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DMEXCO

Datendebatte zur Dmexco - Angst, Unfähigkeit oder nur zu viel Egoismus?

Daniel Neuhaus, 10. September 2018
Murmeltier: Danny Wage on Unsplash, (CCO) // Logo: Dmexco, Barbetitung ADZINE

Und täglich grüßt das Murmeltier. Wie in den vergangenen Jahren wird auch die kommende DMEXCO in Sachen Daten einem gutmütigen Debattierklub gleichen: Über die US-Tech-Riesen wird gejammert und geklagt. Unzählige Sätze fangen mit „eigentlich müssten wir…“ an. Doch zu einer gemeinsamen deutschen oder gar europäischen Strategie wird es auch dieses Jahr nicht kommen. Leider. Dabei sind sich alle einig: Es ist höchste Zeit.

DMEXCO – auf dem Klassentreffen der Digitalwirtschaft werden wir alle wieder sitzen und über die Zukunft reden: Wir jammern über den schleppenden Internet-Ausbau und machen uns über Angela Merkels Digitalrat lustig, inklusive des pfiffigen PR-Schachzuges von Ijad Madisch mit seinem Superman-Käppi auf dem offiziellen Regierungsfoto. Vor allem wird aber wieder sehr ausdauernd über die erdrückende Marktmacht von Google, Facebook & Co. geschimpft werden.

Dabei gibt eine drängende Frage: Was behindert eine unabhängig deutsche Web- und Werbewirtschaft wirklich? Im Grunde wissen die Advertiser doch, wie abhängig sie tatsächlich beim Zugang zum Kunden von Google, Facebook oder auch Amazon sind. Die Tech-Riesen diktieren die Bedingungen. Dabei wären die meisten doch gerne unabhängiger.

In diesen Momenten will man allen Teilnehmern auf allen Podien, bei allen Konferenzen zurufen: „Der Worte sind genug gewechselt. Es ist Zeit für Taten.“ Gerade wir Manager und Gründer wissen doch am besten, dass vom Reden noch nie ein Unternehmen gegründet und zum Erfolg geführt wurde. Wenn es aber um die Marktmacht der großen amerikanischen Technologie-Konzerne geht, verwandeln sich selbst die härtesten und aggressivsten Web-Entrepreneure von Raubtieren in zahme Salonlöwen.

Wir dürfen das Business nicht widerstandslos den US-Giganten überlassen

Dabei ist es an der Zeit ernsthaft und zielorientiert vor allem über ein Thema zu sprechen: Daten. Denn eigentlich herrscht eine große Einigkeit, dass wir nicht länger die Daten der europäischen Kunden widerstandslos den US-Giganten überlassen sollten.

Eines ist schon lange Fakt: Daten sind das neue Öl der Wirtschaft. Sie sind der Treibstoff für Innovationen in der Web-Wirtschaft, in der Automobilindustrie, in der Medizin oder der Forschung und Wissenschaft. Sie sind die Basis unserer Vernetzung und aller digitalen Dinge in unserem Leben: des Internets, des Mobilfunks, der Finanzindustrie, der Energiewirtschaft, des Gesundheitswesens oder auch des Verkehrs. Längst ist die Digitalisierung allgegenwärtig. Ohne Big-Data keine Terrorbekämpfung, keine Verkehrsstaubewältigung und keine Produktverbesserungen.

Eine intelligente Big-Data-Verarbeitung ist dabei eben kein Horror-Szenario aus einer Science-Fiction-Dystopie, sondern Realität. Das wissen die Menschen auch und stehen dem auch nicht nicht in totaler Ablehnung gegenüber. So kommt eine Studie der GlobalDMA zu dem Ergebnis, dass sich 51 Prozent der befragten Internetnutzer als „Datenpragmatiker” sehen. Sie entscheiden von Fall zu Fall, ob sie ihre persönlichen Daten teilen, abhängig von den Vorteilen, die sich für sie dadurch ergeben. Die zweitgrößte Gruppe der Befragten wird in der Studie als „unbekümmert" beschrieben. Diese Personen haben wenig Bedenken, wie Daten gesammelt und verwendet werden. Zusammengenommen machen diese beiden Gruppen rund 77 Prozent aus. Das ist mehr als eine Zweidrittel-Mehrheit.

Erklärt man den Nutzern also ordentlich, warum man ihre Daten verwenden und was man damit erreichen will, stehen sie dem gesamten Themenkomplex nicht mehr ablehnend gegenüber. Man muss mit ihnen reden und erklären.

