DER Touristik: Produktkomplexität macht Mobile zur Herausforderung
Frederik Timm, 6. März 2019Als Tochter der Rewe Group ist DER Touristik ein Reisekonzern zu dem rund 17 Reisevertanstalter, wie unter anderem Meiers Weltreisen, Dertour und ITS Reisen, gehören. Matthias Lange, Geschäftsführer von DER Touristik, spricht im Interview über die Rolle von mobiler Kommunikation in der Marketingstrategie sowie das dafür nötige Tech-Setup.
ADZINE: Hallo Herr Lange, bei der DER Touristik übernehmen Sie für eine Vielzahl von Reiseveranstaltern den Digitalvertrieb und gehören damit zu den größten Anbietern Europas. Welche Rolle nimmt die mobile Kommunikation in ihrer Strategie ein?
Matthias Lange: Über alle Portale hinweg kommt knapp die Hälfte unseres Traffics durch mobile Endgeräte – 32 Prozent Smartphones und achtzehn Prozent Tablets. Der Mobile-Anteil variiert dabei von Produkt zu Produkt. Bei unseren Fernreisen haben wir zum Beispiel weniger Mobile Traffic.
ADZINE: Wofür nutzen ihre Kunden das Smartphone? Allein zur Recherche oder kommen auch Buchungen zustande?
Lange: Auf unseren Webseiten können User direkt durchbuchen oder sich in unserem Servicecenter telefonisch beraten lassen. Fast Dreiviertel der Buchungen kommen dabei über Desktop zustande und der Rest jeweils fast zu gleichen Teilen über Smartphones und Tablets.
Auch wenn der Traffic-Anteil von mobilen Geräten bei etwa der Hälfte liegt, reicht der Mobile-Buchungsanteil nicht über 30 Prozent. Das hängt meines Erachtens mit den häufig hohen Reisekosten zusammen. Wir verkaufen auch Reisen, die mit teilweise 4.000 bis 10.000 Euro zu Buche schlagen. Da fühlt sich der Kunde beim Kaufabschluss auf dem Desktop wohler. Das sieht bei Kurzreisen schon anders aus. Hotels für ein paar Nächte verkaufen wir auch über mobile Geräte sehr stark. Trotzdem bleibt Mobile der primäre Kanal für Inspiration und Information.
ADZINE: Nun müssen die Nutzer auch erst mal auf ihre Angebote aufmerksam gemacht werden. Wie viel wird von Ihnen mobil geworben und welche Werbekanäle performen am besten?
Lange: All unsere Kampagnen werden auch auf die mobilen Endgeräte optimiert ausgeliefert. Unser Team achtet beim Kampagnen-Setup und dem Erstellen von Ads sehr stark darauf. Das Werbebudget richtet sich dabei in etwa nach unserem Traffic Split.
Für uns funktionieren die sozialen Medien sehr gut, insbesondere Facebook und Instagram gepaart mit ihren Targeting-Möglichkeiten. Wir nutzen Social Media sehr stark für die Themen Inspiration und Reiseexpertise, sind hier also eher im Upper Sales Funnel unterwegs. Mit Rewe-Reisen haben wir allerdings auch eine Plattform, die sehr deal-orientiert ist. Für dieses Portal nutzen wir Facebook auch sehr stark für Abverkauf.
ADZINE: Wie sieht es In-App-Werbung abseits der sozialen Medien aus?
Lange: Wir betreiben In-App-Werbung nur partiell. Das läuft hauptsächlich über unseren Dienstleister Criteo im Bereich Retargeting.
ADZINE: Können Sie mir ein wenig mehr zu ihrem Tech-Setup erzählen?
Lange: Unser Technologie-Setup besteht hauptsächlich aus Adobe. Wir nutzen neben Analytics auch den Adobe Audience Manager als DMP, Adobe Target sowie den Adobe Tag Manager Launch. Die dynamische Attribution bilden wir über Exactag ab und unsere DSP ist von Adform. Bei allen Zusatzlösungen, auch wenn sie über API-Schnittstellen schon gut bei Adobe anknüpfen, geht immer ein kleiner Teil der Daten verloren. Wir haben allerdings eine eigene Abteilung „Data Intelligence“, die sehr gute Arbeit leistet, was das Thema Datenstrategie, Onboarding, Analyse sowie das Zusammenführen von Daten angeht.
ADZINE: Thema Daten: Wird die Customer Journey über alle Kanäle und Devices hinweg analysiert?
Lange: Wir bilden die Customer Journey vollständig ab, mittels sowohl statischen als auch dynamischen Attributionsmodellen. Bei den statischen Attributionsmodellen nutzen wir die Möglichkeiten innerhalb von Adobe, Stichwort „Order Participation“. Bei den dynamischen Modellen setzen wir auf Exactag.
