„Nirgends ist Video-Erfolg planbarer als auf Youtube"
Frederik Timm, 25. Juli 2018Wer die junge Zielgruppe erreichen möchte, findet sie wohl am häufigsten bei Youtube. Obwohl Influencer-Netzwerke sich über Hochkonjunktur freuen, haben Unternehmen immer noch nicht den Code „Youtube" geknackt, findet Christoph Burseg, CEO der Youtube-Analysefirma Veescore. Im Interview spricht er über sein Unternehmen und Möglichkeiten, das Potenzial von Youtube besser auszuschöpfen.
ADZINE: Hallo Herr Burseg, Sie widmen sich mit ihrer Analyseplattform ganz dem Youtube-Kosmos. Wann sind Sie mit Veescore gestartet und was bietet das Tool überhaupt?
Christoph Burseg: Wir sind etwa 2014 in die Beta-Phase gestartet. Da Youtube ein riesengroßes Portal ist, hat es einige Zeit in Anspruch genommen, die Plattform dahingehend aufzubauen und zum Laufen zu bringen. Unsere Firma gibt es also schon ein paar Jahre, aber wir haben erst 2017 damit angefangen, den Leuten zu zeigen, was unser Produkt kann. Es ist unser Ziel, ein Tool anzubieten, mit dem sich schnell und übersichtlich Trends auf Youtube entdecken und analysieren lassen. Wir wollen dabei Informationen bieten, die über Likes und Follower hinausgehen.
ADZINE: Es gibt bereits einige Plattformen wie zum Beispiel Social Blade, die, mitunter auch kostenlos, eine rudimentäre Analyse von Social-Media-Kanälen ermöglichen. Was hebt Veescore von diesen Angeboten ab? Kurz: Was ist Ihr USP?
Burseg: Solche kostenlosen Angebote sind prima, wenn man sich schnell einen kurzen Überblick über das Geschehen auf Youtube verschaffen will. Wir messen allerdings nicht nur die Abrufe und Abonnenten eines Kanals. Unsere Analyse zeigt auch, welche Videos tatsächlich für hohe Viewzahlen verantwortlich sind. So haben wir den Vorteil, den jeweiligen Wachstumsschüben eines Kanals auch die passenden Videos zuordnen zu können. Damit geben wir einem qualitativen Input in einem Markt, den man bisher nur quantitativ kannte.
So kann eine Marke wie Nike herausfinden, welche Sportvideos auf Youtube besonders gut performen und ihre Marketingstrategie daraufhin anpassen, mit anderen Videos darauf reagieren oder gar eine Kooperation mit entsprechenden Youtubern eingehen.
ADZINE: An wen richtet sich Ihr Angebot?
Burseg: Wir unterscheiden drei Hauptgruppen unter unseren Kunden. Die erste besteht aus Youtubern, die meist wissen wollen, welche Videos bei der Konkurrenz besonders gut laufen – nicht nur bezogen auf Abrufe, sondern auch auf Interaktion. Daraus können sie für ihren Kanal ableiten, welche Inhalte gut performen und mehr Abonnenten bringen. Sie können sich zum Beispiel auch informieren lassen, wenn ein Wettbewerber Inhalte veröffentlicht, die überdurchschnittlich gute Ergebnisse liefern, um so möglichst schnell reagieren zu können.
Die zweite Gruppe sind Unternehmen, die einen eigenen Youtube Kanal betreiben und mit Hilfe des Tools ihre Content-Strategie des Youtube-Kanals verbessern wollen oder Influencer für sich finden möchten. Sie wollen in möglichst geringer Zeit verstehen, wie Youtube funktioniert und nutzen das Tool als aktive Unterstützung darin.
Als dritte Gruppe sind die Agenturen zu nennen, diese sind jedoch momentan noch zurückhaltend. Dabei ist Youtube alles andere als ein fertiger, satter Markt. Gerade Agenturen haben in diesem Bereich die Möglichkeit, ihren Kunden zu zeigen, welche Inhalte gut funktionieren und haben durch diese Daten einen guten Ansatz das Cross- und Upselling-Potenzial von neuen Projekten zu steigern.
