Die Berliner ShowHeroes sind eines der am schnellsten wachsenden Start-ups im Advertising-Segment. Das Fachmagazin WUV spricht von „Massenware aus Riga“. Dabei steckt viel mehr dahinter. Vor allem viel Verständnis für die Nöte der Verlage.
ShowHeroes produziert für Publisher große Mengen an Mobile optimierten Video-Content. Dieses Inventar können die Publisher über die ShowHeroes Video-Plattform, monetarisieren. Das Unternehmen ist in aller Munde, weil es den Publisher ein Stückweit Unabhängkeit von den Walled Gardens geben kann. Wir sprachen mit ShowHeroes Gründer und CEO Ilhan Zengin über die jüngsten Entwicklungen im Video Advertising.
ADZINE: Hallo Herr Zengin, wie kommt man auf die Idee, sich mit einem neuen Start-up in das Haifischbecken Video zu stürzen?
Ilhan Zengin: Als ich für Plista International unterwegs war, habe ich gemerkt, dass in einigen Ländern immer die gleichen Fragen bei den Publishern auftauchten: Habt Ihr eine gute Videostrategie? Was könnt Ihr im Bereich Mobile? Und damals hatten wir keine gute Lösung parat. Und in großen Unternehmen wie der GroupM braucht es eben eine Zeit, so etwas aufzubauen.
Und gleichzeitig habe ich bei der SXSW Mario Tiedemann, meinen Co-Founder, kennengelernt. Der war bei Burda und stellenweise auch in Sachen Video unterwegs. Und dann war die Idee recht offensichtlich: Mobile first mitsamt Vermarktungslösung für Publisher.
ADZINE: Also von Anfang an Technik und nicht Videoproduktion?
Zengin: Nein, beides. Marios Idee war Content, nur eben Mobile first. Und von mir kommt die Business-Development-Idee für eine technische Plattform inklusive Vermarktungslösung. Das hat zusammengepasst.
ADZINE: Woher kommt das schnelle Wachstum?
Zengin: Das liegt einfach daran, dass es sonst im Markt keinen so hohen Grad an Integration gibt. Die Alternativen, die da sind, richten sich in der Regel an ein Vertikal, an eine Aufgabenstellung. Wir sind zunächst total agnostisch unterwegs. Du kannst auf unserer Plattform eigene Videos laufen lassen, du kannst die Fläche vermarkten, du kannst Videos über die Plattform in Auftrag geben, und alles eben Mobile first. Auf den Publisher kommen im ersten Schritt keine Kosten zu. Die Einstiegshürde ist enorm niedrig. Und wenn man das auf der Supply-Seite anbieten kann, kommt die Demand-Seite von selbst.
ADZINE: YouTube kann einiges davon auch. Sind die Publisher damit unzufrieden?
Zengin: Ich kenne keinen Publisher, der damit glücklich wäre, den YouTube-Player auf den eigenen Seiten einzusetzen. Du hast weder die Daten noch die Vermarktung in eigener Hand.
ADZINE: Hat das Advertising bei DoubleClick doch auch nicht und man tut es trotzdem.
Zengin: Das stimmt nicht ganz. Ich kann den Adserver von DoubleClick benutzen und dennoch selbst vermarkten. Bei YouTube geht das nicht.
ADZINE: Ihr bietet also ein Produkt an, für das der Markt erst einmal eine gewisse Reife erreichen musste.
Zengin: Genau. Inzwischen ist bei den Publishern das Bewusstsein gereift, dass man sich ein Stück weit von den Walled Gardens unabhängig machen muss. Das kostet eventuell Reichweite, ist aber langfristig die deutlich nachhaltigere Strategie.
ADZINE: Große Publisher wie Burda könnten so etwas selbst bauen. Ist euer Produkt eher für die kleineren Publisher?
Zengin: Sollte man meinen, aber in der Praxis überhaupt nicht. Wir haben ganz oben im Markt angefangen. Da kannst du mit weniger Kontakten mehr Impact erreichen. Man sollte meinen, dass die Großen die Ressourcen für solche Eigenentwicklungen haben, aber die sind doch vielfach noch recht hüftsteif. Sie suchen lieber nach externen, neuen Lösungen. Die kleineren Publisher und Blogger interessiert das Thema nicht so. Die nehmen lieber YouTube und haben nur selten eine nachhaltige Strategie.Im Mittelsegment sehe ich beides. Aber im Moment liegt unser Fokus eher bei den Großen.
ADZINE: Stichwort Daten: Seid ihr so transparent, wie ihr immer vorgebt?
