Mediennutzungsanalyse: Digital hat immer Prime Time
Jens T. Möller, Analyst, 13. Februar 2019Die Deutschen und ihr Medienkonsum. Unzählige Studien haben sich diesem Thema verschrieben und haben lange Zeit den klassischen linearen Medien eine uneinnehmbare Vormachtstellung bescheinigt. Die Art des medialen Konsums hat sich jedoch geändert und unter den jüngeren Zielgruppen übernehmen die sozialen Medien und Streaming-Dienste wie Netflix und Co. die Unterhaltung. Zudem verlagert sich der Medienkonsum immer mehr in die mobile Nutzung.
Der durchschnittliche deutsche Bürger verbrachte 2018 täglich 10 Stunden und 34 Minuten mit dem Konsum von medialen Inhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Verbandes privater Medien (Vaunet), die sich auf die deutsche Bevölkerung im Alter zwischen 14 und 69 Jahren konzentriert und auf aggregierten Sekundärquellen-Ergebnissen beruht. TV und Radio sind dabei weiterhin von hoher Relevanz. Dass sich jedoch das Nutzungsverhalten verschiedener Zielgruppen verschiebt, ist schon lange kein Geheimnis mehr, das Ausmaß aber teilweise unbekannt.
Klassische Medien haben weiterhin hohe Relevanz
Die von Vaunet gezeigten Studienergebnisse können die Vormachtstellung klassischer audiovisueller Medien bestätigen. Am Fernseher wird mit Abstand die meiste tägliche Zeit verbracht. Am gesamten Medienzeitbudget gemessen wenden Deutsche im Alter zwischen 14 und 69 Jahren knapp 4 Stunden für die Zeit am TV auf. Radio nimmt dabei mit durchschnittlich 3 Stunden und 12 Minuten Nutzungszeit den zweiten Platz ein.
Unter den jüngeren Generationen ist jedoch ein Shift in der Mediennutzung zu beobachten. Sie verlassen zunehmend die klassischen Kanäle und wenden sich digitalen Angeboten zu. Befragungen von Statista und nextMedia.Hamburg legen darüber hinaus nahe, dass jüngere Generationen davon ausgehen, dass das klassische lineare Fernsehen in zehn Jahren nicht mehr existieren wird. Schon jetzt nutzen 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen abends überwiegend Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime Video. Generell ist davon auszugehen, dass das Internet durch eine Parallelnutzung die tatsächlichen Nutzungszeiten von TV und Radio verringert. Eine Studie von SevenOne Media schätzt dass 41 Prozent der deutschen Bevölkerung digitale Medien häufig über einen Second Screen parallel zum klassischen TV konsumiert.
Tageszeit entscheidet nur bei TV und Co.
Ein durchaus entscheidender Faktor der Mediennutzung ist die Tageszeit. Während Radio die höchste Nutzungsrate am Morgen erlebt, erreicht die Nutzung des klassischen TVs die größten Raten am Abend. Der Peak wird hierbei zwischen 21 und 22 Uhr erreicht. Digitale Medien hingegen unterliegen augenscheinlich keiner zeitlichen Restriktion. Im Tagesverlauf weisen sie konstant hohe Nutzungsraten auf. Dies könnte als ein zentraler Vorteil in der Verbreitung digitaler Medien gesehen werden. Sie haben damit das Potenzial, den Nutzer immer zur richtigen Zeit zu erreichen.
Die mediale Internetnutzung nimmt weiter zu – durch Mobile
Die ARD/ZDF „Onlinestudie 2018“ unterscheidet drei Arten der medialen Internetnutzung: die Nutzung und der Konsum von audiovisuellen, sowie redaktionellen Inhalten, die Individualkommunikation und die sonstige Internetnutzung. Die Individualkommunikation nimmt dabei den größten Anteil ein. Personen in der Altersklasse der 14- bis 49-Jährigen nutzen WhatsApp und Co. massiv, um über das Internet zu kommunizieren. 14- bis 29-Jährige verbringen durchschnittlich 152 Minuten pro Tag mit der Nutzung von Messengern, gefolgt von der Klasse der 15- bis 19-Jährigen mit 125 Minuten und den 30- bis 49-Jährigen mit durchschnittlich 118 Minuten. Internetrecherchen nehmen eine eher untergeordnete Stellung ein. Pro Tag verbringen Deutsche durchschnittlich 45 Minuten mit kurzen Informationssuchen im Netz.
Die bereits erwähnte gesteigerte Internetnutzung korreliert dabei stark mit der Zunahme mobiler Nutzung. 91 Prozent der Deutschen besitzen ein Smartphone. Dabei wird es von 49 Prozent der Gesamtbevölkerung täglich genutzt, bei der Altersklasse der 14- bis 29-Jährigen sogar von 86 Prozent. Im Durchschnitt haben die Deutschen 1,4 genutzte mobile Endgeräte und konsumieren damit immer häufiger Mobile-Medien.
Mobile-Medien und ihre Zielgruppen
Für viele digitale Medien ist das Smartphone mittlerweile das Main Device. Generell sind mobile Endgeräte für den digitalen Medienkonsum häufig deutlich gefragter als stationäre Geräte. So werden beispielsweise Spotify und Facebook fast ausschließlich auf dem Smartphone verwendet. Auch YouTube, Internetradio und Podcasts werden am häufigsten auf dem Smartphone konsumiert. Stationäre Geräte, vornehmlich das Fernsehgerät, sind jedoch für Video-Streamingdienste und Mediatheken weiterhin hoch relevant.
