Analyse: E-Commerce wächst und beflügelt die Werbeindustrie
Jens T. Möller, 28. Januar 2019Für die deutsche Werbeindustrie ist der E-Commerce mittlerweile der größte Mediakunde. Nach Erhebungen von Nielsen überstiegen 2018 die Bruttowerbeausgaben des Online-Handels 4 Milliarden Euro. Der E-Commerce selbst verzeichnet bei Bekleidung und Elektronikartikeln die größten Umsatzanteile. Die höchste Wachstumsrate im digitalen Commerce kann man hingegen in der Lebensmittelbranche beobachten.
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel, kurz bevh, hat zusammen mit dem Beratungsunternehmen Beyondata in der Studie „Interaktiver Handel in Deutschland“ das digitale Konsumverhalten von deutschen Nutzern untersucht. Die 2018 durchgeführte Studie wurde zum sechsten Mal in Folge erhoben und beruht auf Befragungsdaten von 40.000 Privatpersonen. Die Befragten wurden hierbei zwischen Januar und Dezember zu Ihrem Ausgabenverhalten im Online- und Versandhandel, sowie zum Konsum von digitalen Dienstleistungen befragt.
Interaktiver Handel wächst kontinuierlich
Die Ergebnisse der Studie des bevh demonstrieren kontinuierliche Wachstumsraten im interaktiven Handel und einen Bruttoumsatz in Rekordhöhe von 85,5 Milliarden Euro für das Jahr 2018. Dabei setzt sich der interaktive Handel definitionsgemäß aus dem klassischen Versandhandel, mit telefonischen und postalischen Bestellmöglichkeiten, sowie dem Online-Handel zusammen. Mit einem Bruttoumsatz von über 65 Milliarden Euro, sowie einer Wachstumsrate von 11,4% für das Jahr 2018, ist der E-Commerce hierbei der dominierende Faktor im interaktiven Handel.
Bekleidung erzielt Rekordumsatz, Lebensmittel mit größter Wachstumsrate
Dem bevh-Bericht zufolge erzielten 2018 die Warengruppen Bekleidung sowie Elektronikartikel und Telekommunikation die stärksten Bruttoumsätze im E-Commerce. Mit einem Bruttoumsatz von über zwölf Milliarden Euro bildet die Warengruppe der Bekleidung dabei den größten Posten der E-Commerce-Umsätze, dicht gefolgt von Elektronikartikeln und Telekommunikation. Die Wachstumsraten dieser beiden Spaten könnten dagegen unterschiedlicher nicht sein. Während 2018 die Warengruppe Bekleidung ein Wachstum von 7,9% verzeichnete, betrug die Wachstumsrate für den Bereich Elektronikartikel und Telekommunikation 19,3% im Vergleich zum Vorjahr und ist somit die am zweitstärksten wachsende Spate im Online-Handel. Platz eins der „Wachstums-Champions 2018“ belegt der Bereich Lebensmittel mit einem Wachstum von 20,3%. Hier zeigt der Online-Handel bereits seit 2014 konstant hohe Wachstumsraten und spiegelt somit den aktiven Ausbau von Lebensmittellieferservices von Einzelhändlern wie Rewe und Edeka wieder.
Gemessen am Gesamtumsatz im Online-Handel spielt der Lebensmittelbereich jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Der 2018 erzielte Bruttoumsatz für online eingekaufte Lebensmittel betrug circa 1,4 Milliarden Euro und machte somit lediglich 2% am Gesamtumsatz aus. Weitere wachstumsstarke Warengruppen im E-Commerce sind Computer/-zubehör (+18,8%), Schmuck und Uhren (+15,8%), sowie Tierbedarf (+14%). Der größte Vertriebskanal im deutschen E-Commerce Handel sind Onlinemarktplätze. Mit einem Umsatzvolumen von über 30 Milliarden Euro konnten sie 2018 ihren Umsatz um 9,7% steigern.
E-Commerce als Wachstumstreiber für den deutschen Einzelhandel
Aus den bevh-Ergebnissen lässt sich der eindeutige Trend des zunehmenden Online-Einkaufs bestätigen. Für viele Menschen mag dabei das Gefühl aufkommen, dass unser Konsum nur noch in der digitalen Welt stattfindet. Dagegen sprechen allerdings die Umsatzzahlen im deutschen Einzelhandel. Laut einer Schätzung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) betrug der Anteil des Online-Handels am Einzelhandelsgesamtumsatz 2018 circa 10%. Lediglich jeder zehnte Euro geht damit ins Online-Geschäft. Stationäre Einzelhändler behalten also ihre Relevanz. Dies ergibt sich auch aus einer aktuellen Deloitte-Studie. In „Global Powers of Retailing 2019“ analysiert das Beratungsunternehmen die weltweit 250 erfolgreichsten Einzelhändler. Unter diesen befinden sich 19 deutsche Unternehmen, fünf davon in den Top 30 und durchweg stationäre Einzelhändler wie die Schwarz Group, Aldi oder Edeka.
Branchenübergreifend betrachtet schätzt der Handelsverband Deutschland eine zwei prozentige Wachstumsrate für den gesamten Einzelhandel in 2018. Demnach betrug der Einzelhandelsumsatz 523 Milliarden Euro. Die im gleichen Zeitraum, mit einer zweistelligen Wachstumsrate, gestiegenen Umsätze des E-Commerce, liefern somit einen ersten Indikator dafür, dass der Online-Handel einer der Wachstumstreiber des deutschen Einzelhandels ist. Die von der deutschen Wirtschaft häufig angenommene These, dass der E-Commerce den Einzelhandel schaden kann, sollte somit nicht unkritisch betrachtet werden.
Der Online-Handel im Jahr 2023
Trotz der anhaltenden Bedeutung des stationären Einzelhandels wird der Online-Handel zukünftig weiter an Relevanz gewinnen. Der bevh schätzt, dass sich der E-Commerce-Bruttoumsatz in 2019 auf circa 72 Milliarden Euro erhöhen wird, was einer erneuten zweistelligen Wachstumsprognose entspricht. Forscher der Universität Regensburg gehen mit ihrer Schätzung durch die Methode eines „progressive Szenario“ sogar soweit anzunehmen, dass der Anteil der E-Commerce-Umsätze am Einzelhandel bis zum Jahr 2023 auf 19,8% anwachsen wird. Der Bereich Lebensmittel wird bei dieser Entwicklung, trotz konstant hoher Wachstumsraten, weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen. Der bevh schätzt dass sich der Bruttoumsatz für Lebensmittel im Online-Handel bis 2023 verdoppeln und bei circa 3,6 Milliarden Euro liegen wird. Somit wird der E-Commerce auch zukünftig einer der treibenden Wachstumsfaktoren in der Werbebranche bleiben.