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ADTECH

Blockchain fürs Advertising - IAB zeigt Anwendung in Theorie und Praxis

Anton Priebe, 17. April 2019
Bild: Alina Grubnyak - Unsplash, CC0

Die Blockchain wurde mit Aufkommen des Bitcoin-Hypes zum heiligen Gral. Sie sollte alles verändern und auch das komplette Programmatic Advertising-Ökosystem revolutionieren. Mittlerweile ist die Euphorie gedämpft und die Erwartungen sind geschrumpft. Kaum jemand ist sich mehr sicher, was Blockchain überhaupt zu leisten vermag und was nicht. Das IAB Europe versucht mit einem Whitepaper nun realistische Szenarien für die Praxis zu beleuchten und zu vermitteln, warum die vielerorts beschworene “Revolution” der Online-Werbung nicht eingetreten ist – und ob sie noch kommen wird.

“Blockchain Demystified” nennt sich das 24 Seiten starke Dokument, das bei Null anfängt und Schritt für Schritt in die Thematik einführt. Das IAB Europe wirft darin einen nüchternen Blick auf die Technologie und zeigt die Anwendungsfälle im Advertising als auch die Probleme und Grenzen auf, mit denen insbesondere die Werbebranche in der Praxis noch zu kämpfen hat. Blockchain verspricht mit Blick auf Transparenz und Datenschutz zwar einige bislang oft diskutierte Aspekte zu lösen, jedoch nicht in der jetzigen Form.

Wie sieht die jetzige Form der Blockchain aus?

Die Blockchain muss man sich als eine Art Buch oder ein Verzeichnis vorstellen, das chronologisch und verschlüsselt Transaktionen aufzeichnet, die unveränderlich von allen Beteiligten eines Netzwerks dokumentiert werden und jederzeit einsehbar sind. Sie erlaubt, richtig eingesetzt, die vertrauliche Zusammenarbeit und Informationsvermittlung zwischen verschiedenen Parteien ohne einen Mittelsmann. Blockchain bietet Vertrauen und Transparenz durch Dezentralisierung, so das Credo.

In der Theorie kann sie alle Bereiche vereinfachen, in denen es um konsistentes Speichern, Messen und die Validierung von Daten geht. Konkrete Anwendungsfälle (außer Kryptowährungen) existieren jedoch wenige. Das IAB Europa ergründet daher das Potential der Technologie und beschreibt, was die Blockchain für die digital Werbung leisten kann und – viel wichtiger – was nicht.

Bereiche im Advertising, in denen Blockchain helfen könnte

Experten gehen davon aus, dass künftig Intermediäre in der Ad Supply Chain ausgeschaltet werden können, was SSPs überflüssig machen würde. Der IAB Europe hebt jedoch zunächst drei Bereiche hervor, in denen der Einsatz der Technologie realistisch erscheint.

1. Identitätsmanagement

Mithilfe der Blockchain könnte ein User über verschiedene Geräte und Plattformen hinweg identifiziert werden. Sie erleichtert das anonyme Matching ohne den Austausch sensibler Daten. Diese Form der Identifikation vereinfacht die Mediaplanung und den -einkauf sowie das Targeting. Die Blockchain würde in diesem Anwendungsfall also weitgehend die Aufgaben des Cookies übernehmen.

2. Verifikation

Wo heute noch Drittanbieter zur Validierung von Transaktionen ins Spiel kommen, könnte die Blockchain die Ad-Auslieferung verifizieren und protokollieren.

3. Zahlungsabwicklung

“Smart Contracts” könnten traditionelle Verträge zwischen Partnern ablösen. Die Technologie kontrolliert nicht nur die Durchsetzung der Vereinbarungen, sondern regelt auch gleich die Bezahlung.

Probleme, die noch zu lösen sind

Die größten Hürden bei den oben beschriebenen Einsatzmöglichkeiten lauten Zeit, Kosten, Wissen und Skalierung.

1. Zeit

Die Blockchain arbeitet nicht in Echtzeit, d.h. es kommt zu Verzögerungen. In der Online-Werbung zählt jedoch jede Millisekunde. Es ist zudem noch nicht klar, ob die Technologie den Anforderungen des komplexen Marktplatzsystems gewachsen ist. Die aktuelle Technologie schafft es jedenfalls nicht, auf der Ebene der individuellen Impressions zu tracken. Es wird aber an Lösungen gearbeitet. So testen einige Anbieter beispielsweise momentan, nur einen Teil der Kette zu validieren.

2. Kosten

Die Implementierung der Blockchain ist teuer. Daten müssen unendlich lange gespeichert werden und wachsen konsequent weiter an. Viele Marktteilnehmer sind auch aus dem Kostengrund noch zögerlich. Doch jeder in der Kette muss mitmachen, damit die Blockchain funktioniert.

3. Wissen

Das Know-how über Blockchain fehlt. Ohne Aufklärung wird die Technologie scheitern. Ein weiterer wichtiger Punkt in dem Zusammenhang ist zudem, dass die Anwender nicht darauf vorbereitet sind, den Strom an Daten zu interpretieren, der nach der Implementierung neu anfallen wird.

4. Skalierung

Advertising operiert in so großem Rahmen, dass die Anforderungen an die Technologie sehr hoch sind. Darüber hinaus ist das Ökosystem dermaßen komplex und fragmentiert, dass die Implementierung viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Zurück in die Praxis – kommt die Blockchain fürs Advertising?

Die Blockchain steckt noch immer in den Kinderschuhen. Es existiert heute keine einsatzbereite Lösung für den Werbemarkt. Momentan wird aber viel in der Hinsicht experimentiert. Das Whitepaper vom IAB nennt Use Cases von IBM für Unilever (konkrete Kaufabwicklungen und Supply Chain), Comcast für FreeWheel (TV Audience Daten) sowie PrivacyChain (Consent Management und Tracking) und adChain Audits von MetaX (Fraud Protection). Es wird auf jeden Fall einige Jahre dauern, bis etwas Marktreifes im Advertising entstehen wird. Doch selbst dann sind noch genug Hürden zu überwinden, damit die Lösung auch zum Einsatz kommen kann.

Die generelle Frage beim Einsatz von Blockchain lautet stets: Ist die Dezentralisierung in dem jeweiligen Business-Kontext wirklich notwendig? Die Anwendung der Technologie ist immer mit Abstrichen und Kosten verbunden. Dass sie einige Bereiche der Wirtschaft revolutionieren wird, steht fest. Laut Gartner soll Blockchain schließlich bis 2030 bis zu 3,1 Billionen US-Dollar Mehrwert für Unternehmen generieren. Die konkreten Bereiche außer Finance sind jedoch noch immer unklar.

Das Whitepaper kann über die offizielle Website des IAB Europe kostenfrei heruntergeladen werden. Es ist in Zusammenarbeit mit Adform, Ebay, Freewheel, IAB Italy, MetaX, Mindshare (GroupM), Publicis Media und Rubicon Project entstanden.

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