Wir wollen am Ende das Zusammenspiel der Channels und die Interaktion zwischen den Channels verstehen und unser Mediabudget dementsprechend optimieren. Dafür betrachten wir nicht nur die Paid Channels, sondern auch die Non-Paid Channels, wie Content-Beiträge und E-Mail, sodass wir eine möglichst große Übersicht bekommen.
Im Bereich Mobile sind wir, was die Attribution betrifft, allerdings noch nicht optimal aufgestellt, arbeiten aber an einer geräteübergreifenden Kundenansprache. Wir nutzen dafür unsere DMP, den Adobe Audience Manager, mit der Cross-Device-Funktionalität und fangen an, einen Cross-Device-Graphen aufzubauen.
Momentan prüfen wir verschiedene Optionen, um unseren Device Graph auszubauen. Zum Beispiel 1st-Party-Daten-Kooperation innerhalb der Rewe Group oder 3rd-Party-Daten z. B. von Emetriq. Wir befinden uns beim Thema Cross-Device-Daten noch relativ am Anfang. Damit sind wir jedoch bestimmt nicht die Einzigen.
Ich war vorher bei der Bahn. Da war das einfacher. Seinerzeit hatten wir in der App „Navigator“ über 8 Millionen Unique User und einen Login, der sehr oft genutzt wurde. Da war es leichter, die Kunden zu identifizieren. Im Reise- und insbesondere im Pauschalbereich, wo Kunden vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr buchen, loggen sich die Kunden weniger ein.
Wir stehen beim Cross-Device-Thema vielleicht bei 20 Prozent. Das ist aber besser als null.
ADZINE: Gibt es Mobile-Maßnahmen, die Sie im Nachhinein anders angegangen wären?
Lange: Wir haben immer noch ein paar Baustellen, gerade in Bezug auf die Mobile UX und Page Speed. Unsere Seiten sind häufig immer noch zu schwer und damit langsam. Wir haben zum Beispiel beim Relaunch unserer größten Seite, Dertour.de, die Seite responsive gemacht, aber keine Mobile-Light-Version gebaut. Bei der Mobile UX und Page Speed holen wir 2019 wieder auf.
Es gab in meiner gesamten Laufbahn immer wieder mal Versuche, Apps zu etablieren, in denen wir im Grunde die Inhalte der Webseite abgebildet haben, die aber ohnehin schon responsiv waren. Das machte jedoch wenig Sinn, da für den Kunden kein Mehrwert entsteht.
ADZINE: Ist das Thema App für Sie also damit erledigt?
Lange: Nein, nicht ganz. Wir sind mit unseren Webseiten momentan sehr stark in den Bereichen „Inspire“ und „Search & Book“ unterwegs. Sobald jedoch ein Kunde auf der Reise ist, hat er kaum noch Berührungspunkte mit den Webseiten. Gerade im Travel-Bereich bietet sich hierfür eine App an. Wie viele große Veranstalter, haben wir in den Zielgebieten Destination-Management-Organisationen, die vor Ort die Ausflüge veranstalten oder die Reiseleitung stellen. Wenn der Kunde vor Ort ist, könnte eine App dabei helfen, auf genau diese Angebote nochmal hinzuweisen und passend zu seiner Reise und zum Wetter buchbar zu machen. Wenn der Kunden alle Informationen über seine Reise, Flug- und Hoteldaten, in der App hat, aber dann auch noch zusätzliche Reisetipps und Content bekommt, ist das ein wirklicher Mehrwert. Am Ende muss es auch nicht zwingend eine App sein aufgrund der höheren Folgekosten und auch zum Teil recht hoher CPI. Für Android bietet sich zum Beispiel PWA an, mit der man o. a. Features auch realisieren kann.
ADZINE: Was ist das besondere an der Travel-Branche in Bezug auf Mobile? Gibt es spezielle Herausforderungen, die Ihnen hier begegnen?
Lange: Der Bereich Travel ist sehr komplex. Das Produkt besteht letztendlich aus einer schier unerschöpflichen Kombination aus Angeboten von Fluggesellschaften, Hotels, Veranstaltungsanbietern und Organisationen. Es ist eine Herausforderung, diese Komplexität dem Kunden möglichst einfach zu vermitteln. Das ist Desktop schon eine Herausforderung und verstärkt sich auf Mobile und dem kleinen Display spürbar. Das ist vielleicht auch ein Grund, wieso viele noch über Desktop buchen. Hier können sie sich versichern, dass sie auch alle Informationen gesehen haben, die vielleicht sonst über den kleinen Screen verloren gegangen wären. Die Komplexität, Mobile abzubilden, ist eine besondere Herausforderung, die wir aber gerne annehmen.
ADZINE: Vielen Dank, Herr Lange. Wir sehen uns auf dem Mobile Ad Summit!
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