Weit über die Hälfte aller Entscheider weiß nichts mit den schon vorhandenen Daten anzufangen

Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele Unternehmen bislang zu wenig aus ihren Daten machen. Möglicherweise wissen sie auch gar nicht, was sie mit denen anfangen können. Eine Analyse von Wunderman kommt etwa zu dem Ergebnis, dass 99 Prozent der 250 befragten Entscheider schon wissen, dass Daten längst ein wichtiger Erfolgsfaktor sind. 62 Prozent von ihnen sehen sich allerdings nicht in der Lage, aus den vorhandenen Daten auch die richtigen Schlüsse und konkreten Handlungsanweisungen abzuleiten.

Statt ihre Wissenslücken zu schließen und sich mit den neuen Realitäten zu beschäftigen, machen zu viele Manager einfach nichts. Es scheint fast so, als ob sie „dieses Daten-Ding“ als Modeerscheinung, die auch wieder verschwindet, aussitzen wollen. Dabei kommt der Manager der Zukunft gar nicht darum herum sich ganz viel Daten-Know-how anzueignen. Diese Aussitz-Attitüde ist im Grunde nur eine faule und ängstliche Ausrede. Kann es etwa sein, dass zu viele Manager hierzulande eben keine so furchtlosen Macher sind? Sind sie vielleicht sogar getrieben von einer ganz besonderen Phobie, einer speziellen German-Daten-Angst?

Ein Teil dieser Angst scheint darin zu bestehen, den Weg des geringsten Widerstandes zu verlassen. Viele haben es sich in ihrer Beschwerde-Haltung längst bequem gemacht. Statt sich strukturiert und gemeinsam zu überlegen, wie eine europäische Digitalwirtschaft aussehen könnte, die den US-Tech-Schwergewichten eigene und regional weit passgenauere Antworten entgegensetzt, wird sich ausdauernd beschwert. Dabei kommen meisten Wortmeldungen nicht über den Status von Lippenbekenntnissen heraus. Sie sind reine Politik und trüben viel zu oft den Blick auf die eigentlichen Ziele. Im Zweifel greift man dann doch wieder stets auf die gewohnten Angebote der US-Giganten zurück und frönt einer altmodischen Kleinstaaterei. Genau das ist der Weg des geringsten Widerstandes. Den müssen wir aber verlassen.

Die Unternehmen müssen aufhören, alle Daten-Kompetenzen auszulagern

Es ist Zeit zu handeln. Die Unternehmen müssen aufhören, alle Daten-Thematiken immer und immer auszulagern. Sie müssen eigene Kompetenzen auf diesem Gebiet aufbauen und endlich beginnen, den US-Platzhirschen Wettbewerbsvorteile abzuluchsen. Um es konkret zu sagen: Der Rivale von Otto ist nicht Zalando. Statt vieler kleiner Walled Gardens heißt das Zauberwort Zusammenarbeit.

Ein einzelnes Unternehmen kann mit seinen gespeicherten Informationen nicht genug erreichen. Natürlich sind Daten ein Wettbewerbsvorteil. Aber sie zu teilen, heißt nicht zwangsläufig diesen aufzugeben. Es müssen nicht alle Daten in aller Ausführlichkeit verschlossen und geschützt werden, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu wahren. Für erfolgreiche Datenstrategien mit optimaler Qualität ist die Menge an hochwertigen Daten ausschlaggebend.

Die Realität sieht so aus: Die Datenbestände einzelner Konzerne, ob nun in Deutschland oder in Europa reichen einfach nicht aus, um die Abhängigkeit von Google und Facebook zu brechen.

Bild Foto: Daniel Neuhaus / emetriq2018 Über den Autor/die Autorin:

Daniel Neuhaus ist CEO & Gründer der Telekom-Tochter emetriq. Mit emetriq hat er Deutschlands größten Datenpool der digitalen Werbebranche etabliert. Das Unternehmen bündelt die Daten starker Partner und ermöglicht den Austausch untereinander. Der Datenexperte begann seine Karriere 1998 bei der Axel Springer AG, wo er das Geschäft von Bild.de maßgeblich mit aufbaute. Als General Manager verantwortete er später die Bereiche Online und Marketing der Computer Bild Gruppe bei der Axel Springer AG.Mit seiner ersten Gründung xplosion interactive investierte Neuhaus früh in den Aufbau von Datenkompetenz und baute das Unternehmen zu einem führenden Targeting-Anbieter aus.

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