Nicht nur für die Großen – Datengetriebenes Marketing im Mittelstand
Jan-Patrik Frohn, 27. November 2018Es ist ein weitverbreiteter (Irr-)Glaube, dass die systematische Analyse großer Datenmengen zur gezielten Ansprache von Zielgruppen nur großen, digital agierenden Marken vorbehalten ist. Datengetriebenes Marketing kann auch für kleine und mittelständische Unternehmen die Grundlage für einen bunten Kampagnenmix darstellen, der mehrere Ausspielungsarten, inklusive TV, beinhaltet. Wie das funktionieren kann, zeigt ein Kohlebriketts-Produzent aus Deutschland.
Wertvolle Daten können unterschiedlichste Ursprünge haben. Datenbroker, digitale Vermarkter und Plattformen wie Facebook oder YouTube sind nur einige von vielen möglichen Quellen. Beispielsweise können Daten aus Haushalts- und Handelspanels, Reinverkaufsdaten aus dem Vertrieb sowie aus (eigenen) quantitativen Befragungen stammen. Diese Daten liefern genügend Informationen, um passgenaue lokale sowie regionale Kampagnen auszuspielen, die digital sein können, aber nicht müssen.
Wie kommt man an die Daten?
Zuerst einmal: Es geht nicht um die Menge an Daten. Quantität hilft zwar, bessere und verlässlichere Prognosen zu erzeugen, doch sollte die Qualität der Daten im Vordergrund stehen. Vorzugsweise kleinere Datenmengen, dafür aber verlässliche und auswertbare Daten, die Sicherheit geben, dass die daraus gezogenen Schlüsse effizient eingesetzt werden können, sind der Schlüssel für ein besseres Kundenverständnis.
Wo kommen also die Daten her, wenn ein Unternehmen keinen Onlineshop unterhält, der den Betreibern unzählige Daten über Käufer und solche, die es werden sollen, liefert?
Schauen wir uns einen aus der Realität entlehnten Fall an. Eine junge Marke, die Kohlebriketts vorwiegend im stationären Handel verkauft, ist mit dem Distributionsaufbau ihres Produktes nicht zufrieden. Die Konkurrenz ist groß, die etablierten Player am Markt haben ihre treue Stammkundschaft, deswegen ist es schwierig, weitere Händler von der Listung der Marke zu überzeugen. Allerdings gibt es in Deutschland verstreut einzelne Märkte, in denen das Unternehmen gelistet ist und hohe Absatzzahlen verzeichnet. Wie kann das Unternehmen nun diese Datenlage nutzen, um seine Strategie zu verbessern und dadurch weitere Listungen bei Händlern zu erreichen?
Doppelgänger gesucht!
Für den Kohlebrikett-Hersteller galt es, die Supermärkte zu identifizieren, bei denen bereits gute Abverkäufe zu verzeichnen waren. Wurde ein Markt gefunden, der weitaus mehr Kohlebriketts verkauft als andere Händler, hat das Unternehmen versucht, weitere Märkte zu lokalisieren, die hinsichtlich des Einzugsgebiets ähnliche Verbraucherstrukturen aufweisen wie dieser Markt – man sucht also statistische Zwillinge.
Statistische Zwillinge lassen sich anhand des Abgleichs von Datensätzen identifizieren und so in ganz Deutschland lokalisieren. Dabei werden verschiedene Kriterien miteinander abgeglichen. Stimmen diese in den meisten vorher definierten Punkten überein, ist der Zwilling gefunden. Denn: Je mehr sich die Profile zweier Regionen gleichen, desto höher ist die Chance, dass auch in diesem Markt der Umsatz höher ausfallen würde.
Diese Form der Datenauswertung eignet sich besonders gut für die Gewinnung neuer Verwender. Hat man diese gefunden, empfiehlt es sich, in diesen Regionen seine Produkte besonders stark zu pushen. Das kann eben auch in Form von analogen Marketinginstrumenten wie Plakaten, Handzettel, Hörfunk und Anzeigen geschehen, damit die Listungen durch den Handel und den Abverkauf angekurbelt werden.
Nun ist die Lokalisierung eines statistischen Zwillings und der darauffolgende Push der Marketingaktivitäten ein Instrument, die gewonnenen Daten effektiv zu nutzen. Mindestens ebenso wichtig könnte der Shift vom Analogen ins Digitale sein. Das neue Addressable TV kann im beschriebenen Szenario eine enorme Werbewirkung entfalten, da Botschaften dank Smart-TV Funktionen regionalisierbar und vor allem auch für kleinere Marken finanzierbar sind.
Addressable TV als erster digitaler Kontaktpunkt
Das Internet bietet nun neue Möglichkeiten, das „lineare“ Fernsehen hinsichtlich der zielgruppengerechten und regionalen Aussteuerung von Werbung im Fernsehen zu optimieren.
Zuschauer können mit ihrem am Internet angeschlossenen Fernseher absolut anonym, aber individualisiert mit Sonderwerbeformen angesprochen werden – das ist die „1-to-1“-Ansprache durch Addressable TV Advertising. Bislang stehen die kleinen rechteckigen und die größeren L-förmigen Switch-in-Formate zur Verfügung, die beim Umschalten auf einen neuen Sender eingeblendet werden und gegebenenfalls per Red Button auf der Fernbedienung auf weiterführende Inhalte verweisen.
Diese Formate erzeugen jedoch bereits eine überdurchschnittlich starke Wirkung beim Adressaten. Die Ursache ist in der kompletten Durchsichtsrate begründet – niemand zappt hier einfach weg, da der eigentliche Senderinhalt zu sehen ist. Zudem ist die Werbeform noch relativ neu und weckt allein deshalb beim Konsumenten erst einmal Neugier.
Ein weiterer Vorteil, der beim vorliegenden Fall besonders essentiell ist: Switch-ins sind regionalisierbar und somit auch für Werbekunden interessant, für die TV bisher wegen der hohen Streuverluste und der hohen Kosten kein geeignetes Werbemedium war. Neben dem Geo-Targeting sind auch Wetter-Targeting, Uhrzeit-Targeting, Retargeting sowie Targeting nach Geräteausstattung (wie beispielsweise ein Verweis auf den Red Button der Fernbedienung) möglich.
Damit ist es auch kleineren Marken möglich, im sonst so hochpreisigen TV-Segment Werbebotschaften gezielt zu verbreiten. Das ehemals analoge Fernsehen bildet nun das Vehikel für eine digitale Marketingkampagne.
Die Thesen nochmal im Überblick:
- Datengetriebenes Marketing ist nicht nur für Unternehmen möglich, die rein online agieren; im Gegenteil: Analoge Kampagnen können und sollten ebenfalls auf Basis verfügbarer Daten umgesetzt werden.
- Ein solcher Ansatz verbessert die Kenntnis des Kunden, führt zu zielführenden Segmentierungen.
- Es kommt deshalb nicht auf die Quantität der Daten an, sondern nur auf die Qualität.
- Daten können für digitale Kampagnen genutzt werden; TV ist dank Addressable TV auch für kleine und mittlere Marken interessant, vorausgesetzt, die Daten werden richtig eingesetzt.
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