Zengin: Der Publisher hat die Hoheit über die Daten. Er kann seine eigenen Videos über unsere Plattform publizieren und die Reportings ziehen. Dann aber gibt es eine zweite Ebene. Wenn der Publisher sieht, dass bestimmte Themen erfolgreich funktionieren, dann kann er bei uns mehr Videos dieser Art bestellen und wir spielen die auch aus.
ADZINE: Der Publisher kann auch Teile seines Inventars reservieren und selbst vermarkten, obwohl er den ShowHeroes-Player einsetzt?
Zengin: Na klar. Das geht über einfaches Blacklisting. Da werden dann die Seiten aufgenommen, die wir nicht vermarkten dürfen.
ADZINE: Wie geht ihr in der Produktion von Content-Pieces vor? Macht ihr auch direkt A/B-Testing?
Zengin: Das kommt sehr auf den Partner an. Bei den Publishern haben wir eine sehr enge Abstimmung mit dem Partner und seinen Redaktionen. Da kommt es vor, dass wir aktiv auf die zugehen und ihnen Vorschläge für Optimierungen machen, wenn uns an den Daten etwas auffällt. Aber die Regel ist das nicht. A/B-Testing könnten wir machen, wird aber in der Praxis von den Publishern überhaupt nicht nachgefragt.
Ganz anders ist es bei den Marken. Die gucken mehr auf KPIs wie Engagement. Mit denen machen wir echte Detailoptimierung.
ADZINE: Was ist das größte Hindernis für ein erfolgreiches Gespräch mit einem neuen Publisher?
Zengin: Das ist sicher das Thema Turnarounds, also schnell mal was umsetzen und ausprobieren. Gerade bei den Großen gehen die Verträge erstmal durch den Vorstand, obwohl du noch nicht mal ausprobiert hast, ob das überhaupt Sinn macht.
Ganz klar: Die Reaktionszeiten bei großen Partnern sind ein echtes Problem.
Und dann gibt es nach wie vor Abteilungskonflikte. Als Betreiber einer integrierten Plattform sprechen wir ja mit unterschiedlichen Stakeholdern beim Kunden, und die haben meistens sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das bekommt man zu spüren, lässt sich aber vermutlich nicht auflösen.
Bei Brands geht es immer um die Frage: Nach welchen KPIs kaufe ich ein? Das ist noch sehr TV-getrieben: Die liefern dann einen 30-Sekünder und erwarten eine Completion-Rate von 80 Prozent und mehr. Die gibt es aber nicht. Schon gar nicht im mobilen Segment. Mit so einem Ansatz kauft man sich zwingend schlechten Traffic ein, weil die Videos dann im Hintergrund oder im unsichtbaren Bereich laufen. Das ändert sich allmählich und muss es auch. Aber Stand heute ist da noch viel Schubladendenken unterwegs.
ADZINE: Gibt es aktuell im Bereich Video-Advertising so etwas wie Trends?
Zengin: Der heilige Gral ist und bleibt Relevanz. Wenn das Video nicht zum User oder Inhalt passt, dann nutzt alles nichts. Native Advertising ist nach wie vor angesagt. Man will die Botschaft schon subtiler rüberbringen als in einem klassischen Mid-Roll.
So wird es in der Öffentlichkeit wahrgenommen und an den Planungstischen diskutiert. In der Praxis ist Native noch lange nicht da, wo klassisches Video-Advertising ist. Die Produktion ist aufwendiger, die Prozesse sind komplizierter und vielen Unternehmen fehlt die große Content-Strategie dahinter.
ADZINE: Es braucht eine Core Story für gutes Native Advertising?
Zengin: Genau. Und die hat kaum einer. Man betrachtet Native als isolierte Maßnahme und denkt das nicht zu Ende. Klar kann ich über Facebook eine Million Views erreichen, aber was ist der Traffic wert? Welche Qualität hat er? Konvertiert er?
ADZINE: Fragt der Markt nach mehr Interaktion im Video?
Zengin: Teilweise. Aber ich glaube, dass Rich Media nur eine Übergangsidee ist. Ähnlich wie Outstream. Das wurde in einer Zeit geboren, als Video ein echter Käufermarkt war, weil die Marken nicht genug produzierten, um die Flächen zu füllen. Das ändert sich langsam.
Man kann schon sagen, dass die Nachfrage immer noch steigt, aber ähnlich wie bei Native ist da kein Druck dahinter. Der steckt im klassischen Video-Advertising und das eignet sich viel besser für eine langfristige, strategische Ausrichtung des Publishers.
Außerdem kann interaktives Video heute jeder größere Publisher selbst machen, wenn er das will. Dazu braucht es nur rudimentäres Programmier-Know-how. Wer Outstream als technische Innovation anbietet, betreibt pure Augenwischerei.
ADZINE: Ilhan Zengin, vielen Dank für dieses Gespräch. Wir freuen uns auf die Diskussion auf dem Play Summit.
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