein Werbemittel geklickt oder die Website des Werbetreibenden besucht, spielen Publisher unter Umständen über einen Zeitraum von wenigen Wochen 100 Impressions an diesen aus, um ihn per Retargeting zu erreichen. Vom Cookie Bombing betroffen ist jeweils nur eine kleine Nutzergruppe, die allerdings wiederum für einen unverhältnismäßig großen Anteil der ausgelieferten Impressions verantwortlich ist.
Gleichzeitig werden die verbleibenden eingekauften Impressions in extrem niedriger Frequenz von einer oder zwei Impressions an eine sehr große Nutzergruppe ausgespielt, um die durchschnittliche Anzahl der Werbemittelkontakte abzusenken.
Das Ergebnis ist: Die Durchschnittsfrequenz sieht für den Werbetreibenden relativ betrachtet gut aus, tatsächlich haben jedoch die meisten Nutzer entweder zu wenige (eine oder zwei) oder deutlich zu viele (100) Impressions ausgespielt bekommen.
Zusammengenommen führen der Effekt der überlappenden Zielgruppen und das Cookie Bombing zu extrem hohen Frequenzen für eine kleine Gruppe von Nutzern. Das schadet Werbetreibenden, weil Ausgaben verschwendet werden und die Möglichkeit, neue Kunden zu werben nicht ausgeschöpft wird. Mal abgesehen vom Risiko, Nutzer unnötig zu nerven, die per Retargeting zurückgeführt werden sollen. Die Durchschnittsfrequenz als Metrik zur Ermittlung der Effektivität hat heute ausgedient.
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