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ADTECH

Digital Media Business: Immer wieder ein neuer „Wild West"

Frederik Timm, 27. März 2019
Bild: Brian Mann; C00 - unsplash.com

Search und Social sind fest in den Händen von Google und Facebook. Für Dr. Mark Grether, CEO der Buy-Side-Advertising-Plattform Sizmek, ist dies jedoch kein Grund zu verzagen. Mit ADZINE spricht er über die Unternehmensentwicklung und die Chancen im Connected TV. Auch die anhaltende Konsolidierung des Marktes macht ihm keine Sorgen. Schließlich gibt es im Advertising immer wieder einen neuen Wilden Westen, den es zu erobern gilt.

ADZINE: Hallo Herr Grether, vor etwa anderthalb Jahren (Herbst 2017) schloss Sizmek den Rocket Fuel Deal ab. Danach ist es erst mal ruhig um ihr Unternehmen geworden. Was hat sich seitdem getan?

Bild: Sizmek Presse

Mark Grether: Sizmek hat in den letzten zwei Jahren große Veränderungen durchlaufen. Wir haben mittels Akquisitionen unseren Fokus von Adserving auf Data, Media und Creative erweitert. Durch den Kauf von Rocket Fuel haben wir nicht nur die Demand Side Platform (DSP), sondern auch die integrierte Data Management Platform (DMP) übernommen. Das Produktangebot von Sizmek umfasste da bereits mit dem Sizmek Adserver auch DCO. Es galt dann 2018, diese Services zusammenzubringen. Wir haben dafür allein im letzten Jahr 300 Mitarbeiter eingestellt, um die Produkte aufzustellen und die Firmen zusammenzubringen.

Für uns sind Daten das Bindeglied zwischen Media und Kreation. Es gibt heutzutage aufgrund von CRM-Systemen und intelligentem Datengebrauch die Möglichkeit, sich im Sales Funnel von unten nach oben zu arbeiten. Für uns startet das mit einem fundamentalen Wissen über die Kunden. Werbetreibende sollten dafür die volle Kontrolle über ihre Daten haben. Ihre Arbeit sollte nicht durch Walled Gardens eingeschränkt werden.

ADZINE: Walled Gardens wie Google und Facebook bieten allerdings innerhalb ihrer Mauern Technologielösungen und Targeting-Möglichkeiten, die sich unter Werbetreibenden ungebrochenem Zulauf erfreuen. Gleichzeitig treten sie als Mediaverkäufer auf. Kann das Geschäftsmodell Technologie-Anbieter und Mediaverkäufer heute noch funktionieren, wenn man nicht die entsprechende Größe wie GAFA hat?

Grether: Ich glaube es nicht. Ich hätte ein schlechtes Gewissen, einerseits dem Publisher besseren Yield zu versprechen und andererseits dem Advertiser einen besseren ROI anzubieten. Man kann nicht beides gleichzeitig optimieren. Am Schluss muss der Kuchen irgendwie aufgeteilt und entschieden werden, wer das größere Stück bekommt. Selbst wenn der Kuchen größer wird, sprich mehr Gelder fließen, muss die Aufteilung trotzdem gemacht werden.

Viele Werbetreibende arbeiten nicht freiwillig mit Google zusammen, sondern weil sie es müssen – weil sie beispielsweise nur so an das YouTube-Inventar kommen. Deswegen kommen aus den USA immer mehr Stimmen, aktuell von Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren, dass der Adtech-Bereich von Google vom Rest des Unternehmens losgelöst werden muss.

ADZINE: Wird das Geschäft von Google in den USA anders wahrgenommen als in Deutschland?

Grether: Ich glaube, die Zweischneidigkeit, die es um das Geschäft von Google und Facebook gibt, wird in den USA stärker wahrgenommen. Es gibt immer mehr Forderungen, diese Walled Gardens aufzulösen. In den USA ist es ein großes Thema, welchen Einfluss Facebook auf die Gesellschaft nimmt. Ich glaube, die öffentliche Diskussion über die Vor- und Nachteile der Plattformen für die Gesellschaft ist in den USA fortgeschrittener, als das in Deutschland der Fall ist.

ADZINE: Google und Facebook halten die Bereiche Search und Social fest in den Händen. Sie hatten bereits in der Vergangenheit betont, dass TV ein großes Wachstumsfeld ist. Hat sich an der Aussage etwas geändert?

Grether: Das würde ich so wieder unterschreiben. Search und Social haben ihre Grenzen. Auch wenn viel in diesen Kanälen geworben wird, braucht man Awareness-Kampagnen und damit Connected TV. Vorreiter sind da vor allem Direct to Consumer Brands, die im Search- und Social-Bereich angefangen haben, um erste Kunden zu gewinnen und sich nun im Sales Funnel von unten nach oben bewegen. Mit einem sehr guten Wissen um ihre Kunden fangen sie jetzt an, Connected-TV-Kampagnen zu starten, um mehr Awareness zu generieren. Das finde ich eine spannende Entwicklung. Search und Social reichen eben nicht mehr aus – selbst für digital getriebene Unternehmen nicht.

Zudem hat sich der TV-Content, der programmatisch verfügbar ist, in den letzten 18 Monaten drastisch gesteigert, und jeder arbeitet daran, noch mehr verfügbar zu machen. In den USA kooperieren wir beispielsweise mit Plattformen von Roku, Hulu oder anderen Content-Lieferanten.
Auf der Makroebene haben sich viele Player auf dem Markt positioniert. Im Bereich Connected TV findet ein Wettrüsten statt. So hat beispielsweise AT&T bereits zugekauft und auch Comcast sieht sich um.

ADZINE: Die Übernahmen von großen Kommunikationsunternehmen wie AT&T beschränken sich jedoch nicht nur auf den Bereich Connected TV. Generell findet schon seit Jahren eine Konsolidierung im Adtech-Bereich statt. Wird der Markt bald nur noch aus ein paar wenigen großen Playern bestehen?

Grether: Die Konsolidierung wird weitergehen, ja. Gerade die großen Content Owner werden stark in Technologie und Daten investieren müssen. Allerdings glaube ich, dass es auch in Zukunft noch mehr Player geben wird. Das Schlimmste wäre ein Markt, der nur noch aus zwei bis drei Playern besteht. Das sollten wir als Gesellschaft und als Firmenlenker vermeiden. Man wird immer wieder Challenger Brands haben, die den Status quo angreifen.

Unsere Branche entwickelt sich so schnell weiter, dass es aus meiner Sicht immer wieder einen neuen „Wilden Westen“ geben wird. Heute ist es noch Connected TV. Morgen sind es dann vielleicht selbstfahrende Autos oder das Internet of Things, die neue Werbekanäle und Möglichkeiten eröffnen. Es wird in unserer Branche immer wieder neue Bereiche geben, die es zu entdecken gilt, und die Chancen für neue Player bieten. Wenn es allerdings ein paar zu mächtige Player im Markt gibt, besteht die Gefahr, dass die Innovation im Markt abgewürgt wird, da kleine Start-ups keine Chance haben, Fuß zu fassen. Die Aufsplittung von Bell hat zum Beispiel die Entwicklung des Internets erst ermöglicht. Wir müssen uns die Innovationsfreudigkeit als Gesellschaft bewahren. Dafür braucht man eben auch Player, die einen Gegenpol bieten.

ADZINE: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Grether!

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