ADZINE: Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf Influencer. Sie versuchen sich so, Youtube als weiteren Kanal zu erschließen. Welche Learnings können sie aus den Youtube-Kanälen der Influencer ziehen und wo gibt es häufig noch Probleme? Gibt es einen Unterschied zwischen erfolgreichen Influencer-Videos und den Inhalten, die Unternehmen gerne spielen?
Burseg: Ganz grundsätzlich entstehen die meisten Youtube-Abrufe über ein klares Interesse des Nutzers. Anders als bei Facebook, wo der Nutzer einfach durch den Bildschirm scrollt und bei interessanten Inhalten hängen bleibt, läuft bei Youtube viel Traffic über die Suche oder sehr große Kanäle, denen die Nutzer aus Interesse folgen.
Wenn Unternehmen gerade erst bei Youtube beginnen, haben sie meist keine hohe Relevanz. Wenn sie dazu noch Inhalte produzieren, die wie TV-Werbung anmuten, wird sie kein Nutzer finden. Deshalb ist die beste Strategie für ein Unternehmen, Inhalte zu erstellen, die ein Bedürfnis stillen, eine Frage beantworten oder einen Use Case besser erklären. Fast jeder bekannte Youtube-Kanal ist durch Tutorials und Hilfen groß geworden. Das war zum Beispiel bei Bibis Beauty Palace nicht anders. Wenn die Reichweite erst mal da ist, können auch andere Themen besser bedient werden.
Viele Unternehmen wollen diese Entwicklung abkürzen und produzieren dadurch die vermeintlich falschen Inhalte. Dazu kommt, dass sie meist wesentlich mehr Geld in die Videos stecken als Youtuber und so bleibt ihre Youtube-Präsenz meist nur ein kurzes Experiment. Youtube ist nicht schwer, weicht jedoch stark davon ab, was Unternehmen leicht fällt.
ADZINE: Wie können Unternehmen/Marken den Youtube-Kosmos besser für sich nutzen und verstehen? Gibt es bereits Marken, die erfolgreich im Videoportal vertreten sind?
Burseg: Häufig ist die erste Reaktion eines Unternehmens, ein für YouTube unpassendes Video mit eingekaufter Reichweite zu verbreiten. Ich kenne kein Beispiel, bei dem diese Strategie gut gewirkt hat. Im schlimmsten Fall wird das Video bei den Usern als schlechtes Branding abgespeichert. Da wird nicht geliked, geshared oder kommentiert.
Selbst wenn ein Unternehmen es einmalig schafft, eine gute Kampagne zu erstellen, heißt das leider nicht, dass es dadurch Youtube dauerhaft verstanden hat. Meist handelt es sich lediglich um einen Glücksgriff.
Es haben jedoch einige Unternehmen bereits verstanden, dass es sich lohnen kann, Kooperationen mit Youtubern einzugehen. Mercedes Benz hat zum Beispiel mit dem Autokanal JP Performance zusammengearbeitet. Diese Videos haben sehr gut funktioniert und sich auch organisch weiterverbreitet. Die Kampagne lief auf dem Kanal von Mercedes, wodurch der Autobauer zigtausend neue Abonnenten verzeichnen konnten.
ADZINE: Sollte es also die Maxime einer Marke sein, mit Hilfe von Influencern den eigenen Kanal auszubauen oder lieber auf den Kanälen von Influencern ihre Marke zu platzieren?
Burseg: Wenn ich 250.000 Euro für eine Marke bei Youtube ausgeben könnte, würde ich 80 Prozent in die Produktion von Videos stecken und 20 Prozent in die Bekanntmachung des Kanals. Die Zusammenarbeit mit Influencern kann funktionieren, man kann jedoch sehr viel falsch machen. Die Auswahl spielt hier eine wichtige Rolle. Auch dabei soll unser Tool helfen. So lassen sich die Kanäle herausfiltern, die zu bestimmten Themen besonders erfolgreich sind. Marken geben dadurch nicht blind für den Kanal mit den meisten Abonnenten Geld aus, sondern investieren vermehrt in Kanäle, die zum Profil der Marke passen.