Nach dem D21 Digital Index 2018/2019 liegt der Wert der mobilen Internetnutzung bei 68% und nähert sich damit zunehmend der Gesamtnutzung an. Der Konsum von Social-Media-Plattformen nimmt dabei eine durchaus wichtige Rolle ein. WhatsApp ist das am meisten genutzte soziale Medium und wird nach Schätzungen von ARD/ZDF von circa 66 Prozent der deutschen Bevölkerung täglich genutzt. Facebook folgt auf Platz zwei und wird von circa 31 Prozent mindestens einmal wöchentlich genutzt. Diese Ergebnisse decken sich mit der Studie „The State of Mobile 2019“ des Mobile-Analytics-Unternehmens App Annie. Instagram und Snapchat sind, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, deutlich abgeschlagen. Lediglich 9 Prozent beziehungsweise 6 Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung nutzen die Plattformen täglich. In der für Werbetreibende häufig relevanten Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen liegen die Reichweiten jedoch deutlich höher. Generell sind Apps bei der mobilen Mediennutzung ein entscheidender Faktor.
Auch andere digitale Medien und Anwendungen werden zunehmend mobil konsumiert. Der D21 Digital Index 2018/2019 sieht dabei Navigationssysteme als Spitzenreiter in der mobilen Nutzung. Online-Shopping findet dagegen immer noch hauptsächlich am Desktop statt. Während 15 Prozent der deutschen Bevölkerung mobile Endgeräte für den Online-Einkauf nutzt, liegt die Gesamtinternetnutzung hier bei 38 Prozent.
Die junge Zielgruppe
Die Nutzung von medialen Angeboten unterscheidet sich häufig grundlegend in den verschiedenen Bevölkerungs- und Altersgruppen. So liegen die Nutzungsraten digitaler Medien bei jüngeren Generationen deutlich höher als bei älteren Bevölkerungsgruppen. Die häufig werberelevante Zielgruppe der bis 29-Jährigen ist somit auf anderen Wegen erreichbar. Klassische lineare Medienangebote werden hier vermindert eine Rolle spielen und das Ausspielen von Werbung hauptsächlich auf digitalen und mobilen Plattformen stattfinden. Sogenannte Blackboxen sind in diesem Kontext Plattformen wie Netflix und WhatsApp. Diese sind für Werbetreibende zum jetzigen Zeitpunkt nicht bespielbar, erreichen aber eine äußerst hohe Reichweite in der relevanten Zielgruppe. Eine Öffnung dieser Systeme ist schon häufig diskutiert worden und erscheint zukünftig durchaus möglich. Erst Anfang Februar 2019 lief die Frist ab, in der WhatsApp vertraglich werbefrei bleiben musste.
Werbung auf mobilen Kanälen wird jedoch schon heute in offenen und für die Zielgruppe relevanten Systemen geschaltet. Instagram und Co. haben gerade für die jüngere deutsche Bevölkerung eine hohe Relevanz. Nach der Metaanalyse „Grunddaten Jugend und Medien 2018“ des internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) werden Instagram, Snapchat, YouTube und Spotify für Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren zu den wichtigsten Apps auf dem Smartphone gezählt. Instagram ist dabei besonders unter Mädchen beliebt. 60 Prozent zählen die Foto-App zu den wichtigsten Anwendungen auf ihrem Smartphone. Für die Zielgruppe der 12- bis 19-jährigen Jungen zählt YouTube mit 48 Prozent zu der zweitwichtigsten App nach WhatsApp. Diese mobilen Medienkanäle werden für die Werbeindustrie weiterhin an Bedeutung gewinnen und sind schon jetzt durch Influencer-Marketing geprägt. Abschließend verdeutlicht die Analyse den zunehmenden Relevanzverlust von Facebook. Für jüngere Generationen wird die Social-Media-Plattform zukünftig keine Bedeutung mehr spielen.
Die Zukunft der Mediennutzung
Das Smartphone ersetzt schon heute häufig bei viele Anwendungen den stationären PC. Unsere Mediennutzung wird zunehmend mobiler, insbesondere unter jüngeren Bevölkerungsgruppen. Für die Werbeindustrie bedeutet dies ebenfalls, ihren Fokus verstärkt auf Mobile Advertising zu legen. Trends werden dabei immer häufiger von mobilen Anwendungen vorgegeben und erreichen ein Millionenpublikum – Zahlen also, die früher Samstagabendshows wie „Wetten dass..?“ erreicht haben. Die klassischen Medien werden in den kommenden Jahren weiterhin relevant sein, jedoch zunehmend durch digitale, vor allem mobile Medien abgelöst werden. Der Endkonsument wird hierbei zukünftig auch immer stärker in die Gestaltung des Medienangebotes mit eingebunden werden. Die Studie „Mediennutzung 2024“ vom Rheingold Institut und der WDR Media Group sieht in der Interaktion von Nutzer und Medium große und wichtige Entwicklungsmöglichkeiten für die deutsche Medienlandschaft.
Takeaways
- Klassisches TV und Radio haben weiterhin Relevanz in der Mediennutzung der Deutschen, werden aber zunehmend von (mobilen) digitalen Medien ersetzt.
- Digitale Medien haben immer Prime Time. Sie unterliegen keiner zeitlichen Restriktion und haben somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber klassischen linearen Medien.
- Die mobile Mediennutzung besteht im wesentlichen aus Individualkommunikation, gefolgt vom Konsum audiovisueller und redaktioneller Inhalte.
- Der gesellschaftliche Shift in der Mediennutzung vollzieht sich vor allem in jüngeren Generationen. Die Altersgruppe der bis 29-Jährigen konsumiert Medien vorwiegend im digitalen und mobilen Umfeld. Das Smartphone ist dabei für diese Bevölkerungsschicht zum omnipräsenten Tagesbegleiter geworden. Werbetreibende müssen demnach verstärkt auf Mobile Advertising setzen um relevanten Zielgruppen zu erreichen.
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