Vorteil Mobile: Werbewirkung nach unter einer Sekunde
Jens T. Möller, Analyst, 19. März 2019Die Aufmerksamkeitsspanne von Nutzern nimmt immer mehr ab. Gleichzeitig werden häufig in Sekundenbruchteilen Informationen verarbeitet. Wie eine Studie nun nahelegt, ist die Zeit in der Nutzer eine Werbeanzeige verarbeiten und emotional einordnen vom jeweils genutzten Gerät abhängig. Gerade auf Smartphones müssen Werbetreibende Nutzer in einem Wimpernschlag überzeugen. Dabei stellt der mobile Screen sie jedoch immer wieder vor Herausforderungen.
Eine neue Studie US-amerikanischer Neurowissenschaftler beschäftigt sich mit der Wirkung und Wahrnehmung von digitaler Werbung und dem damit verbundenen Unterschieden von Mobile und Desktop. Die Studie wurde im Auftrag der Mobile Marketing Association (MMA), in Kooperation mit der Advertising Research Foundation und Neurons Inc. durchgeführt. Die Neuro- und Gehirnwissenschaftler verwendeten Eye-Tracking und Elektroenzephalografie (EEG) für ihre Untersuchung von 900 Studienteilnehmern. Die nun vorgestellten Ergebnisse legen nahe, dass mobil ausgespielte Werbung deutlich schneller wahrgenommen und verarbeitet wird als Desktop-Werbung.
Weniger als eine halbe Sekunde für Mobile Ads
Im Detail demonstrieren die Ergebnisse, dass das menschliche Gehirn 400 Millisekunden benötigt, um eine Mobile-Werbung wahrzunehmen und emotional darauf zu reagieren. In weniger als einer halben Sekunde, was in etwa einem Wimpernschlag entspräche, ist bereits eine mobil ausgespielte Werbeanzeige verarbeitet. Im Vergleich zu Desktop-Werbung zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied. Die Forscher ermitteln hierbei eine Wahrnehmungszeit von 2 bis 3 Sekunden für zwei Drittel der getesteten stationären Digitalwerbung. Mobile-Werbung erzeugt dementsprechend eine schnellere Wahrnehmung und emotionale Einordnung.
Weiterhin ermittelt die Studie, dass Marken mit hohen Bekanntheitswerten schnellere Werbereaktionen hervorzurufen. Obwohl im Studiendesign alle Ads die gleiche Wahrscheinlichkeit hatten von den Probanden gesehen und wahrgenommen zu werden, stimulierten bekannte Marken einen deutlich schnelleren kognitiven und emotionalen Prozess. Im Gegenzug zeigte sich auch, dass schlecht konzipierte und nicht auf die Marke abgestimmte Werbung bereits innerhalb der ersten Sekunde negative Assoziationen hervorruft und das Image einer Marke nachhaltig schädigen kann.
Abschließend verdeutlichen die Ergebnisse einen Vorteil von Video-Werbung. Diese ruft mit einer zweimal so hohen Wahrscheinlichkeit eine emotionale Reaktion im Vergleich zu statischer Werbung hervor. Die Reaktionszeit beträgt hierbei 0,7 Sekunden.
Die Implikationen dieser Ergebnisse richten sich deutlich an die Konzeption digitaler und mobiler Werbung. Diese sollte zukünftig auf die ersten Sekunden ausgerichtet sein. Werbetreibende sollten somit eine „one second“ Strategie entwickeln, um den kritischen Punkt der Konsumentenwahrnehmung zu berücksichtigen. Denn eines zeigt sich: Mobile wird schneller wahrgenommen als Desktop.
Klassische Formate überzeugen nicht mehr
Werbetreibende müssen sich also die Frage stellen, welche Formate für eine solche „one second“ Strategie geeignet sind. Jan Gräwen, Geschäftsführer von Yoc Mobile Advertising, rät zur Nutzung von neuen Formaten: „Das klassische 6:1 Mobile Ad (300x50 Pixel) ist überholt und wird weder im Direktgeschäft noch Programmatisch gebucht. Hintergrund sind schlechte Performancewerte und immer größer werdende Devices, auf denen kleine Banner nicht aufmerksamkeitsstark genug sind.“ Vielmehr würden große Ads, Rich-Media-Elemente und Live-Umfragen den gewünschte werbewirksamen Erfolg bringen.
Weitere Herausforderungen
Mit der Wahl des richtigen Formats hören die Herausforderungen im Mobile Advertising jedoch nicht auf. Auch wenn Nutzer die Werbeanzeigen nur für einen Bruchteil einer Sekunde sehen müssen, damit sie Wirkung zeigt, so stellt die Sichtbarkeit häufig noch ein Problem dar. Jan Gräwen sieht die Viewability als limitierenden Faktor von Mobile-Werbung: „Während auf dem Desktop sofort 3 bis 4 Ads im direkt sichtbaren Bereich erscheinen, müssen Ads im mobilen Bereich aufgrund des kleineren Displays erst aufgescrollt werden. Dies resultiert in einer geringeren Basisviewability auf den Sites.“ Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob eine deutlich schnellere Werbewahrnehmung eine geringere Viewability kompensieren kann.
Stefan Blumenthal, Country Manager DACH bei Zeotap, sieht hingegen eine Herausforderung darin, die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zu ziehen: „Mobilgeräte haben viele limitierende Faktoren, wenn es um die B2C-Kommunikation geht. Der größte Nachteil ist, dass die Aufmerksamkeitsspanne während der Smartphonenutzung sehr begrenzt ist. Benutzer werden innerhalb kürzester Zeit mit diversen Informationen und Werbeanzeigen konfrontiert und betreiben gleichzeitig ohnehin schon Multitasking, wenn sie ihr Smartphone benutzen.“ Gerade deshalb müssen Mobile-Kampagnen zukünftig einen stärkeren Fokus auf eine zielgerichtete und aufmerksamkeitssteigernde Wirkung legen. Denn trotz aller möglicher Herausforderungen, bleibt Mobile eine wichtiger Werbekanal und zeigt im Vergleich zu Desktop deutliche kognitive Vorteile. Auch Stefan Blumenthal sieht die Bedeutung von Mobile für die Werbebranche: „Dennoch ist das Mobilgerät nach wie vor das relevanteste Werbe-Device, sodass sich Werbetreibende auf die erfolgreiche mobile Ansprache ihrer Zielgruppe fokussieren sollten.“
Take-aways
- Mobil ausgespielte Werbung wird deutlich schneller wahrgenommen und verarbeitet als Desktop-Werbung.
- Das menschliche Gehirn benötigt lediglich 400 Millisekunden um eine Mobile-Werbung wahrzunehmen und emotional einordnen zu können.
- Marken mit hoher Bekanntheit rufen schnellere kognitive Werbereaktionen hervor.
- Werbetreibende sollten „one second“ Strategien entwickeln.
- Dennoch bestehen Herausforderungen von Mobile vor allem in den Bereichen der Viewability und der Kundenaufmerksamkeit.
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