ADZINE: Wenn ein Unternehmen auf Youtube aktiv wird, wie lässt sich der Erfolg auf der Plattform messbar machen?
Burseg: Man muss im Hinterkopf behalten, dass der Konsum eines Youtube-Videos eine Kaufentscheidung unheimlich stark beeinflussen kann, aber nicht jeder sofort das Video pausiert und das entsprechende Produkt kauft. Das kann enttäuschend sein, da sich der Kauf nicht sofort nachweisen lässt. Allerdings kann nach ein paar Wochen nach Ansehen des Videos der Kauf doch noch stattfinden. Es sollten also nicht nur direkte Transaktionen gemessen werden. Wenn das Unternehmen die Kampagne response-orientiert aufsetzen will, klappt es sehr gut, eine Art Gutschein oder eine spezielle Landing-Page für den Video-Traffic anzubieten. Die Promotion dieser Links sollte mit Influencern abgesprochen werden. So maximiert man die Interaktionen.
Wenn die Videos auf dem eigenen Kanal laufen, können dauerhaft Abonnenten gewonnen werden, die sich wirklich für das jeweilige Thema rund um die Marke interessieren. Diese Abonnenten lassen sich über Google dann gesondert targeten und gesondert ansprechen. Hier bietet sich die Möglichkeit, eine sehr interessierte Zielgruppe anzusprechen. So kann der Erfolg einer Kampagne auch in dem Gewinnen von neuen Abonnenten des eigenen Kanals bestehen.
Ich finde es immer spannend, dass viel Geld in die Hand genommen wird, um mit Top-Influencern zu arbeiten, aber viele Marken nicht langfristig Geld bereitstellen, um gute eigene Inhalte zu produzieren. Das ist ein bisschen wie damals, vor zehn Jahren, beim SEO. In der Zeit haben viele bekannte Marken es auch nicht als nötig angesehen, selber SEO zu betreiben. Das stetige Arbeiten am eigenen Kanal, um nach einem halben bis dreiviertel Jahr organisch die Nutzer zu erreichen, ist immer noch die Ausnahme. Viele planen mit ihren Youtube-Kampagnen nur den kurzfristigen Erfolg durch Influencer-Kooperationen.
Wir wünschen uns deshalb, dass Unternehmen dieselbe Liebe zu Youtube aufbringen, wie wir und der Plattform über längere Zeit eine Chance geben – nicht nur für eine Kampagne.
ADZINE: Herr Burseg, danke für das nette Gespräch!
Treffen Sie Christoph Burseg auf dem PLAY Summit 2018!
Wenn Sie weiter in die Materie "Youtube" eintauchen wollen, bietet sich beim diesjährigen PLAY Video Advertising Summit am 18.10. in Hamburg die Möglichkeit dazu. Neben spannenden Vorträgen und Panel-Diskussionen rund um das Thema Video Advertising, bleibt Zeit für Expertengespräche mit Speakern wie Christoph Burseg, CEO von Veescore.
Aktuelle Infos zum Play Summit 2018 gibt es auch auf Social Media: Facebook, Twitter, LinkedIn und Xing. Stay Tuned!
EVENT-TIPP ADZINE Live - Industry Preview - Media & Tech Agenda 2025 am 22. Januar 2025, 11:00 Uhr - 12:30 Uhr
Welche Themen sollten Advertiser und ihre Agenturen, aber auch die Medien, ganz oben auf der Agenda haben für 2025? Welche Technologien werden bei den großen Herausforderungen, wie z.B. Datenschutz, Addressability, Qualitätssicherung, Messbarkeit und Einkaufseffizienz im digitalen Mediabusiness 2025 eine wichtige Rolle spielen? Jetzt anmelden!